Leitsatz (amtlich)
Der Antrag nach § 6 Abs. 3 ErstVOGetrReis vom 24. November 1964 auf Gewährung einer zugesagten Erstattung muß auch dann innerhalb der Frist des § 6 Abs. 2 Satz 2 ErstVOGetrReis gestellt werden, wenn der Antragsteller seine Verpflichtung aus Abs. 3 Satz 2, die dort näher bezeichneten Schriftstücke dem Antrag beizufügen, (noch) nicht erfüllen kann.
Normenkette
ErstVOGetrReis vom 24. November 1964 § 6 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger erhielt am 6. Januar und 13. April 1966 von der EVSt-Getr nach den Vorschriften der Erstattungsverordnung Getreide und Reis vom 24. November 1964 – ErstVOGetrReis – (BGBl I 1964, 917, BZBl 1965, 2) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 3. Februar 1966 (BAnz Nr. 25 vom 5. Februar 1966, BZBl 1966, 211) die Zusage, ihm für die Ausfuhr von Klebermehl nach einem Drittland eine Erstattung in der Form der Genehmigung der abschöpfungsfreien Einfuhr von Getreide zu gewähren. Für die beiden Ausfuhrsendungen des Klägers vom 22. und 29. April 1966 versagten die Zollstellen die Erteilung der Ausfuhrbescheinigungen mit der Begründung, die Ware sei kein Klebermehl. Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde.
Nachdem der Kläger im Februar 1967 eine verbindliche Zolltarifauskunft über eine gleichartige Ware erlangt hatte, beantragte er am 20. Februar 1967 bei der EVSt-Getr, ihm die zugesagte Erstattung zu gewähren. Die EVSt-Getr lehnte den Antrag durch Bescheid vom 17. März 1967 mit der Begründung ab, der Kläger besitze keine Ausfuhrbescheinigungen; außerdem sei die Ware nicht in ein Drittland verbracht worden. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies die EVSt-Getr am 29. April 1967 zurück. Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung der Ausfuhrbescheinigungen hatte im Mai 1967 Erfolg.
Die wegen der Ablehnung des Erstattungsantrags erhobene Klage wies das FG mit folgender Begründung ab: Der Kläger habe mit diesem am 20. Februar 1967 gestellten Antrag die Frist des § 6 Abs. 2 ErstVOGetrReis in der Fassung der Änderungsverordnung vom 3. Februar 1966 versäumt. Der Kläger sei rechtlich nicht gehindert gewesen, den Antrag ohne die Ausfuhrbescheinigungen zu stellen. Wegen der Versäumung der Antragsfrist könne keine Nachsicht gewährt werden. Denn vom Kläger, der laufend Erstattungen beantrage, sei zu erwarten gewesen, daß er sich bei der EVSt-Getr erkundigt hätte, wie er sich in einem solchen Falle zu verhalten habe.
Mit der Revision macht der Kläger geltend:
1. Nach § 6 Abs. 2 ErstVOGetrReis könne der Antrag auf die Gewährung einer Erstattung in der Form der Genehmigung abschöpfungsfreier Einfuhr nur bis zum siebenten Tage vor Ablaut der Frist gestellt werden, in der die abschöpfungsfreie Einfuhr nach den geltenden EWG-Bestimmungen vorgenommen sein müsse. Diese Frist habe nach Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 92 (VO (EWG) 92) vom 25. Juli 1962 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 1906 – ABLEG 1962, 1906 –, BGBl II 1962, 1409) 120 Tage von der Ausfuhr des Verarbeitungserzeugnisses an betragen. Demnach habe der Erstattungsantrag spätestens am 113. Tage nach dieser Ausfuhr gestellt sein müssen. Die Ausschlußfrist des Art. 2 VO (EWG) 92 werde aber nur unter der Voraussetzung in Lauf gesetzt, daß die für die Einfuhr erforderliche Genehmigung von der Marktordnungsbehörde auch unverzüglich dem Erstattungsberechtigten erteilt werde. Solange dem Erstattungsberechtigten die Einfuhr aus Gründen unmöglich sei, die die Marktordnungsbehörde zu vertreten habe, könne sich die Verwallung auf den Lauf der Ausschlußfrist nicht berufen.
Da die Frist für den Erstattungsantrag nach § 6 Abs. 2 ErstVOGetrReis auf der Frist des Art. 2 VO (EWG) 92 beruhe und sich mit dieser praktisch decke, müßten die Gründe für deren Hemmung auch für sie gelten. Die Frist für den Erstattungsantrag könne also nicht anlaufen, wenn die Verwaltung sich zu Unrecht weigere, eine für den Erstattungsantrag notwendige Voraussetzung zu schaffen, wenn also – wie hier – die Ausgangszollstellen es rechtswidrig abgelehnt hätten, die Ausfuhrbescheinigungen zu erteilen.
Die Vorlage der Ausfuhrbescheinigungen sei nach § 6 Abs. 3 ErstVOGetrReis eine unverzichtbare, zwingende Voraussetzung für die Erhebung des Erstattungsanspruchs. Unterbleibe sie, dann müsse die EVSt-Getr den Erstattungsantrag unverzüglich zurückweisen.
Die Meinung des FG, die Ausfuhrbescheinigungen brauchten nicht zugleich mit dem Erstattungsantrag vorgelegt zu werden, sei unvereinbar mit dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 3 ErstVOGetrReis. Inkonsequent erscheine das FG-Urteil aber vor allem deshalb, weil es ohne erkennbaren Grund rechtswidrigen Handlungen der EVSt-Getr im Erstattungsverfahren eine andere Wirkung beimesse als rechtswidrigen Handlungen der Ausgangszollstelle. Diese sollten keine fristhemmende Wirkung haben, wohl aber jene. Eine solche Differenzierung sei nicht sachgerecht.
2. Zumindest hätte das FG gemäß § 86 der Reichsabgabenordnung (AO) Nachsicht gewähren müssen. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ergebe sich aus § 10 a Salz 4 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rats der EWG vom 26. Juli 1962 – DurchfG EWG Getr – i. d. F. des Dritten Änderungsgesetzes vom 15. Juli 1964 (BGBl I 1964, 553, BZBl 1964, 817). Dort sei die Geltung der Bestimmungen über das Beschwerdeverfahren nach der Reichsabgabenordnung angeordnet worden. Demnach seien zumindest die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Reichsabgabenordnung im Erstattungsrecht anwendbar. Als Antrag auf Nachsicht könne der vorletzte Absatz seines Schreibens vom 20. Februar 1967 angesehen werden.
Das FG irre mit der Ansicht, die Gewährung von Nachsicht scheitere daran, daß er es versäumt habe, sich bei der EVSt-Getr zu erkundigen, wie er sich angesichts der Weigerung der Ausgangszollstellen, die Ausfuhrbescheinigungen zu erteilen, verhalten solle. Die EVSt-Getr hätte wegen ihrer Bindung an § 6 Abs. 3 ErstVOGetrReis nur die Auskunft erteilen können, daß die Ausfuhrbescheinigungen zusammen mit dem Erstattungsantrag vorzulegen seien. Das FG dürfe nicht unterstellen, daß die EVSt-Getr die erwähnte Vorschrift in der gleichen überraschenden Weise ausgelegt hätte, wie das in seinem Urteil geschehen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Nach Art. 1 und 2 VO (EWG) 92 kann für die Ausfuhr von Klebermehl in ein Drittland die Erstattung in Form der Genehmigung abschöpfungsfreier Einfuhr von Grunderzeugnissen gewährt werden, jedoch unter der Voraussetzung, daß alle Einfuhren von Grunderzeugnissen innerhalb höchstens 120 Tagen durchgeführt werden. Der Antrag auf eine solche Erstattung kann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErstVOGetrReis i. d. F. der Änderungsverordnung vom 3. Februar 1966 nur bis zum siebenten Tage vor Ablauf dieser Frist gestellt werden. Diesem Erfordernis hat der Antrag des Klägers vom 20. Februar 1967 nicht entsprochen. Deshalb hat ihn die EVSt-Getr durch den Bescheid vom 17. März 1967 zu Recht abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage konnte somit beim FG keinen Erfolg haben.
Die Frist von 120 Tagen lief mit den Ausfuhren am 22. und 29. April 1966 an. Der Kläger hat den Erstattungsantrag nicht bis zum siebenten Tage vor ihrem Ablauf gestellt. Der Lauf der Frist ist nicht etwa dadurch gehemmt worden, daß die Ausgangszollstelle sich weigerte, dem Kläger die Ausfuhrbescheinigungen zu erteilen. Denn diese Weigerung betraf nur die gemäß § 6 Abs. 3 ErstVOGetrReis dem Erstattungsantrag beizufügenden Urkunden, berührte also nicht die tatsächliche Möglichkeit, den Erstattungsantrag selbst zu stellen. Der Kläger war durch das Fehlen der Ausfuhrbescheinigungen auch rechtlich nicht gehindert, den Erstattungsantrag vor Ablauf der Frist zu stellen. Seine Auffassung, die Vorlage der Ausfuhrbescheinigung sei nach § 6 Abs. 3 ErstVOGetrReis eine unverzichtbare, zwingende Voraussetzung für die Erhebung des Erstattungsanspruchs, vermag der Senat nicht zu teilen.
§ 6 ErstVOGetrReis unterscheidet klar zwischen dem Antrag und den diesem beizufügenden Schriftstücken. Demgemäß regeln die Vorschriften des Abs. 2 Satz 2 und des Abs. 3 Satz 1 nur die Frage, wann und in welcher Form der Antrag zu stellen ist. Die Vorschrift des Abs. 3 Satz 2, wonach „dem Antrag” die Ausfuhrbescheinigung und gewisse weitere Schriftstücke „beizufügen sind”, hat nicht den Antrag selbst, sondern die Ausfuhrbescheinigung und die übrigen Schriftstücke zum Gegenstand. Sie regelt nicht die Antragstellung, sondern die Beifügung von Schriftstücken zu dem Antrag. Nach § 6 Abs. 3 ErstVOGetrReis ist daher ein fristgerecht und nach vorgeschriebenem Muster bei der EVSt-Getr eingereichter Antrag auch dann rechtswirksam, wenn der Antragsteller seine Verpflichtung aus Abs. 3 Satz 2, die dort näher bezeichneten Schriftstücke dem Antrag beizufügen, nicht erfüllt hat. Das Fehlen solcher Schriftstücke kann allenfalls einer unverzüglichen Bearbeitung des Antrags entgegenstehen. Beruht es gar auf einer von der Verwaltung zu vertretenden Ursache, so ist die EVSt-Getr durch den Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, den Antragsteller vor Nachteilen zu bewahren. Im vorliegenden Falle hätte also der Kläger den Antrag bei der EVSt-Getr frist- und formgerecht stellen und dabei geltend machen können, daß sein Unvermögen, ihm die Ausfuhrbescheinigungen beizufügen, von der Ausgangszollstelle zu vertreten sei.
Für die Entscheidung der EVSt-Getr über den vom Kläger erst am 20. Februar 1967 gestellten Erstattungsantrag waren nicht die Vorschriften der Reichsabgabenordnung, sondern das allgemeine Verwaltungsrecht anwendbar, da es sich bei den Erstattungen nicht um die Rückgewähr erhobener Abgaben handelt, sondern um eine Art von Subvention für die Ausfuhr von Waren (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Mai 1970 VII R 52/67, BFHE 99, 281) § 10 a DurchfG EWG Getr i. d. F. des Dritten Änderungsgesetzes vom 15. Juli 1964 betrifft nicht das Verfahren der EVSt-Getr bei der Entscheidung über einen Erstattungsantrag, sondern das Verfahren bei Streitigkeiten über die von der EVSt-Getr erlassenen Bescheide. Seine Vorschrift, daß „im übrigen das Beschwerdeverfahren nach der Reichsabgabenordnung” stattfindet, kann daher nicht rechtfertigen, die Reichsabgabenordnung auch auf das Verfahren der EVSt-Getr bei der Entscheidung über einen Erstattungsantrag anzuwenden. Die EVSt-Getr hat ihren ablehnenden Bescheid vom 17. März 1967 nicht auf die Versäumung der Antragsfrist, sondern darauf gestützt, daß der Kläger keine Ausfuhrbescheinigungen besaß. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der ablehnende Bescheid schon deshalb rechtmäßig war, weil der Kläger die Antragsfrist versäumt hatte und kein Grund vorlag, ihm das nachzusehen. Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Selbst wenn die Vorschriften des § 86 AO über die Nachsicht bei Fristversäumnis als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im allgemeinen Verwaltungsrecht wenigstens analog anwendbar wären, könnte aus ihnen kein Anspruch des Klägers auf Nachsicht wegen der Versäumung der Antragsfrist hergeleitet werden. Denn der Kläger war nicht ohne eigenes Verschulden verhindert, diese Frist zu wahren. Aus den oben dargelegten Gründen war das Fehlen der Ausfuhrbescheinigungen weder tatsächlich noch rechtlich ein Hinderungsgrund, den Erstattungsantrag rechtzeitig zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 514732 |
BFHE 1976, 220 |