Entscheidungsstichwort (Thema)
Damnum - Verrechnung oder Tilgungsstreckung
Leitsatz (NV)
Ein Damnum, das vereinbarungsgemäß vor Ansatz des Grundbetrages nach § 21a EStG durch Verrechnung geleistet wird, ist grundsätzlich in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar. Ist dagegen Tilgungsstreckung vereinbart, kommt ein Abzug nur insoweit in Betracht, als die Tilgung vor Ansatz des Grundbetrages erfolgt. Ob Verrechnung oder Tilgungsstreckung vereinbart ist, muß durch Auslegung des Darlehnsvertrages ermittelt werden.
Normenkette
EStG § 21a; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie erwarben im Juli 1982 ein Einfamilienhaus, das sie seit dem 1. Dezember 1982 bewohnen. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen sie mit der Kreis- und Stadtsparkasse L (Sparkasse) am 26. Juli 1982 drei Verträge über Darlehen von 80 000 DM, 84 000 DM und 13 000 DM. Das Darlehen über 80 000 DM hatte einen Auszahlungskurs von 91,25 v. H. (Damnum 7 000 DM), das Darlehen über 84 000 DM einen Auszahlungskurs von 90,75 v. H. (Damnum 7 770 DM) und das Darlehen über 13 000 DM einen Auszahlungskurs von 90,75 v. H. (Damnum 1 202,50 DM). In den insoweit gleichlautenden Darlehensverträgen heißt es bezüglich des Damnums: ,,Zur Erreichung einer Auszahlung von 100 v. H. des Darlehens wird ein Zusatzdarlehen gewährt. Es ist mit dem Zinssatz des Hauptdarlehens zu verzinsen. Für die Verzinsung des Zusatzdarlehens gilt im übrigen Nr. 2.1. Es wird spätestens zusammen mit dem Hauptdarlehen fällig." Die Sparkasse teilte den Klägern am 4. August 1982 mit, sie habe die Darlehen angelegt und gleichzeitig Belastungsbuchungen in Höhe des jeweiligen Damnums vorgenommen; über die Darlehensrestbeträge könnten die Kläger je nach Bedarf verfügen. Auf den Darlehens-Kontoauszügen für das Streitjahr 1982 belastete die Sparkasse die Kläger unter dem 6. August 1982 jeweils mit einem Betrag in Höhe des Damnums.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1982 den Abzug des Damnums von insgesamt 15 972,50 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Disagiobeträge seien im Streitjahr nicht abgeflossen. Denn die Kläger hätten mit der Sparkasse eine Tilgungsstreckung des Damnums vereinbart. Es bestünden allerdings Zweifel, ob die vorliegende Fallgestaltung wirtschaftlich nicht auch als Vereinbarung eines um das Zusatzdarlehen erhöhten Darlehens, verbunden mit dem vereinbarten Damnum, angesehen werden könnte. Das Gericht könne diese Frage offenlassen, da es im Ergebnis die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den sog. Tilgungsstreckungsfällen für richtig halte. Bedenken bestünden vielmehr gegen die Entscheidung des Großen Senats des BFH (Beschluß vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144), wonach das Damnum im Regelfall bei Vereinbarung der Verrechnung des Darlehens mit dem Damnum bereits im Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens abgeflossen sei. Diese Bedenken seien jedoch nicht entscheidungserheblich.
Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision, mit der die Kläger geltend machen, die Entscheidung der Vorinstanz verletze § 11 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe verkannt, daß sie mit der Sparkasse keine Zusatzdarlehen vereinbart hätten, sondern ein einheitliches Darlehen mit einem um das Damnum erhöhten Nennbetrag von 87 000 DM, 91 770 DM und 14 202,50 DM. Dafür spreche die einheitliche Tilgung. Neben oder vor diesem Hauptdarlehen werde keine Tilgung vorgenommen. Die Kontoauszüge über die Darlehen enthielten neben der Buchung des jeweiligen Damnums weitere Buchungen über echte Ausgaben, z. B. Überweisungen auf Handwerker- und Notarrechnungen. Es sei deshalb nicht einzusehen, warum die Buchung des Damnums keine Belastung darstellen solle. Im übrigen hätte im Zeitpunkt der Buchung auch dann eine wirtschaftliche Leistung des Damnums vorgelegen, wenn es durch ein Zusatzdarlehen getilgt worden wäre.
Das FG habe es außerdem verfahrensfehlerhaft unterlassen, den von den Klägern in der Klageschrift benannten Zeugen zu ihrer Behauptung, für das Damnum sei kein Zusatzdarlehen vereinbart worden, zu vernehmen.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG den Einkommensteuerbescheid 1982 und die Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten von 15 972,50 DM angesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 4 Nr. 2 FGO). Die Vorentscheidung verletzt § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG.
1. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Ausgaben in dem Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1987 IX R 85/85, BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492, m. w. N.) kommt es für den Zeitpunkt der Leistung i. S. des des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG bezüglich eines Damnums auf die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten an, sofern sie tatsächlich durchgeführt werden. Haben die Vertragsparteien vereinbart, daß bei Auszahlung der Darlehenssumme ein Teil als Damnum einbehalten wird, so ist ein solches Damnum in dem Zeitpunkt geleistet, in dem das um das Damnum gekürzte Darlehenskapital dem Darlehensnehmer zufließt (Beschluß des Großen Senats in BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144). Hat sich der Darlehensnehmer, um die volle Auszahlung eines Baudarlehens zu erreichen, dagegen für das vereinbarte Damnum vom Gläubiger ein zusätzliches Darlehen gewähren lassen, so kann er, wenn die Vereinbarungen eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit bilden, nur die zur Tilgung des Zusatzdarlehens geleisteten Teilbeträge gleich einem Damnum als Werbungskosten abziehen. Die sonst bei Darlehensauszahlung fällige Damnumschuld ist in diesen Fällen der Tilgungsstreckung gestundet. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nenn- und dem Verfügungsbetrag des Darlehens wird nicht im Wege der Verrechnung einbehalten, sondern dem Darlehensnehmer (wenn auch ebenfalls darlehensweise) zur Verfügung gestellt (vgl. BFH-Urteile vom 26. November 1974 VIII R 105/70, BFHE 114, 412, BStBl II 1975, 330, und vom 21. Januar 1975 VIII R 101/70, BFHE 115, 209, BStBl II 1975, 503, jeweils m. w. N.).
2. Für die Entscheidung des Streifalles kommt es bei Anwendung dieser Grundsätze, an denen der Senat festhält, entscheidend darauf an, welche Vereinbarung die Vertragsparteien über die Tilgung des Damnums getroffen haben. Ist vereinbart, daß die Kläger das Damnum erst mit der Tilgung des in den Verträgen als Zusatzdarlehen bezeichneten Betrages zu zahlen haben, wären die Grundsätze anzuwenden, die für die Tilgungsstreckung gelten, mit der Folge, daß das Damnum im Streitjahr auch nicht teilweise abziehbar wäre. Es wäre in diesem Fall nicht entscheidungserheblich, daß keine Tilgungsstreckung im eigentlichen Sinne vorläge, weil die Zusatzdarlehen nicht vor dem Hauptdarlehen zu tilgen sind. Bedeutsam wäre nur, daß vereinbarungsgemäß erst mit der Tilgung der Zusatzdarlehen das Damnum geleistet wäre. Für diese Vertragsauslegung spricht der Wortlaut der Darlehensverträge. Danach soll die Sparkasse zur Erreichung der vollen Auszahlung des Darlehens - also des jeweiligen Darlehensnennbetrages - Zusatzdarlehen in Höhe des Damnums gewähren, die erst zusammen mit dem Hauptdarlehen fällig sein sollen.
Bei der Auslegung von Verträgen ist indes nicht allein der Vertragswortlaut maßgebend. Nach § 133, § 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen. Besteht ein übereinstimmender Wille der Parteien, so ist dieser auch dann maßgebend, wenn er im Inhalt der Erklärungen keinen oder nur einen unvollständigen Ausdruck gefunden hat (BFH-Urteil vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475; Münchener Kommentar, 2. Aufl., Mayer-Maly § 133 Anm. 14; Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., § 133 Anm. 4 b, m. w. N.0.
Die Kläger haben bereits in der Vorinstanz unter Beweisantritt vorgetragen, sie hätten mit der Sparkasse je ein um das Damnum erhöhtes Darlehen vereinbart und das Damnum sei bei Darlehensauszahlung verrechnet worden. Bei dieser Vertragsgestaltung wäre das jeweilige Damnum im Zeitpunkt der Darlehensauszahlung abgeflossen. Da die Darlehen nach den Feststellungen des FG vor dem Beginn der Selbstnutzung ausgezahlt wurden, wäre das jeweilige Damnum in diesem Fall im Streitjahr in voller Höhe abziehbar.
Das FG hat die Darlehensverträge rechtsfehlerhaft ausschließlich dem Wortlaut nach dahin ausgelegt, die Vertragsparteien hätten eine Tilgungsstreckung vereinbart, ohne zu prüfen, ob diese Vertragsgestaltung dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprach. Die Vorentscheidung kann danach keinen Bestand haben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif, weil die für die Vertragsauslegung bedeutsamen tatsächlichen Feststellungen fehlen. Der BFH kann zwar eine notwendige, vom FG unterlassene Auslegung selbst vornehmen, wenn das FG die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen. Das gilt auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475, und Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 1985 IX R 60/82, BFH/NV 1985, 74). Im vorliegenden Fall fehlen für die Auslegung der Verträge aber tatsächliche Feststellungen zum Parteiwillen. Das FG wird diese Feststellungen nachzuholen haben und dazu insbesondere den von den Klägern benannten Zeugen hören müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 62400 |
BFH/NV 1989, 298 |