Leitsatz (amtlich)
Veräußert ein Unternehmen die kundengebundenen Formen, die es angefertigt hat, an die Kunden und verpflichtet es sich, bei den späteren Lieferungen der mit Hilfe der Formen hergestellten Erzeugnisse einen Preisabschlag von 5 v. H. zu gewähren, bis die Preisabschläge den Kaufpreis der Formen erreicht haben, so handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Last im Sinne des § 6 Abs. 1 BewG a. F./BewG 1965, deren Entstehung von den künftigen Bestellungen des Käufers der Formen abhängt und die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf Stichtage vor Eintritt dieser Bedingung nicht als Betriebsschuld berücksichtigt werden kann.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 6 Abs. 1; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1; BewG 1965 § 6 Abs. 1, § 103 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Sie stellt Preß- und Spritzteile aus Kunststoffen her. Dazu braucht sie Spritzgußformen aus Stahl, die sie selbst herstellt und an die Kunden verkauft und übereignet. Die Kunden überlassen sodann die Formen wieder der Klägerin zur Herstellung der Plastikteile. Es wird mit einigen Kunden vereinbart, daß bei den späteren Lieferungen die sogenannten Werkzeugkosten (die Kosten der Formen) mit 5 v. H. des Warenpreises verrechnet werden sollen. Der Kunde hat also für die Waren jeweils 5 v. H. weniger zu zahlen, und zwar so lange, bis die Preisabschläge den Kaufpreis der Formen erreicht haben. Die Formen dürfen nur zur Herstellung von Waren für den betreffenden Kunden verwandt werden. Bestellt der Kunde nicht mehr bei der Klägerin, so kann er die Herausgabe der Formen beanspruchen.
Die Klägerin setzte in ihren Bilanzen beim Verkauf einer jeden Form einen Betrag in Höhe des Kaufpreises als "Verbindlichkeit aus noch zu verrechnenden Werkzeugkosten" an. Bei Lieferung der Plastikteile nahm sie jeweils in Höhe von 5 v. H. des Rechnungspreises eine Gegenbuchung vor. Den sich danach auf die Bewertungsstichtage ergebenden Schuldposten übernahm die Klägerin in ihre Vermögensaufstellungen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ließ bei den Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1964 durch den Bescheid vom 30. April 1968 und zum 1. Januar 1966 durch den Bescheid vom 21. Juni 1968 diese Schuldposten nicht zum Abzug zu.
Die Sprungklage; mit der die Klägerin den Abzug der Schuldposten zum 1. Januar 1964 mit 17 624 DM und zum 1. Januar 1966 mit 81 695 DM begehrte, wurde abgewiesen. Das FG war der Auffassung, daß die von der Klägerin gegebene Zusage, einen Preisabschlag von 5 v. H. auf die späteren Warenlieferungen zu gewähren, nur eine obligatorische Verpflichtung für die Zukunft darstelle; sie sei aber keine wertmäßige Belastung des Vermögens am Stichtag.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des FG-Urteils die Schuldposten zum 1. Januar 1964 in Höhe von 17 624 DM und zum 1. Januar 1966 in Höhe von 81 695 DM zum Abzug zuzulassen. Es wird Verletzung des bestehenden Rechts gerügt. Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Herstellung und der Verkauf der Formen und die anschließenden Lieferungen der Plastikteile einen zusammenhängenden Geschäftsvorgang bedeuten. Deshalb sei schon an den einzelnen Stichtagen das Vermögen durch die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten für die Formen belastet.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Als Schuldposten können bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Betriebsschulden im Sinne des § 62 Abs. 1 BewG a. F. bzw. § 103 Abs. 1 BewG 1965 nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur solche Beträge abgezogen werden, zu deren Erfüllung am Stichtag eine rechtsverbindliche Verpflichtung besteht und die außerdem am Stichtag für den Schuldner eine ernst zu nehmende wirtschaftliche Belastung bedeuten (vgl. z. B. für Steuerschulden das Urteil des BFH vom 7. Mai 1971 III R 53/70, BFHE 102, 553, BStBl II 1971, 681 und die dort angegebenen Entscheidungen). Im Streitfall fehlt es schon an der ersten Voraussetzung. Dabei ist zu beachten, daß die Klägerin die von ihr hergestellten Formen an den Kunden verkauft und sie diesem auch übereignet. Der Kaufvertrag über die Formen ist damit vollzogen. Die Klägerin hat ihre Verpflichtung zur Herstellung der Formen erfüllt. Sie hat gegen den Kunden eine Forderung auf Zahlung des Kaufpreises, die sie, wenn sie am Stichtag noch besteht, als Aktivum anzusetzen hat. Diese Forderung oder der bis zum Stichtag zugeflossene Geldbetrag ist wirtschaftlich der Gegenwert für die vorher aus dem Vermögen abgeflossenen Herstellungskosten der Formen. Die Klägerin hat allerdings einigen Käufern der Formen zugesagt, bei den künftigen Lieferungen an sie einen Preisabschlag von 5 v. H. des Warenpreises zu machen. Eine Verpflichtung aus dieser Zusage entsteht aber erst dann, wenn der Käufer der Formen Plastikteile bei der Klägerin bestellt. Ob und wann dieses Ereignis eintreten wird, ist an den jeweiligen Stichtagen ungewiß. Der Käufer der Formen kann nach den getroffenen Vereinbarungen jederzeit weitere Bestellungen unterlassen und statt dessen die Herausgabe der Formen verlangen. Es handelt sich also um eine aufschiebend bedingte Schuld im Sinne des § 6 Abs. 1 BewG a. F. bzw. § 6 Abs. 1 BewG 1965. Nach diesen Vorschriften kann die Verpflichtung vor Eintritt der Bedingung nicht berücksichtigt werden, ohne daß es auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts oder Nichteintritts der Bedingung ankommt. Der Streitfall unterscheidet sich ganz wesentlich von dem Fall, der dem Urteil des BFH vom 24. Juli 1953 III 15/53 S (BFHE 57, 688, BStBl III 1953, 264) zugrunde lag. In diesem Fall blieben, wie sich aus dem Tatbestand des Urteils klar ergibt, die von einem Preßwerk hergestellten Formen laut Verkaufsund Zahlungsbedingungen dessen Eigentum. Der Besteller konnte auch in den Fällen, in denen ihm seitens der liefernden Firma Werkzeugkosten in Rechnung gestellt wurden, die Herausgabe der Formen nicht beanspruchen. Das Preßwerk übernahm gegen Zahlung der Werkzeugkosten nur die Instandhaltung der Formen gegen laufenden Verschleiß und die Verpflichtung, aus den entsprechenden Formen Waren für Dritte ohne Genehmigung des Bestellers nicht herzustellen. Die vom Besteller aufgewendeten Herstellungskosten für die Formen wurden mit 5 v. H. des jeweiligen Warenwerts der nachfolgenden Bestellungen bis zur Amortisation zurückvergütet. Wegen dieses unterschiedlichen Sachverhalts können die Grundsätze dieses Urteils auf den Streitfall nicht angewandt werden.
Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob und in welchem Umfang an den beiden hier in Betracht kommenden Stichtagen schon Bestellungen vorlagen, bei denen die Herstellungskosten der Formen mit 5 v. H. des Rechnungspreises anzurechnen waren, die aber noch nicht ausgeführt waren. Die Vorentscheidung ist aus diesem Grunde aufzuheben. Denn in diesen Fällen ist die Bedingung bereits eingetreten und damit die Verpflichtung entstanden, so daß insoweit ein Schuldposten abgezogen werden kann. Die nicht spruchreife Sache ist an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dieses wird die erforderlichen Feststellungen noch zu treffen und demgemäß zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 70304 |
BStBl II 1973, 206 |
BFHE 1973, 136 |