Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung und Neubegründung einer doppelten Haushaltsführung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine aus privatem Anlaß begründete doppelte Haushaltsführung wird beendet und eine neue beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung wird begründet, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Ort als dem bisherigen Beschäftigungsort unter Beibehaltung seines Familienwohnsitzes eine Beschäftigung aufnimmt und seine Wohnung dorthin verlegt (Bestätigung von BFHE 154, 509, BStBl II 1989, 89).

2. Zur Feststellung des Lebensmittelpunkts bei Eheleuten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1969 verheiratet. Er war in den Jahren 1970 bis 1974 als Facharzt an Krankenhäusern in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) beschäftigt, wo er zusammen mit seiner Ehefrau jeweils eine gemeinsame Familienwohnung unterhielt. Spätestens Ende März 1976 begründete er mit seiner Ehefrau im Hause von deren Eltern in S den Familienwohnsitz. Im Anschluß daran war der Kläger vom 1. April 1976 bis 31. Mai 1976 in G, vom 26. Juli 1976 bis 15. November 1976 in M und vom 21. Februar bis 30. September 1977 in A angestellt. Seit dem 1. Oktober 1977 ist er in K tätig. In K ist er seit dem 13. Mai 1978 mit seinem Hauptwohnsitz und seine Ehefrau mit ihrem Nebenwohnsitz gemeldet. Im Streitjahr 1980 hielt sich die Ehefrau des Klägers drei Monate in K und neun Monate in S auf.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1980 machte der Kläger die Kosten einer doppelten Haushaltsführung (Mietkosten, Mehraufwendungen für Verpflegung sowie Kosten für Familienheimfahrten) vergeblich als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab, da die doppelte Haushaltsführung - unterstellt, der Kläger habe mit seiner Ehefrau in S den Familienwohnsitz unterhalten - nicht beruflich veranlaßt gewesen sei. Der Umzug Ende März 1976 in das schwiegerelterliche Haus in S sei, so führt das FG weiter aus, aus privaten Gründen erfolgt, da die Ehefrau offensichtlich der häufigen berufsbedingten Umzüge überdrüssig geworden sei und es daher vorgezogen habe, wieder in ihrer Heimat bzw. bei ihren in S lebenden Eltern zu wohnen.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage antragsgemäß stattzugeben, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Jeder Fall einer doppelten Haushaltsführung sei getrennt zu beurteilen. Dies bedeute, daß ein einmal aus privatem Anlaß begründeter doppelter Haushalt nicht stets und für alle Zeiten einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung entgegenstehe. So könne eine spätere z. B. infolge eines mit einem Ortswechsel verbundenen Arbeitsplatzwechsels geführte doppelte Haushaltsführung durchaus beruflich veranlaßt sein. Nach der Begründung des Familienwohnsitzes in S habe er, der Kläger, an Krankenhäusern in verschiedenen Städten gearbeitet; bei jeder dieser verschiedenen Arbeitsaufnahmen habe es ihm freigestanden, einen doppelten Haushalt zu führen oder nicht; jeder der doppelten Haushaltsführungen - also auch diejenige in K - sei somit beruflich veranlaßt gewesen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Er ist mit dem Kläger der Auffassung, die Vorentscheidung sei insoweit unzutreffend, als sie davon ausgehe, daß ein einmal aus privatem Anlaß begründeter doppelter Haushalt nicht durch spätere Ereignisse eine nachträgliche berufliche Veranlassung finden könne. Der Abzug der begehrten Werbungskosten sei aber abzulehnen, da der Kläger mit seiner Ehefrau in K den Lebensmittelpunkt gehabt habe. Dies folge daraus, daß der Kläger dort mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet sei und auch seine Ehefrau einen nicht unerheblichen Teil des Jahres in K verbracht habe. Dieses seien auch vom FG festgestellte Indizien, denen ein so entscheidender Beweiswert zukomme, daß selbst der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsinstanz durcherkennen könne. Gegenüber diesen Indizien sei der Vortrag des Klägers unerheblich, die Wohnung in K habe nicht seinen Wohnbedürfnissen entsprochen. Die Wohnung in K sei auch nur geringfügig kleiner als die Wohnung in S gewesen. Sollte der BFH die Entscheidungsreife verneinen, so müßte die Sache aber unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückverwiesen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Die Vorentscheidung steht mit der Rechtsprechung des BFH nicht im Einklang. Der Senat hat durch Urteil vom 26. August 1988 VI R 111/85 (BFHE 154, 509, BStBl II 1989, 89) entschieden, daß eine aus privatem Anlaß begründete doppelte Haushaltsführung beendet und eine neue beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung begründet wird, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Ort als dem bisherigen Beschäftigungsort unter Beibehaltung seines Familienwohnsitzes eine Beschäftigung aufnimmt und auch seine Wohnung dorthin verlegt. Nach der Begründung des Familienwohnsitzes in S Ende März 1976 war der Kläger, bevor er die Arbeit in K aufnahm, in G, M und A beschäftigt. Unabhängig davon, ob die Begründung des Familienwohnsitzes in S privat oder beruflich bedingt war, konnte eine doppelte Haushaltsführung am neuen Beschäftigungsort in K beruflich veranlaßt gewesen sein.

Ob der Kläger die begehrten Kosten als Werbungskosten abziehen kann, hängt davon ab, wo der Kläger und seine Ehefrau ihren Familienwohnsitz unterhalten haben. Auf diese zwischen den Beteiligten umstrittende Frage, ob sich der Familienwohnsitz in K oder S befunden hat, kam es bei der vom FG vertretenen Rechtsauffassung nicht an. Daher hat das FG hierzu auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen und keine entsprechende tatrichterliche Würdigung vorgenommen. Dieses wird das FG nunmehr nachzuholen haben. Dabei kann es sich an den Grundsätzen der Urteile vom 21. Januar 1972 VI R 95/71 (BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262) und vom 29. November 1974 VI R 77/73 (BFHE 115, 23, BStBl II 1975, 459) orientieren, an denen der BFH weiterhin festhält (vgl. Urteil vom 25. März 1988 VI R 32/85, BFHE 152, 533, BStBl II 1988, 582). Für die Beantwortung der Frage, wo sich der Lebensmittelpunkt des Klägers und seiner Ehefrau befunden hat, kommt es auf die tatsächlichen Umstände an. Melderechtlichen Gegebenheiten kann allenfalls im Rahmen der Gesamtwürdigung eine Indizfunktion zukommen. Das gleiche gilt für den Umstand, daß sich die Ehefrau des Klägers einige Monate des Streitjahres in der Wohnung in K aufgehalten hat.

Zur Beruteilung besuchsweiser Aufenthalte des Ehegatten am Beschäftigungsort des Arbeitnehmers verweist der Senat ferner auf sein Urteil vom 17. November 1989 VI R 27/86 (BFHE 159, 142, BStBl II 1990, 308).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417006

BFH/NV 1990, 700

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