Entscheidungsstichwort (Thema)
"Entschädigungsleistung" als Teil der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung
Leitsatz (NV)
1. Zur Gegenleistung i. S. des § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks in dem Zustand gewährt, in dem es zum Gegenstand des Erwerbsvorganges gemacht ist. Aus der Gegenleistung scheiden nur solche Leistungen des Erwerbers aus, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen.
2. Eine vom Käufer eines Grundstücks zum Ausgleich einer zu erwartenden Wertminderung des dem Verkäufer verbleibenden Grundstücks bezahlte ,,Entschädigung" ist als Teil des Kaufpreises in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuerfestsetzung einzubeziehen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens ist der (Änderungs-)Bescheid vom 3. Februar 1986, durch den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM festgesetzt hat. Als Gegenleistung hat das FA einen Kaufpreis von . . . DM sowie eine Stellplatzentschädigung von . . . DM angenommen. Die Klägerin wendet sich mit der Revision gegen die Einbeziehung der sog. Stellplatzentschädigung in die Bemessungsgrundlage. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin kaufte zwei unbebaute Grundstücke; sie beabsichtigte, darauf ein Warenhaus, Fachgeschäfte, Dienstleistungsbetriebe und Parkdecks zu errichten. Neben der Zahlung eines als Kaufpreis bezeichneten Betrages verpflichtete sich die Klägerin, an die Verkäuferin weitere . . . DM zu bezahlen. Der entsprechende Abschnitt des Kaufvertrages lautet wie folgt:
,,Die Käuferin zahlt an die Verkäuferin eine Entschädigung in Höhe von DM . . . für nicht abgenommene Stellplätze im benachbarten Parkhaus.
Hierbei wurde davon ausgegangen, daß die Käuferin auf dem Grundstück ein Bauvorhaben unter maximaler Ausschöpfung der Bebauungsmöglichkeiten errichtet und für dieses Bauvorhaben ca. . . . Stellplätze nachzuweisen wären.
Mit der vorstehenden Entschädigungszahlung erstattet die Käuferin der Verkäuferin unrentierliche Kosten.
Die Käuferin verzichtet auf den Nachweis der für ihr Bauvorhaben erforderlichen Stellplätze in dem Parkhaus."
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, weil es angenommen hat, daß die Stellplatzentschädigung eine von der Klägerin übernommene sonstige Leistung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die Auffassung des FA bestätigt, daß die als Entschädigung vereinbarte Zahlung von . . . DM als Teil der Gegenleistung in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuerfestsetzung gegen die Klägerin einzubeziehen ist. Zwar handelt es sich insoweit nicht um eine sonstige Leistung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, sondern um einen Teil des Kaufpreises (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1972 II R 188/71, BFHE 106, 236, und vom 1. Oktober 1975 II R 84/70, BFHE 117, 287, BStBl II 1976, 128); dies ändert aber nichts an dem zutreffenden Ergebnis der Vorentscheidung.
Fehl geht die Auffassung der Revision, die Entschädigungszahlung sei deshalb nicht als Gegenleistung i. S. der §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 anzusetzen, weil das FG in ,,fehlerhafter Würdigung des unstreitigen Sachverhalts" - zu Unrecht - davon ausgegangen sei, daß durch sie der Wertverlust eines bei der Veräußerung verbliebenen Restgrundbesitzes ausgeglichen werden sollte.
Das FG hat zwar angenommen, daß aufgrund der späteren Errichtung und Nutzung von Stellplätzen auf den von der Klägerin erworbenen Grundstücken die Rentabilität des der Verkäuferin verbliebenen, benachbarten Parkhauses sinken werde, daß hierdurch der Wert des Parkhausgrundstückes beeinträchtigt würde und daß die Zahlung für diese Wertminderung vereinbart worden sei. Ob die Feststellungen des FG diesen Schluß rechtfertigen, kann dahinstehen, weil die Vorentscheidung hierauf nicht beruht. Als letztlich entscheidend hat es das FG nämlich angesehen, daß die Klägerin die Entschädigung habe aufwenden müssen, um die Grundstücke zu erwerben, ohne daß die Veräußerin dafür eine besondere, nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Leistung erbracht hätte.
Diese Begründung trägt die Vorentscheidung, denn zur Gegenleistung i. S. des § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks in dem Zustand gewährt, in dem es zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht ist (ständige Rechtsprechung des BFH, zuletzt Urteile vom 19. Juli 1989 II R 95/87, BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685, und vom 13. Dezember 1989 II R 115/86, BFHE 159, 362, BStBl II 1990, 440, jeweils mit Nachweisen). Aus der Gegenleistung scheiden nur solche Leistungen des Erwerbers aus, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen.
Die Tatsachenfeststellungen des FG, insbesondere die Würdigung der einschlägigen Vertragsklauseln, lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch der mit der Revision erhobene Einwand, das FG habe § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt, weil es bei seiner Entscheidung den Inhalt einer vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu Protokoll gegebenen Erklärung ,,als unstreitigen Sachverhalt" nicht berücksichtigt habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wenn, wie vorgetragen wird, die Entschädigung dafür bezahlt worden ist, daß infolge des Baukonzepts der Klägerin (Einkaufszentrum mit integriertem Parkhaus) die Verkäuferin die für den von ihr beabsichtigten Bau weiterer Einstellplätze erwarteten öffentlich-rechtlichen Ablösebeträge nicht bekommen würde, so ergibt sich daraus nicht, daß der als Entschädigung bezeichnete Betrag für etwas anderes gezahlt werden sollte als zum Ausgleich für den mit der Veräußerung der Grundstücke an die Klägerin verbundenen wirtschaftlichen Nachteil der Verkäuferin; vielmehr hat sich die Veräußerin eine entsprechend höhere Vergütung für die Grundstücke ausbedungen, als sie ohne diese Nachteile bei Berücksichtigung des Wertes der Grundstücke vielleicht verlangt haben würde (so bereits das vom FG zitierte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 20. März 1923 II A 11/23, RFHE 12, 32, RStBl 1923, 256). Auf den gerügten Verfahrensmangel kommt es mithin nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 417291 |
BFH/NV 1991, 412 |