Leitsatz (amtlich)
Bei einem angestellten Chefarzt eines Krankenhauses, der im Krankenhaus unter Mithilfe der Mitarbeiter seiner Abteilung auch eine freiberufliche Arztpraxis ausübt, sind Aufwendungen für Weihnachtsgeschenke an diese Mitarbeiter weder Betriebsausgaben bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit noch Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Normenkette
EStG 1975 § 4 Abs. 4, § 5 Nr. 1 S. 1, § 9
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Chefarzt der Strahlenabteilung des Kreiskrankenhauses X. Er bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus freiberuflicher Tätigkeit. Aufgrund einer Betriebsprüfung erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Gewinne aus freiberuflicher Tätigkeit für 1975 um 1 519 DM und für 1976 um 1 417 DM, weil er die als Betriebsausgaben abgezogenen Sachzuwendungen des Klägers an die 12 bzw. 15 Mitarbeiter seiner Abteilung zu Weihnachten nicht als abzugsfähig anerkannte.
Dagegen erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der er vortrug, daß diese Sachzuwendungen beruflich bedingt seien, auch wenn sie zur Förderung des Arbeitsklimas gemacht würden. Lebensfremd sei die Auffassung des FA, daß die Zuwendungen aus gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen geleistet würden und daher der Privatsphäre zugerechnet werden müßten. Nach dem Einkommensteuerrecht könnten freiwillige Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, die über die vertraglich vereinbarten Vergütungen hinaus gewährt würden, als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Er, der Kläger, sei nicht nur Arbeitnehmer des Kreiskrankenhauses, sondern übe dort auch eine freiberufliche Tätigkeit aus. Dieser freiberuflichen Tätigkeit komme der Arbeitseinsatz der anderen Mitarbeiter, die in seiner Abteilung tätig seien, zugute.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1982, 610 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 und der §§ 9 und 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
1. Abzugsfähigkeit der Geschenke als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit
Bei den strittigen Sachzuwendungen handelt es sich um Weihnachtsgeschenke, die der Kläger alljährlich an die 12 bzw. 15 Mitarbeiter der von ihm geleiteten Abteilung des Kreiskrankenhauses gemacht und bei seinen Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit als Facharzt als Betriebsausgaben abgezogen hat. Der Kläger geht davon aus, daß die Geschenke durch seine freiberufliche Arztpraxis im Krankenhaus veranlaßt waren, weil ihm für diese die Mitarbeiter seiner Abteilung zur Verfügung standen, obwohl sie nicht seine Arbeitnehmer waren. Der Senat teilt diese Auffassung. Die berufliche Veranlassung der Sachzuwendungen ergibt sich schon daraus, daß der Kläger in seiner freiberuflichen Praxis im Krankenhaus auf diese von ihm selbst nicht entlohnten Mitarbeiter angewiesen war und von ihrer Arbeitsqualität der Erfolg seiner Arztpraxis und damit seine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nicht unwesentlich beeinflußt wurden. Die betriebliche Veranlassung solcher Sachzuwendungen an Krankenhauspersonal, das in keinem Arbeitnehmerverhältnis zum Chefarzt steht, ergibt sich also aus dem besonderen Status der Chefärzte an deutschen Krankenhäusern, der es ihnen gestattet, im Krankenhaus mit Hilfe des Krankenhauspersonals eine freiberufliche Arztpraxis selbständig auszuüben. Nach denselben Grundsätzen hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 23. März 1984 VI R 182/81 (BFHE 141, 18, BStBl II 1984, 557 ) den Standpunkt vertreten, daß Aufwendungen eines angestellten Bezirksdirektors einer Versicherung mit überwiegend erfolgsabhängigen Bezügen für Bewirtung und Geschenke an Mitarbeiter seines Bezirks beruflich veranlaßte Werbungskosten sein können, weil seine Bezüge nicht unwesentlich von den Leistungen seiner Mitarbeiter abhängen.
Entgegen der Meinung des FG verstößt aber der Abzug solcher Betriebsausgaben bei einem selbständig Tätigen gegen das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 EStG 1975. Diese Bestimmung wurde durch ihre Neufassung im EStG 1975 gegenüber der vorher geltenden Fassung erheblich verschärft. Nach ihr dürfen Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, generell nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen werden. Eine Ausnahme besteht nur noch für sog. Werbegeschenke von Firmen mit einem Wert unter 50 DM, die hier nicht in Betracht kommen. Im Gegensatz zu dieser Neufassung war nach der vorher geltenden Fassung der Abzug von Geschenken als Betriebsausgabe bis zu 100 DM pro Person möglich, wenn die Geschenke betrieblich veranlaßt waren.
Die Auffassung des FG, § 4 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 EStG 1975 sei auf den Fall des Klägers nicht anwendbar, weil zwischen ihm und seinen Mitarbeitern ein Verhältnis bestanden habe, das einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis ähnlich sei, stellt keine mögliche Auslegung dar, weil sie gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes verstößt. Die Mitarbeiter der Krankenhausabteilung waren so wenig Arbeitnehmer des Klägers wie im angeführten Urteil in BFHE 141, 18, BStBl II 1984, 557 die dem Bezirksdirektor unterstellten Mitarbeiter dessen Arbeitnehmer waren oder Staatsbedienstete Arbeitnehmer ihres Behördenleiters sind, auf dessen Weisung sie ihre Arbeiten ausführen. Der Begriff des Arbeitgebers ist im Einkommensteuerrecht trotz fehlender gesetzlicher Definition insoweit eindeutig.
Auch das weitere Argument des FG, nach der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 EStG sollten nur Sachzuwendungen vom Abzug ausgeschlossen sein, die "unter Berücksichtigung der Grundsätze einer sparsamen Wirtschaftsführung" als unangemessen anzusehen seien, wird zumindest durch die Neufassung des Abzugsverbotes im EStG 1975, das keine Grenze nach unten mehr kennt, widerlegt.
2. Abzugsfähigkeit der Geschenke als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
Nicht haltbar ist auch die vom FG - entgegen dem Klagebegehren - vertretene Auffassung, die Hälfte des Wertes der Geschenke sei bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als angestellter Chefarzt als Werbungskosten abzugsfähig. Selbst wenn man entgegen dem ausdrücklichen Vortrag des Klägers davon ausgehen könnte, daß er die Geschenke teilweise in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer gemacht hat, sind sie schon deshalb keine Werbungskosten i. S. des § 9 EStG, weil sie auf die Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner Bezüge als angestellter Chefarzt von seiten seines Arbeitgebers ohne Einfluß sind; denn solche Geschenke an angestellte Mitarbeiter beeinflussen bei nichtselbständig Tätigen - im Gegensatz zu den selbständig Tätigen (Gewerbetreibende, Land- und Forstwirte und freie Berufe) - nicht die Höhe ihrer Einkünfte. Wie der Senat schon im Urteil vom 24. Mai 1973 IV R 92/72 (BFHE 109, 352, BStBl II 1973, 634 ) ausgeführt hat, ist es sicher richtig, daß solche Aufwendungen auch auf beruflichen Erwägungen beruhen und geeignet sind, das Arbeitsklima der von dem betreffenden Steuerpflichtigen geleiteten Klinik oder Krankenhausabteilung oder des betreffenden Universitätsinstituts zu fördern. Es ergibt sich aber ebenso aus dem Wesen solcher Aufwendungen eines Staatsdieners oder Angestellten in leitender Stellung mit feststehenden Bezügen, daß sie in erheblichem Maße auch privat veranlaßt sind. Ihre Veranlassung ist dieselbe wie bei den Ausgaben für Geburtstags-, Beförderungs- und ähnliche Feiern, die leitende Beamte und Angestellte für ihre Kollegen und Mitarbeiter veranstalten. Bei diesen Ausgaben geht es um die Verwendung von Einkommen zur Erfüllung gewisser gesellschaftlicher Repräsentationsverpflichtungen, die mittelbar durch die berufliche Tätigkeit bedingt sind und diese letztlich auch fördern sollen. Damit sind aber solche Aufwendungen noch keine Werbungskosten. Vielmehr handelt es sich um typische Aufwendungen für die Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung mit sich bringt. So verhält es sich auch beim Kläger. Man kann daher seine Sachzuwendungen insoweit zwar als gemischte Aufwendungen einstufen, weil sie mittelbar mit dem Beruf des Klägers als Chefarzt zusammenhängen und seiner beruflichen Arbeit förderlich sind. Wie der Große Senat des BFH im Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 ) aber ausgesprochen hat, enthält § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch für derartige Fälle von gemischten Aufwendungen eine gesetzliche Typisierung und ein gesetzliches Verbot der Aufteilung solcher Kosten. Der VI. Senat hat sich im angeführten Urteil in BFHE 141, 18, BStBl II 1984, 557 den Ausführungen im Urteil des Senats in BFHE 109, 352, BStBl II 1973, 634 ausdrücklich angeschlossen; er hält nur bei erfolgsabhängigen Arbeitnehmerbezügen eine andere Beurteilung für möglich. Solche erfolgsabhängigen Arbeitnehmerbezüge liegen jedoch beim Kläger als angestelltem Chefarzt nicht vor.
3. Die Vorentscheidung hat sowohl hinsichtlich der Frage der Abzugsfähigkeit der Sachzuwendungen des Klägers als Betriebsausgaben als auch hinsichtlich der Abzugsfähigkeit als Werbungskosten den gegenteiligen Standpunkt vertreten und dadurch § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG 1975, § 9 EStG und § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verletzt. Sie muß daher wegen Rechtsirrtums aufgehoben und die Klage als unbegründet abgewiesen werden (vgl. dazu Seitrich in Finanz-Rundschau 1983, 375 f.).
Fundstellen
Haufe-Index 426121 |
BStBl II 1985, 286 |
BFHE 1985, 21 |
NJW 1985, 1423 |