Leitsatz (amtlich)
Erklärt sich das Finanzamt auf einen Antrag, die Steuererklärungsfrist zu verlängern, damit einverstanden, daß die Steuererklärung zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt abgegeben wird, so liegt darin eine Verlängerung der Steuererklärungsfrist, die den Ablauf der Antragsfrist nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG auch dann hinausschiebt, wenn das FA Bedenken gegen die Wahrung der Antragsfrist geäußert hat.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, erfüllte die Voraussetzungen einer personenbezogenen Kapitalgesellschaft nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG. Sie stellte am 27. November 1970 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) schriftlich zwei Anträge:
1. Die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen 1969 bis 31. Januar 1971 zu verlängern.
2. sie erstmals für 1969 wie eine Publikumsgesellschaft zu besteuern.
Das FA teilte der Klägerin darauf mit, daß es bei Abgabe der Steuererklärung bis 31. Januar 1971 Verspätungszuschläge nicht festsetzen werde. Zugleich äußerte das FA Bedenken, ob die Frist für den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG, wie eine Publikumsgesellschaft besteuert zu werden, gewahrt sei. Die Klägerin bat darauf nochmals um Fristverlängerung bis 31. Januar 1971 und - bevor das FA darauf antwortete - um weitere Verlängerung der Frist bis Ende Februar 1971. Das FA erklärte sich mit Verfügung vom 12. Februar 1971 mit der Abgabe der Steuererklärung 1969 bis Ende Februar 1971 einverstanden, verwies aber im übrigen auf seine Verfügung vom 3. Dezember 1970, in der es Bedenken gegen die Wahrung der Antragsfrist nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG geäußert hatte. Die Klägerin reichte die Steuererklärung 1969 am 26. Februar 1971 ein.
Das FA wandte im vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid 1969 die Steuersätze für personenbezogene Kapitalgesellschaften an.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG hat ausgeführt, die Klägerin habe den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG zu spät gestellt. Der Antrag hätte bis zum Ablauf der Steuererklärungsfrist, das heiße bis zum 31. Oktober 1970, gestellt werden müssen. Da die Antragsfrist nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG eine Ausschlußfrist sei und der Ausschluß am 31. Oktober 1970 bereits eingetreten sei, hätten sich spätere Anträge auf Verlängerung der Steuererklärungsfrist auf die Antragsfrist nicht mehr auswirken können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der Verletzung des § 19 Abs. 4 KStG gerügt wird. Die Klägerin führt aus, die Steuererklärungsfrist könne auch nach ihrem Ablauf noch verlängert werden, mit der Folge, daß sich auch die Antragsfrist des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG verlängere. Die Vorschrift des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG über die Antragsfrist sei außerdem wegen ihrer Unbestimmtheit unwirksam.
Die Klägerin beantragt, den vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid 1969, die Einspruchsentscheidung und das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als das zu versteuernde Einkommen nicht nach dem Tarif gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG versteuert worden sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat die Frist für den Antrag, wie eine Publikumsgesellschaft besteuert zu werden, rechtzeitig gestellt (§ 19 Abs. 4 KStG).
1. Nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG ist der Antrag, wie eine Publikumsgesellschaft besteuert zu werden, schriftlich und unwiderruflich innerhalb der Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) zu stellen, für das der Antrag erstmals gelten soll. Diese Fristvorschrift ist wirksam. Zur näheren Begründung dieser Auffassung verweist der Senat auf sein Urteil vom heutigen Tag I R 241/73 (BStBl II 1975, 587).
2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist unter der Frist zur Abgabe der Steuererklärung im Sinn des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG die allgemeine oder die im Einzelfall verlängerte Frist zur Abgabe der Steuererklärungen zu verstehen. Auch diese Auffassung ist in dem Urteil des Senats I R 241/73 näher begründet und erläutert. Dort ist auch ausgeführt, daß eine Verlängerung der Steuererklärungsfrist durch das FA im Ergebnis den Ablauf der Antragsfrist nach § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG auch dann hinausschiebt, wenn die Verlängerung nach dem Ablauf der gesetzlichen oder der von den obersten Finanzbehörden der Länder verordneten Steuererklärungsfrist ausgesprochen wird.
3. Auf den Streitfall angewandt bedeuten diese Grundsätze, daß die Klägerin die Antragsfrist des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG gewahrt hat. Das FA hat die Steuererklärungsfrist der Klägerin auf Antrag bis Ende Februar 1971 verlängert. Denn das FA hat sich mit der Abgabe der Steuererklärung bis Ende Februar 1971 einverstanden erklärt, wenn auch unter Hinweis auf die früher geäußerten Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Antragsfrist des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG. Unter den gegebenen Umständen durfte die Klägerin die Erklärung des FA so verstehen, daß die Steuererklärungsfrist verlängert werde. Der Vorbehalt bezüglich der Wahrung der Antragsfrist des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG war unwirksam, da das Gesetz die Antragsfrist an die Steuererklärungsfrist koppelt.
Fundstellen
Haufe-Index 71423 |
BStBl II 1975, 589 |
BFHE 1975, 372 |