Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung durch Telefax: Wirksamkeit durch Telefaxausdruck, kein Vorliegen eines Anscheinsbeweises - Angabe einer Telefaxnummer im Schriftsatz, ohne Inhaber des Anschlusses zu sein - Klagefrist bei Geltendmachung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts
Leitsatz (amtlich)
1. Einspruchsentscheidungen können durch Telefax übermittelt
und in Form von Telefaxausdrucken wirksam bekanntgegeben werden.
2. Gibt ein steuerlicher Berater im Briefkopf seiner Schriftsätze eine Telefaxnummer an, ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß nicht er, sondern ein Dritter Inhaber des Telefaxanschlusses ist, muß er sich aufgrund des von ihm geschaffenen Rechtsscheins so behandeln lassen, als habe er den Dritten zu seinem Empfangsbevollmächtigten für Telefaxsendungen bestellt.
Orientierungssatz
1. Es reicht für die wirksame Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung grundsätzlich nicht aus, daß diese der absendenden Finanzbehörde in Schriftform vorliegt und das empfangende Telefaxgerät die übertragenen Daten der Einspruchsentscheidung gespeichert hat. Die durch Telefax übermittelte Einspruchsentscheidung muß vielmehr vom empfangenden Telefaxgerät auch noch ausgedruckt worden sein. Der Streitfall bietet keinen Anlaß, die Frage zu entscheiden, ob ausnahmsweise die Speicherung im Telefaxgerät für die Bekanntgabe ausreicht, wenn der Ausdruck vom Bekanntgabeempfänger vorsätzlich verhindert wird.
2. Es ist nicht durch Anscheinsbeweis bewiesen, daß ein Telefax ordnungsgemäß übermittelt und ausgedruckt worden ist, wenn der zugehörige Sendebericht einen OK-Vermerk für die Übermittlung enthält und im Empfangsprotokoll des angewählten Faxgerätes der Eingang der Sendung vermerkt ist.
3. Die Frage, ob der Nachweis des Zugangs eines durch Telefax übermittelten schriftlichen Verwaltungsaktes nur nach den allgemeinen Beweisregeln geführt werden kann und somit für ihn die gleichen Grundsätze gelten wie für den Nachweis des Zugangs eines durch einfache Briefpost versandten Verwaltungsaktes, konnte unentschieden bleiben.
4. Der Anscheinsbeweis beruht auf der Erfahrung, daß gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder daß bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten. Der Beweis des ersten Anscheins ist daher eine Anwendung von allgemeinen Erfahrungssätzen auf einen bestimmten Geschehensablauf in dem Sinne, daß bei einem feststehenden typischen Geschehensablauf und nach den Erfahrungen des Lebens auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Kausalverlauf geschlossen werden kann. Er ist eine vom Revisionsgericht zu überprüfende rechtliche Wertung und keine --nicht revisible-- reine Beweiswürdigung.
5. Die Klagefrist des § 47 FGO gilt auch für Anfechtungsklagen, mit denen die Nichtigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte geltend gemacht wird.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1-2, § 366; FGO § 118 Abs. 2, §§ 47, 96 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für die Jahre 1989 bis 1991 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte. Gegen die Einkommensteuerbescheide vom 27. und 30. September und 21. November 1994 legte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater B für die Kläger Einsprüche ein. Die Einspruchsschreiben vom 4. Oktober bzw. 23. Dezember 1994 tragen den Briefkopf des B und enthalten in ihm die Angabe: "Telefax XX-7220". Diese Telefaxnummer ist nicht die des B, sondern die der Postfiliale in K, wo B seine Praxis betreibt. Die Einspruchsschreiben weisen darauf jedoch nicht hin.
Das FA wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 1995 als unbegründet zurück und verfügte die Bekanntgabe der Entscheidung mittels Telefax an B. Laut Sendebericht des Faxgerätes des FA wurden am 10. Februar 1995 10 Seiten an das Faxgerät mit der Telefaxnummer XX-7220 mit dem Ergebnis "OK" übermittelt. Die Übermittlung begann nach dem Sendebericht um 12.32 Uhr und dauerte 6 Minuten und 45 Sekunden. Eine Ausfertigung der Einspruchsentscheidung übersandte das FA per Briefpost direkt an die Kläger.
Mit Schriftsatz vom 19. März 1995, der am 20. März 1995 beim Finanzgericht (FG) Hamburg einging, erhob B für die Kläger Klage wegen Einkommensteuer 1989 bis 1991. Der Schriftsatz enthält die Angabe, die Einspruchsentscheidung sei den Klägern am 13. Februar 1995 bekanntgegeben und von ihnen am 17. März 1995 an B als ihren Empfangsbevollmächtigten vollständig weitergeleitet worden. Den Erhalt der nach Angabe des FA per Telefax übermittelten Einspruchsentscheidung bestritt B. Die Kläger beantragten, die Einkommensteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung wegen Nichtigkeit aufzuheben, hilfsweise die Bescheide zu ändern und die Steuern niedriger festzusetzen.
Das FG wies die Klage wegen Versäumung der Klagefrist ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 511 veröffentlicht.
Die Kläger stützen ihre Revision auf Verletzung des § 122 der Abgabenordnung (AO 1977), des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes und beantragen sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG kann die Bekanntgabe der am 10. Februar 1995 per Telefax übermittelten Einspruchsentscheidung an B nicht als bewiesen angesehen werden.
1. Der erkennende Senat teilt zwar die Rechtsauffassung des FG, daß Einspruchsentscheidungen durch Telefax übermittelt und in Form von Telefaxausdrucken wirksam bekanntgegeben werden können (gl.A. Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 6. Aufl., 1998, § 122 Anm. 2; Güroff in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 122 AO 1977 Rz. 32; s.a. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., 1965/1996, § 366 AO 1977 Rz. 7; Oberfinanzdirektion Nürnberg, Verfügung vom 3. November 1992, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1993, 205; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 1991 4 K 100/91, EFG 1992, 705).
§ 366 AO 1977 schreibt für die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen keine förmliche Zustellung mehr vor. § 122 Abs. 1 AO 1977 gilt für die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen entsprechend (§ 366 Satz 2 AO 1977). Die Bekanntgabe muß allerdings schriftlich erfolgen. § 366 AO 1977 fordert nicht nur eine schriftliche Abfassung, sondern auch eine schriftliche Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (s. von Wedel in Beermann, a.a.O., § 366 AO 1977 a.F. Rz. 3; s.a. Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 119 Rz. 4; Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 AO 1977 Rz. 6, 23). Es reicht deshalb für eine wirksame Bekanntgabe grundsätzlich nicht aus, daß der absendenden Finanzbehörde die Einspruchsentscheidung in Schriftform vorliegt und das empfangende Telefaxgerät die übertragenen Daten der Einspruchsentscheidung gespeichert hat. Die durch Telefax übermittelte Einspruchsentscheidung muß vielmehr vom empfangenden Telefaxgerät auch noch ausgedruckt worden sein (vgl. Bundesgerichtshof --BGH--, Beschluß vom 4. Mai 1994 XII ZB 21/94, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1995, 97; s.a. BGH-Urteil vom 7. Dezember 1994 VIII ZR 153/93, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1995, 665). Erst mit dem Ausdruck kann sie zugegangen sein, d.h. schriftlich verkörpert derart in den Machtbereich des Bekanntgabeadressaten gelangt sein, daß dem Adressaten die Kenntnisnahme möglich ist (s. Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 AO 1977 Rz. 6).
Der Streitfall bietet keinen Anlaß, die Frage zu entscheiden, ob ausnahmsweise die Speicherung im Telefaxgerät für die Bekanntgabe ausreicht, wenn der Ausdruck vom Bekanntgabeempfänger vorsätzlich verhindert wird.
2. Der erkennende Senat teilt aber nicht die Auffassung des FG, aufgrund eines Anscheinsbeweises (Beweis des ersten Anscheins oder prima-facie-Beweis) sei bewiesen, daß die Einspruchsentscheidung in Form eines Telefaxausdrucks B am 10. Februar 1995 bekanntgegeben worden sei.
a) Der Anscheinsbeweis beruht auf dem Resümee zahlreicher Erfahrungen des Lebens oder von Erkenntnissen einer großen Zahl von Personen, die sie bei wesensgleichen Ereignissen immer wieder gewonnen haben. Diese Ereignisse müssen serienmäßig typisch gleich verlaufen. Wo sich ein rechtlich zu beurteilendes Geschehen immer wieder gleicht oder sich ähnliche Verbindungen von Ursache und Wirkung ständig zeigen, wird der Richter kraft sich stetig wiederholender Lebenserfahrung von einem feststehenden Ereignis auf ein anderes schließen, weshalb im allgemeinen von "typischen Geschehensabläufen" gesprochen wird. Somit beruht der Anscheinsbeweis auf der Erfahrung, daß gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder daß bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten. Der Beweis des ersten Anscheins ist daher eine Anwendung von allgemeinen Erfahrungssätzen auf einen bestimmten Geschehensablauf in dem Sinne, daß bei einem feststehenden typischen Geschehensablauf und nach den Erfahrungen des Lebens auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Kausalverlauf geschlossen werden kann (s. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534, m.w.N.; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 96 Rz. 17; Tipke/Kruse, a.a.O., § 96 FGO Rz. 4a-c; Völlmeke, DStR 1996, 1070, 1073; s.a. Burgard, Archiv für die civilistische Praxis --AcP-- 195, 74, 126 f.). Der Anscheinsbeweis ist eine vom Revisionsgericht zu überprüfende rechtliche Wertung und keine --nicht revisible-- reine Beweiswürdigung (s. Urteil in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz. 21).
b) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der ihm vom FA in Kopie vorgelegte Sendebericht nicht ausreicht, im Wege des Anscheinsbeweises den Eingang der Einspruchsentscheidung bei der Postfiliale in K zu beweisen (ebenso z.B. BGH-Urteil in NJW 1995, 665; Oberlandesgericht --OLG-- München, Urteil vom 16. Dezember 1992 7 U 5553/92, NJW 1993, 2447; Kammergericht, Beschluß vom 4. März 1994 5 W 7083/93, NJW 1994, 3172; OLG Köln, Beschluß vom 4. Januar 1995 27 W 20/94, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1995, 411; Schmittmann, MDR 1994, 1081; Laghzaoui/Wirges, MDR 1996, 230; Pape/Notthoff, NJW 1996, 417, 425; Marly in Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 144 ZPO Nr. 12; Schmid, Wirtschaftsrechtliche Beratung 1995, 355; a.A. z.B. Landgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 12. Januar 1993 3/8 0 208/91, Recht der internationalen Wirtschaft 1994, 778; Burgard, Betriebs-Berater 1995, 222 und in AcP 195, 74, 132). Dies gilt selbst dann, wenn davon ausgegangen wird, daß Telefaxgeräte in der Regel im Sendebericht einen OK-Vermerk hinsichtlich des Ergebnisses der Übertragung nur dann ausdrucken, falls die Verbindung zwischen dem sendenden und dem empfangenden Gerät bis zum Ende der Übertragung bestand (s. Burgard, AcP 195, 74, 131).
Im Gegensatz zu den Sendeberichten einiger neuer Telefaxgeräte, in denen auch eine Kopie der übermittelten Seiten ausgedruckt wird, läßt der vom FA vorgelegte Sendebericht nicht erkennen, ob zehn beschriftete oder zehn unbeschriftete Seiten übertragen wurden. Das FG hat zwar aus der im Sendebericht angegebenen Dauer der Übertragung den Schluß gezogen, es seien beschriftete Seiten übertragen worden. Es hat aber nicht festgestellt, daß ein allgemeiner Erfahrungssatz besteht, nach dem die Übermittlung von zehn unbeschrifteten Seiten per Telefax von Hamburg nach K weniger als 6 Minuten und 45 Sekunden dauere. Ein solcher Erfahrungssatz ist auch dem erkennenden Senat nicht bekannt. Im Schrifttum wird zudem darauf hingewiesen, es gebe Telefaxgeräte, deren Sendeberichte selbst dann einen OK-Vermerk ausdrucken, wenn die Übertragung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, und daß daher jedenfalls ohne Angaben zum verwendeten Gerätetyp aus dem Sendeprotokoll nicht allgemein auf den Zugang der Sendung geschlossen werden könne (s. Burgard, AcP 195, 74, 132).
c) Auch wenn zusätzlich die Angaben im Empfangsprotokoll des Telefaxgerätes der Postfiliale K berücksichtigt werden, ist der Anscheinsbeweis für den ordnungsgemäßen Empfang und den Ausdruck der Einspruchsentscheidung durch das Telefaxgerät der Postfiliale K nicht erbracht.
Das Empfangsprotokoll befindet sich nicht --auch nicht in Form einer Kopie-- in den Akten. Die Deutsche Post AG hat auf Anfragen des FA und des B jedoch u.a. folgendes mitgeteilt: Sie könne bestätigen, daß nach ihren Unterlagen am 10. Februar 1995 um 12.35 Uhr ein Telefax des FA bei der Filiale K eingegangen sei (Schreiben der Postfiliale vom 4. September 1995 an das FA). An B adressierte Telefaxe, die bei der Filiale K eingingen, würden grundsätzlich in einem Umschlag der Deutschen Post AG als Telebrief gekennzeichnet an B gesandt. Über den Inhalt des Telebriefs des FA vom 10. Februar 1995 könne keine Auskunft erteilt werden. Der Telebrief liege der Post nicht vor. Anhand des Journalausdrucks des Telefaxgerätes könne lediglich der Eingang festgestellt werden. Der Empfänger des Telebriefs sei aus dem Journalausdruck nicht ersichtlich. Es könne nicht festgestellt werden, wem und wann der Telebrief zugestellt worden sei (zwei Schreiben vom 17. November 1995 an B). Über Inhalt und Qualität des Ausdrucks könne keine Angabe gemacht werden (Schreiben vom 3. Dezember 1995 an B).
Aus diesen Mitteilungen ergibt sich zwar, daß die Telefaxsendung des FA am 10. Februar 1995 vom Telefaxgerät der Postfiliale K empfangen wurde. Die Mitteilungen lassen aber nicht den Schluß zu, daß die beschrifteten Seiten der Einspruchsentscheidung und nicht --als Folge einer Fehlbedienung des Telefaxgerätes beim FA-- deren unbeschrifteten Rückseiten übermittelt wurden. Aus ihnen ergibt sich auch nicht, daß die Sendung vollständig und in ausdruckbarer Form empfangen und vom Telefaxgerät ausgedruckt wurde. Es fehlen somit Feststellungen zu dem vom FG angenommenen allgemeinen Erfahrungssatz, daß Telefaxe ordnungsgemäß übermittelt und ausgedruckt worden sind, wenn der zugehörige Sendebericht einen OK-Vermerk für die Übermittlung enthält und im Empfangsprotokoll des angewählten Faxgerätes der Eingang der Sendung vermerkt ist. Gegen die Existenz eines solchen --auch dem erkennenden Senat nicht bekannten-- Erfahrungssatzes spricht, daß im Schrifttum auch auf Fälle hingewiesen wird, in denen ein Ausdruck der empfangenen Sendung wegen technischer Fehler des Telefaxgerätes nicht möglich ist (s. Burgard, AcP 195, 74, 131 --Fußnote 327--).
Daran ändert auch der ergänzende Hinweis des FG nichts, die Angestellten der Postfiliale hätten bei Eingang einer unleserlichen Telefaxsendung die Möglichkeit gehabt, den Absender --hier das FA-- zu informieren. Dieser Hinweis betrifft die Erschütterung des Anscheinsbeweises. Ihm läßt sich kein allgemeiner Erfahrungssatz entnehmen, daß die Postbediensteten beim Eingang unleserlicher Telefaxsendungen stets den Absender informieren. Die Deutsche Post AG hat in ihren schriftlichen Mitteilungen auch keine derartige Übung bestätigt.
d) Da bereits die für den Anscheinsbeweis erforderlichen allgemeinen Erfahrungssätze nach jetziger Erkenntnis nicht bestehen, muß der Senat nicht die zwischen den Verfahrensbeteiligten streitige Rechtsfrage entscheiden, ob der Nachweis des Zugangs eines durch Telefax übermittelten schriftlichen Verwaltungsaktes nur nach den allgemeinen Beweisregeln geführt werden kann und somit für ihn die gleichen Grundsätze gelten wie für den Nachweis des Zugangs eines durch einfache Briefpost versandten Verwaltungsaktes (s. BFH-Entscheidungen vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; vom 3. März 1993 II R 11/90, BFH/NV 1994, 141; vom 15. September 1994 XI R 31/94, BFHE 175, 327, BStBl II 1995, 41; vom 8. August 1995 VII B 61/95, BFH/NV 1996, 105; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 122 Anm. 4; Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 AO 1977 Rz. 23d).
3. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen. Sie ist nicht entscheidungsreif. Es muß noch geklärt werden, ob nach allgemeinen Beweisregeln --insbesondere durch einen Indizienbeweis-- bewiesen werden kann, daß die Einspruchsentscheidung vollständig an das Telefaxgerät der Postfiliale in K übermittelt und von ihm in lesbarer Form ausgedruckt worden ist. Die dafür erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhaltes und Beweiswürdigung ist Aufgabe des FG.
Wird bewiesen, daß die Einspruchsentscheidung am 10. Februar 1995 vollständig übermittelt und in lesbarer Form vom Telefaxgerät der Postfiliale K ausgedruckt worden ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Auffassung des FG, die Einspruchsentscheidung sei B als Verfahrensbevollmächtigten der Kläger bereits am 10. Februar 1995 bekanntgegeben worden. Dies gilt auch dann, wenn nicht geklärt werden kann, ob die Post den Telefaxausdruck an B weitergeleitet hat, oder wenn sich ergibt, daß B ihn erst nach dem 10. Februar 1995 erhalten hat.
Mit der Angabe der Telefaxnummer der Postfiliale in den Briefköpfen der Einspruchsschreiben ohne Hinweis auf den Inhaber des Telefaxanschlusses hat B dem FA gegenüber den Anschein erweckt, es handele sich um seinen eigenen Telefaxanschluß. Das FA konnte daher davon ausgehen, daß Telefaxsendungen an diesen Anschluß mit ihrem Ausdruck derart in den Machtbereich des B gelangten, daß B von ihnen Kenntnis nehmen konnte. Es mußte nicht damit rechnen, daß die Telefaxe erst durch Vermittlung Dritter in den Machtbereich des B gelangen würden. Aufgrund dieses von B verursachten Rechtsscheins muß B sich so behandeln lassen, als habe er die Bediensteten der Postfiliale in K zu seinen Empfangsvertretern bestellt (vgl. BFH-Beschluß vom 1. Juli 1987 II B 204/86, BFH/NV 1988, 50). Ob er diese Rechtsfolge seines irreführenden Verhaltens erkannte und wollte, ist unerheblich.
Unerheblich ist auch, daß dem FA am 28. März 1994 ein Telefax des B wegen der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 1990 zugegangen war, auf dem sich --nach Angabe des B-- eine Kopie eines Absende- und Gebührenzettels der Postfiliale K mit der Angabe "Anschluß der Sendestelle XX-7720" befinden soll. Aufgrund der eindeutigen und nicht mit einem Zusatz versehenen Angabe der Telefaxnummer im Briefkopf der Einspruchsschreiben vom Oktober und Dezember 1994 bestand für das FA kein Anlaß, die unübersichtlichen und zum Teil schwer entzifferbaren früheren Schriftsätze des B daraufhin durchzusehen, ob die Angaben im Briefkopf unvollständig sind.
4. Der erkennende Senat kann offen lassen, ob die angefochtenen Bescheide unwirksam sind. Die Klagefrist des § 47 FGO gilt auch für Anfechtungsklagen, mit denen die Nichtigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte geltend gemacht wird (Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 I R 31/93, BFH/NV 1995, 576; Gräber/ von Groll, a.a.O., § 47 Rz. 6). Die Klage ist eine Anfechtungsklage und keine --von § 47 FGO nicht erfaßte-- Feststellungsklage. Dies ergibt sich aus den von den Klägern beim FG gestellten Klageanträgen.
Fundstellen
Haufe-Index 55741 |
BFH/NV 1999, 242 |
BStBl II 1999, 48 |
BFHE 186, 491 |
BFHE 1999, 491 |
BB 1998, 2566 |
BB 1999, 303 |
BB 1999, 303-305 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1998, 2452 |
DB 1998, 2452 (Leitsatz) |
DStR 1998, 1912 |
DStRE 1998, 979 |
DStRE 1998, 979 (Leitsatz) |
DStZ 1999, 188 |
HFR 1999, 87 |
StE 1998, 774 |