Leitsatz (amtlich)
Ein Ehepaar, das im Ausland am Sitz eines seiner Gewerbebetriebe seinen Hauptwohnsitz hat, und das auch in der Bundesrepublik einen Gewerbebetrieb unterhält, kann die Kosten einer nach seinen privaten Lebensbedürfnissen eingerichteten vollständigen Zweitwohnung am Sitz des Betriebes in der Bundesrepublik nicht als Betriebsausgabe abziehen, wenn es an diesem Ort im Durchschnitt nahezu die Hälfte des Jahres lebt und dort auch einen zweiten Wohnsitz begründet hat. Befindet sich die Wohnung in einem eigenen Betriebsgebäude, so ist demgemäß die Nutzung der Wohnung eine Entnahme.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nrn. 1-2, § 21 Abs. 2-3
Tatbestand
Streitig ist, ob der Gewinn einer OHG zu erhöhen ist um den Nutzungswert einer Wohnung in einem Betriebsgebäude der OHG, die die OHG ihren in Österreich ansässigen Gesellschaftern unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat und die diese bei ihrer Anwesenheit am Betriebssitz der Gesellschaft benützen.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG, betreibt ein Obstverwertungsunternehmen. Gesellschafter der Klägerin sind die Eheleute G. Diese hatten ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Sie betreiben dort ein branchengleiches Unternehmen. Die Eheleute G sind außerdem Gesellschafter der O-OHG.
In einem Betriebsgebäude der Klägerin ist seit 1961 eine Zweizimmerwohnung mit Küche und Bad ausgebaut. Diese Wohnung benutzen die Gesellschafter bei ihren Aufenthalten in G ohne daß dafür die Eheleute G an die Klägerin ein Entgelt zu zahlen haben. Nach dem Sachvortrag der Klägerin müssen die Eheleute G monatlich ein bis zwei Wochen in G sein, um die verantwortliche Leitung und Überwachung der Klägerin und der O-OHG durchführen zu können.
Die Eheleute G sind seit 30. September 1961 in G polizeilich gemeldet. Die Familie G hat dort ihren zweiten Wohnsitz. Auf Antrag der Eheleute G hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) anerkannt, daß die Eheleute G ab 1. Oktober 1961 in der Bundesrepublik unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, die Nutzung der Wohnung im Betriebsgebäude der Klägerin sei eine Privatentnahme der Gesellschafter der Klägerin. Der Gewinn der Klägerin sei deshalb um den Nutzungswert der Wohnung in Höhe von jährlich 840 DM zu erhöhen.
Auf dieser Grundlage erließ das FA am 29. Juli 1965 berichtigte Gewinnfeststellungsbescheide für 1962 und 1963, am 31. März 1966 einen erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheid für 1964 und am 15. November 1966 einen erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheid für 1965.
Mit ihren Einsprüchen machte die Klägerin geltend, ihre Gesellschafter hielten sich in G nur aus betrieblichen Gründen auf und benützten deshalb auch die Wohnung nur aus betrieblichen Gründen. Die Kosten der Wohnung seien Betriebsausgaben. Eine Zurechnung eines Nutzungswerts der Wohnung als Entnahme entfalle.
Das FA wies die Einsprüche zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision beantragt die Klägerin sinngemäß, ihren Gewinn für 1962 bis 1965 je um 840 DM niedriger festzustellen.
Die Klägerin rügt sinngemäß unrichtige Anwendung der §§ 21 und 4 EStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, weil die Nutzung der in Frage stehenden Räume durch die Eheleute G nicht als Nutzung für betriebliche Zwecke zu beurteilen ist.
1. Nach § 21 Abs. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus oder der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung. Nach § 21 Abs. 3 EStG sind Einkünfte der vorbezeichneten Art anderen Einkunftsarten zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören.
Der Senat kann der Vorentscheidung allerdings nicht darin folgen, daß die vom FA in den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden angesetzte Gewinnerhöhung um jährlich 840 DM dem Grunde nach bereits durch diese Vorschriften gerechtfertigt ist, und zwar auch dann, wenn die Nutzung der Räume als betrieblich veranlaßt zu beurteilen wäre. Der Senat pflichtet der Revision darin bei, daß § 21 EStG nicht anzuwenden ist auf Räume, die ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt werden. Dies folgt daraus, daß die Miete für Räume, die ein Gewerbetreibender für betriebliche Zwecke gemietet hat, als Betriebsausgabe abzugsfähig ist. Demgemäß fehlt ein zureichender Grund dafür, den gewerblichen Gewinn um einen Nutzungswert für betrieblich genutzte Räume im eigenen Gebäude zu erhöhen. Denn die Steuerpflicht des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus nach § 21 Abs. 2 EStG beruht auf der Erwägung, daß der Steuerpflichtige durch die Nutzung der eigenen Räume entsprechende Mietausgaben erspare, die er, wenn er sie machen müßte, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen könnte, und daß demgemäß im Interesse einer Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen mit Wohnung im eigenen Haus und der Steuerpflichtigen mit Mietwohnungen beim Steuerpflichtigen mit Wohnung im eigenen Haus die ersparten Aufwendungen als fiktive Einnahmen anzusetzen sind (vgl. die Nachweise bei Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., EStG § 21 Rdnr. 20). Diese Erwägungen greifen aber nicht ein, wenn bei einem Steuerpflichtigen die Aufwendungen für gemietete Räume als Betriebsausgaben abzugsfähig wären. Damit entfällt auch eine Anwendung des § 21 Abs. 2 EStG.
Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, welche Bedeutung bei der Anwendung des § 21 EStG zusätzlich der Umstand gewinnt, daß im Streitfall das Gebäude, in dem sich die betrieblich genutzten Räume befinden, nicht den Eheleuten G persönlich, sondern der von ihnen gebildeten OHG gehört.
Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es für die Beurteilung des Streitfalles entscheidend darauf an, ob die in Frage stehenden Räume ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt worden sind, d. h. ob die Nutzung der Räume durch die Eheleute G als Nutzung für betriebliche Zwecke zu beurteilen ist. Sollte dies zu verneinen sein, so hat das FA die Gewinne der Klägerin zutreffend um jährlich 840 DM erhöht, weil in diesem Falle die Gesellschafter der Klägerin die Nutzung der Räume entnommen haben (§ 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG i. V. m. § 5 EStG) und der Wert dieser Entnahmen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG dem Nutzungswert der Räume entspricht (Urteile des BFH vom 29. November 1960 I 117/60 S, BFHE 72, 500, BStBl III 1961, 183; vom 23. März 1961 IV 381/58, HFR 1961, 198). Sollte dies hingegen zu bejahen sein, so erweist sich die Gewinnerhöhung um jährlich 840 DM als unberechtigt, weil dann weder eine Entnahme von Nutzungen vorliegt noch § 21 Abs. 2 und 3 EStG anzuwenden ist.
2. Zu Recht geht das FG davon aus, daß die Nutzung von Räumen, die für Wohnzwecke eingerichtet sind, grundsätzlich einen Teil der privaten Lebensführung darstellt und daß deshalb die Kosten für eine Wohnung zu den Kosten der Lebensführung gehören, die auch dann nicht abzugsfähig sind, wenn sie zugleich den Beruf des Steuerpflichtigen fördern (§ 12 Nr. 1 EStG). In Ausnahmefällen können allerdings solche Aufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn und soweit sie nämlich ausschließlich durch berufliche oder betriebliche Gründe veranlaßt sind, weil die Räume nicht zum Zwecke der privaten Lebensführung bewohnt werden, deren Mittelpunkt die Wohnung in der Regel ist.
Ein typisches Beispiel für einen solchen Ausnahmefall ist die Nutzung von Räumen in einem Hotel, und zwar an einem Ort, an dem sich der Steuerpflichtige nur vorübergehend aus ausschließlich betrieblichen Gründen aufhält. Dabei ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob der Steuerpflichtige im Hotel ein oder mehrere Zimmer nutzt, solange der Rahmen des Angemessenen nicht überschritten ist. Aber auch die Aufwendungen für andere Wohnräume als Hotelzimmer, so z. B. für einen neben der Familienwohnung am Sitz des eigenen Betriebes oder im eigenen Betriebe unterhaltenen Wohnraum können nach § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1961 bzw. 1965 in Anwendung der aus § 9 Satz 1 i. V. m. § 12 Nr. 1 EStG abzuleitenden, in § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1966 (BGBl I, 702, BStBl II 1967, 2) ausdrücklich gesetzlich normierten Grundsätze über die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung Betriebsausgaben sein, wenn - worauf § 4 Abs. 5 Sätze 3 und 4 EStG 1967 ausdrücklich hinweisen - das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG nicht eingreift. Wie der typische Fall der Nutzung des Hotelzimmers zeigt, kann aber eine ausschließliche berufliche oder betriebliche Veranlassung der Unterhaltung oder Anmietung eines solchen Wohnraumes - möglicherweise auch solcher Wohnräume -, durch die § 12 Nr. 1 EStG nicht zur Anwendung kommt, nur angenommen werden, wenn dieser Raum oder diese Räume lediglich die Funktion als Aufenthaltsräume für befristete Zeit in den Tages- und Nachtstunden außerhalb der beruflichen Tätigkeit erfüllen und für den Steuerpflichtigen nicht dazu bestimmt sind, als Mittelpunkt seiner privaten Lebensführung oder zumindest eines Teiles seiner privaten Lebensführung zu dienen.
Handelt es sich hingegen bei solchen zusätzlichen Wohnräumen am Ort des Betriebes um eine aus mehreren Räumlichkeiten bestehende vollständige Zweitwohnung, die entsprechend den individuellen privaten Lebensbedürfnissen des Steuerpflichtigen ausgestattet und eingerichtet ist, seinen Wohnsitz begründet und ihm einen erheblichen Teil des Jahres mit oder ohne Familie als privater Mittelpunkt und Heim dient, in dem der sein Privatleben führt, so fehlt der Nutzung die ausschließliche berufliche oder betriebliche Veranlassung. Es liegt vielmehr ein typischer Fall des § 12 Nr. 1 EStG vor. Der Umstand, daß eine solche Zweitwohnung nur deshalb an dem betreffenden Ort gehalten wird, weil sich dort der Betrieb befindet, macht allein die Aufwendungen für sie nicht zu Betriebsausgaben, wenn die Wohnung in den Zeiträumen, in denen sich der Steuerpflichtige in ihr aufhält, auch als Stätte seiner privaten Lebensführung dient. Wäre es anders, so müßten die Aufwendungen für alle Wohnungen, die sich nur wegen des Betriebes des Steuerpflichtigen an einem bestimmten Ort befinden, Betriebsausgaben sein. Es ist auch nicht zulässig, die Kosten einer solchen der privaten Lebensführung dienenden Zweitwohnung am Sitz des Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Hotelersatzkosten wenigstens teilweise als Betriebsausgaben anzuerkennen. Die Tatsache allein, daß bei dieser Gestaltung keine Hotelkosten als Betriebsausgaben anfallen, macht die Kosten dieser Lebensführung nicht zu Betriebsausgaben.
Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Kosten der Wohnung der Eheleute G in G im Ergebnis zutreffend als nichtabzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung angesehen und daher die Gewinnerhöhung durch die vom FA angesetzte Privatentnahme von jährlich 840 DM als zutreffend anerkannt.
Die Eheleute G hatten auch in Österreich einen Gewerbebetrieb und an dessen Sitz ihren Hauptwohnsitz. Sie haben sich aber in G, wo sie sich im Betriebsgebäude die streitige Zweitwohnung eingerichtet haben, im Durchschnitt nahezu die Hälfte des Jahres aufgehalten und dort ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik begründen wollen und auch begründet. Wie das FA vor dem FG vorgetragen hat, haben die Eheleute G (im Schriftsatz vom 19. Juli 1963) selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ihnen die 70 qm große mit eigenen Möbeln eingerichtete Wohnung bei ihren Aufenthalten in der Bundesrepublik "vollkommen" ausreiche, den "Wohnbedürfnissen der gesamten Familie zu genügen". In einem derartigen Fall dient die Nutzung der Zweitwohnung in der Bundesrepublik zum erheblichen Teil der privaten Lebensführung der Steuerpflichtigen, so daß die Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG insgesamt den Aufwendungen für die private Lebensführung zuzuordnen sind. Es wäre im vorliegenden Fall nicht möglich, die Nutzung dieser Wohnung nach objektiven Merkmalen in leicht nachprüfbarer Weise auf den betrieblichen und den privaten Bereich aufzuteilen. Zutreffend weist das FA auch darauf hin, daß, wenn man die Wohnung in G als ausschließlich oder überwiegend aus betrieblichen Gründen genutzt ansehen wollte, man mit gleichem Recht die Wohnung in Österreich als ausschließlich oder überwiegend aus betrieblichen Gründen genutzt beurteilen könnte, weil sich die Eheleute G für die andere Hälfte des Jahres in Österreich aus denselben Gründen aufgehalten haben. Eine nicht anerkennbare Folge wäre, daß dann das Ehepaar G möglicherweise das ganze Jahr über Wohnräume nur aus betrieblichen Gründen nutzen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 72000 |
BStBl II 1976, 776 |
BFHE 1977, 557 |