Leitsatz (amtlich)

Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft leisten Sicherheit i. S. des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959, wenn sie sich verpflichten, bei einer etwaigen Zwangsversteigerung die Grundschulden auszubieten, die die Kapitalgesellschaft zur Sicherung der ihr von einer Bank gewährten Darlehen bestellt hat. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschafter sich außerdem verpflichtet haben, für die Zahlungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft Sorge zu tragen.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 3 Abs. 2 S. 1

 

Tatbestand

Die A-Bank gewährte der Klägerin 1964 zwei langfristige Darlehen … Die Darlehen wurden durch zwei Grundschulden auf dem Grundbesitz der Klägerin gesichert. Zur weiteren Sicherung der Darlehensforderungen verpflichteten sich die fünf Gesellschafter der Klägerin der A-Bank gegenüber gesamtschuldnerisch, die Klägerin „so zu stellen, daß diese in der Lage ist, ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen aus dieser Kreditgewährung zu den vereinbarten Zins- und Tilgungsterminen pünktlich und in voller Höhe nachzukommen”.

Weiter verpflichteten die Gesellschafter der Klägerin sich, bei einer Zwangsversteigerung der belasteten Grundstücke der Klägerin „die beiden Grundschulden von je … DM nebst Zinsen, Nebenleistungen und Kosten in der Höhe auszubieten, in der die Bank Rechte aus diesen Grundschulden zur Deckung aller Forderungen gegen die Grundstückseigentümerin geltend machen kann”.

Das beklagte Finanzamt (FA) hat angenommen, daß die Gesellschafter durch die von ihnen der A-Bank gegenüber eingegangenen Verpflichtungen für die beiden Darlehen, die nach seiner Auffassung eine nach Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzen, Sicherheiten geleistet hätten. Es setzte deshalb gegen die Klägerin aus § 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959 eine Gesellschaftsteuer fest.

Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Steuerbescheid und den Einspruchsbescheid aufgehoben.

Das FG hat die Frage offengelassen, ob die beiden Darlehen eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzten. Hierauf komme es deshalb nicht an, weil die Gesellschafter für die Darlehen der A-Bank nicht i. S. des § 3 Abs. 2 KVStG 1959 Sicherheit geleistet hätten. Der Begriff der Sicherheitsleistung sei dem Zivilrecht entnommen. Es sei zwar der Meinung zuzustimmen, daß § 232 BGB keine erschöpfende Aufzählung der Arten der Sicherheitsleistung enthalte. Es müsse aber für die Bejahung einer Sicherheitsleistung gefordert werden, daß der Sicherungsgeber dem Gläubiger unmittelbar für die Verbindlichkeit des Schuldners einstehen müsse und der Gläubiger deshalb vom Sicherungsgeber die Befriedigung seiner Forderung im Rahmen der gegebenen Sicherungen verlangen könne, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkomme. Diese Voraussetzungen seien weder hinsichtlich der Ausbietungsgarantie noch hinsichtlich der weiteren Verpflichtungen erfolgt, die im Schrifttum als Patronatserklärungen bezeichnet würden.

 

Entscheidungsgründe

Die vom FA eingelegte Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Die Gesellschafter der Klägerin haben der A-Bank i. S. des § 3 Abs. 2 KVStG 1959 Sicherheit geleistet. Damit kommt es auf die vom FG nicht entschiedene Frage an, ob die Darlehensgewährung seitens der A-Bank eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt (vgl. § 3 Abs. 1 KVStG 1959).

Mit der Frage, wann eine Sicherheitsleistung i. S. des § 3 Abs. 2 KVStG 1959 vorlag, hat sich der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 15. Juli 1976 II R 132/69 (BFHE 120, 279, BStBl II 1977, 91) und vom 19. Januar 1977 II R 6/75 (BFHE 121, 362, BStBl II 1977, 355) befaßt. In dem Urteil II R 132/69 hat der Senat, ausgehend von der bürgerlich-rechtlichen Auffassung, wonach Sicherheitsleistung die Sicherung der Verwirklichung eines gegenwärtigen oder zukünftigen Anspruchs sei, die Auffassung vertreten, daß eine Sicherheit i. S. des § 3 Abs. 2 KVStG 1959 nur dann geleistet werde, wenn der Gesellschafter dem Darlehensgläubiger gegenüber unmittelbar mit seinem Vermögen einzustehen habe, sei es durch Einräumung eines unmittelbaren Anspruchs des Gläubigers gegenüber dem Gesellschafter, sei es durch Einräumung eines unmittelbaren dinglichen Befriedigungsrechtes an einem Vermögensgegenstand des Gesellschafters. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Die Gesellschafter der Klägerin haben sich verpflichtet, diese finanziell so zu stellen, daß sie in der Lage ist, Zins- und Tilgungsverpflichtungen aus der Kreditgewährung pünktlich und in voller Höhe nachzukommen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob allein in der Eingehung dieser Verpflichtung durch die Gesellschafter der Klägerin eine Sicherheitsleistung i. S. des § 3 Abs. 2 KVStG 1959 zu sehen ist. Denn die Gesellschafter haben sich überdies verpflichtet, bei einer Zwangsversteigerung die Grundschulden der Klägerin auszubieten. Zumindest aufgrund dieser Verpflichtung hatten die Gesellschafter der Klägerin der A-Bank gegenüber unmittelbar mit ihrem Vermögen für die Verpflichtungen der Klägerin einzustehen. Zwar beinhaltete die Ausbietungspflicht zunächst nur die Verpflichtung, bei einer etwaigen Zwangsversteigerung entsprechende Gebote abzugeben. Das bedeutete aber, daß die Gesellschafter ggf. das die Grundschulden der A-Bank sichernde Grundstück hätten ersteigern müssen. Hieraus folgt, daß die Gesellschafter der Klägerin bei Erfüllung der Ausbietungsverpflichtung ggf. entweder ein mit den Grundschulden der A-Bank belastetes Grundstück übernehmen mußten (wenn die Grundschulden in das geringste Gebot fielen oder die Grundschulden entsprechend den mit der A-Bank getroffenen Vereinbarungen bestehenblieben, vgl. § 91 Abs. 2 des Zwangsversteigerungsgesetzes – ZVG –) oder aber über die Begleichung des Bargebotes für die Darlehensforderung der A-Bank einzustehen hatten (wenn die Grundschulden nicht bestehenblieben).

Daß das Einstehenmüssen der Gesellschafter mit ihrem Vermögen für die Verpflichtungen der Klägerin im Einzelfall davon abhängig war, daß die Forderungen der A-Bank notleidend wurden, nimmt der Ausbietungsverpflichtung und den daraus resultierenden Folgeverpflichtungen nicht den Charakter einer Sicherheitsleistung. Sicherheiten werden vornehmlich für den Fall gestellt, daß die Hauptverpflichtung nicht – wie erhofft – erfüllt wird.

Die Ausbietungsverpflichtung hat den Charakter als Sicherheit nicht dadurch verloren, daß die Gesellschafter in erster Linie verpflichtet waren, die Klägerin liquide zu halten. Weil die Gesellschafter der Klägerin nicht nur eine Ausbietungsverpflichtung, sondern auch eine Verpflichtung zur Erhaltung der Liquidität der Klägerin eingegangen sind, haben sich die der A-Bank gestellten Sicherheiten noch verstärkt. Eine solche Verstärkung der gegebenen Sicherheiten kann nicht dazu führen, das Vorliegen einer Sicherheitsleistung i. S. des § 3 Abs. 2 KVStG 1959 zu verneinen. Es kann deshalb im vorliegenden Falle nichts anderes gelten als in dem durch das Urteil des Senats vom 19. Januar 1977 II R 6/75 (BFHE 121, 362, BStBl II 1977, 355) entschiedenen Fall.

Nicht unbeachtet bleiben darf schließlich, daß eine Ausbietungsverpflichtung eine gewisse Verwandtschaft zur Bürgschaft aufweist, die ohne Zweifel als Sicherheitsleistung anzusehen ist (vgl. § 232 Abs. 2 BGB). Deshalb hat der erkennende Senat z. B. bei der Auslegung des § 9 Abs. 5 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes 1940 die Ausbietungsgarantie der Bürgschaft gleichgestellt (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 24. November 1971 II R 6/70, BFHE 104, 109, BStBl II 1972, 192).

Soweit die Ausführungen des Senats nicht mit seinem Urteil vom 24. Juni 1964 II 18/62 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 455, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 3, Rechtsspruch 52) im Einklang stehen, hält er an diesem Urteil nicht mehr fest (vgl. hierzu auch das Urteil vom 11. Februar 1976 II R 5/71, BFHE 118, 375, BStBl II 1976, 467).

 

Fundstellen

Haufe-Index 514555

BFHE 1979, 483

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