Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Steuerliche Betriebsprüfung Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Befolgt der Betroffene nach Festsetzung eines Erzwingungsgeldes gemäß § 202 AO die Anordnung des Finanzamts, so wird dadurch die Festsetzung nicht ungerechtfertigt; sie bleibt grundsätzlich "vollziehbar".
Das Finanzamt hat die Festsetzung eines Erzwingungsgeldes nach § 202 AO zu unterlassen oder zurückzunehmen, wenn die Nichtbefolgung - auch die nicht rechtzeitige Befolgung - des Finanzbefehls entschuldbar erscheint.
Normenkette
AO §§ 95, 202; StAnpG § 2 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 3, Art. 104
Tatbestand
Das Finanzamt (FA) forderte den Kläger und Revisionsbeklagten, den Eigentümer eines Grundstücks, mit Verfügung vom 13. Dezember 1962 auf, zum 20. Januar 1963 eine Mietnachweisung einzureichen. Nach zwei erfolglosen Erinnerungen forderte das FA mit Verfügung vom 13. März 1963 den Kläger unter Hinweis auf § 167 Abs. 2 AO nochmals auf, die Nachweisung binnen zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung einzureichen; sonst werde ein Erzwingungsgeld von 20 DM festgesetzt werden. In der Verfügung vom 4. April 1963 setzte das FA das Erzwingungsgeld fest; es forderte in der bisherigen Weise die Einreichung der Nachweisung erneut mit Androhung eines Erzwingungsgelds von 50 DM. Der Kläger sagte fernmündlich die Einreichung bis Mitte Mai 1963 zu, hielt die Zusage aber nicht ein. Nunmehr setzte das FA durch Verfügung vom 24. Mai 1963 das Erzwingungsgeld von 50 DM fest, es drohte zugleich für den Fall weiterer Nichteinreichung binnen zwei Wochen nach Zustellung ein Erzwingungsgeld von 100 DM an, das es dann durch Verfügung vom 26. Juli 1963 festsetzte. Am 14. August 1963 ging beim FA die Mietnachweisung ein; gleichzeitig legte der Kläger gegen die Verfügung vom 26. Juli 1963 Beschwerde ein, ohne sie zu begründen. Die Beschwerde blieb erfolglos.
Der Kläger legte Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens wurde das Erzwingungsgeld von 100 DM gezahlt. Das Finanzgericht (FG) stellte fest, daß die Entgegennahme des Erzwingungsgeldes von 100 DM nach dem 14. August 1963 unzulässig gewesen sei, und hob die Erzwingungsgeldfestsetzung vom 26. Juli 1963 mit Wirkung vom 14. August 1963 und die Beschwerdeentscheidung auf. Es ließ die Rechtsbeschwerde zu. Das FG führte insbesondere aus: § 202 AO regle Erzwingungsmittel; er spreche von "Erzwingungsgeld", nicht mehr von "Geldstrafe". Sei die Befolgung eines Finanzbefehls erzwungen, so sei "von diesem Zeitpunkt an nichts mehr zu erzwingen"; "das Zwangsverfahren sei dann "zu beenden". Das entspreche auch dem § 15 Abs. 3 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 27. April 1953 - VwVG - (BGBl I 1953, 157, 158), der einen allgemeinen Rechtsgedanken enthalte, also auch im Steuerrecht gelten müsse. Zum anderen habe das Gesetz, über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 (BGBl I 1952, 177) mit änderungen die Ahndung von Ordnungs- oder Verwaltungsunrecht neu und im wesentlichen abschließend geregelt. Die Finanzverwaltung habe auch die Möglichkeit, Zuschläge nach § 168 Abs. 2 AO wegen verspäteter Steuererklärungen zu erheben; auch könne ein Steuervergehen vorliegen. Diese Kumulierung stehe mit Art. 103 Abs. 3 GG nicht im Einklang. Der abweichenden Meinung des BFH könne das FG nicht beitreten. Insbesondere sei der Umkehrschluß aus § 202 Abs. 4 Satz 2 AO nicht zwingend. Für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung des "Zwangsgeldes" und der Erzwingungshaft könne auch kein vernünftiger Grund gefunden werden. Das FG wies auch auf die Ausführungen von Klein (Juristenzeitung 1958, 153 ff.) hin.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) hat gegen die Vorentscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt, die nunmehr als Revision zu behandeln ist. Sie macht geltend: Die Vorentscheidung beruhe auf unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts. Das FG habe Wesen und Zweck der steuerrechtlichen Zwangsmittel des § 202 AO verkannt. Das Erzwingungsgeld stelle eine Ungehorsamsfolge dafür dar, daß dem Finanzbefehl innerhalb der gesetzten Frist nicht entsprochen worden sei. Die OFD weist auch auf die Urteile des erkennenden Senats VII 121/59 vom 1. März 1961 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, Rechtsspruch 27 zu § 202 AO) und VII 152/62 U vom 7. April 1964 (BFH 79, 237, BStBl III 1964, 317) hin und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger führt aus: Die Ansicht der OFD laufe darauf hinaus, daß es der Zweck des § 202 AO auch sei, denjenigen, der einen Finanzbefehl nicht befolgt habe, zu bestrafen. § 202 AO sei aber keine Strafvorschrift. Damit werde das Wesen des Zwangsmittels verkannt. Für § 202 AO dürfe nicht eine vom allgemeinen Verwaltungsrecht abweichende Begriffsbestimmung des Zwangsmittels vorgenommen werden. Der Kläger beantragt, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. -
Nach § 202 Abs. 1 Satz 1 AO "können" die Finanzämter die Befolgung von Anordnungen, die sie im Besteuerungsverfahren innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse treffen, durch Auferlegung eines Erzwingungsgeldes, durch Ausführung auf Kosten des Pflichtigen und unmittelbar "erzwingen". Die Vollstreckung der Erzwingungshaft ist gemäß § 202 Abs. 4 Satz 2 AO nicht fortzusetzen, wenn der Schuldner die Anordnung nunmehr befolgt. Nach § 95 AO sind "Zwangsmittel", also auch Erzwingungsgelder nach § 202 AO ausdrücklich als "Ungehorsamsfolgen" bezeichnet. Die Maßnahmen nach § 202 AO "können" getroffen werden; sie sind also Ermessensentscheidungen der Finanzverwaltungsbehörden und nur im Rahmen des § 102 FGO steuergerichtlich nachprüfbar. Die Vorinstanz meint nun, in dem Zeitpunkt, in dem die Befolgung des Finanzbefehls erzwungen sei, sei "das Zwangsverfahren" (das Erzwingungsverfahren) "zu beenden". Dieser Ansicht vermag der erkennende Senat in übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht beizutreten. über das abweichende Schrifttum vgl. insbesondere Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, 9. Aufl., Bd. II 1965, Bem. 4 b (5) zu § 202 S. 264; über das Schrifttum und die Rechtsprechung des BFH vgl. ferner Mattern/Messmer, Reichsabgabenordnung, vor Textnr. 1308 und Textnr. 1336. Die vom Senat auch weiterhin vertretene Meinung ergibt sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck des § 202 AO in Verbindung mit § 95 AO.
II. -
Das Gesetz spricht im § 202 AO von "Erzwingungsgeld", nicht mehr von "Geldstrafe". Betrachtet man diesen Umstand allein, so könnte man zu dem Ergebnis des FG kommen. § 202 AO ist aber im Zusammenhang mit § 95 AO zu sehen, der das Erzwingungsgeld zu den "Ungehorsamsfolgen" zählt. Ungehorsamsfolgen sind Nachteile wegen Nichtbefolgung, auch wegen nicht rechtzeitiger Befolgung, von steuergesetzlichen Vorschriften oder von Verfügungen der Finanzverwaltungsbehörden. Die Ungehorsamsfolge (hier: das Erzwingungsgeld) ist mit ihrer Festsetzung verwirkt, und zwar deswegen, weil der Betroffene einem Finanzbefehl nicht innerhalb der bestimmten Frist nachgekommen ist. Mit der Festsetzung tritt eine Zäsur ein (vgl. hierüber insoweit Kaatz, Finanz-Rundschau 1957 S. 444/5). Eine "Erfüllung" der zu erzwingenden Anordnung wegen deren Nichterfüllung das Erzwingungsgeld festgesetzt wurde, ist daher, wie der Senat bereits in dem Urteil VII 126/59 vom 15. Juni 1961 (HFR 1961, 277, 278, 284) ausgesprochen hat, im Rechtssinne nicht mehr möglich. Infolge der gesetzlichen Einordnung des Erzwingungsgeldes in die "Ungehorsamsfolgen" ist das Erzwingungsgeld kein reines Erzwingungsmittel; es ist - schon seiner Stellung im Gesetz wie seinem Wortlaut nach - keine (kriminelle) "Geldstrafe", keine "Ordnungsstrafe", auch kein "Bußgeld", sondern eine Maßnahme steuerrechtlich eigener Art, es hat aber als Ungehorsamsfolge einen gewissen, jedoch nicht kriminellen Strafcharakter, der sich mit der Festsetzung des Erzwingungsgeldes und gerade für das hier erörterte Problem auswirkt. Das Erzwingungsgeld fällt nach § 95 AO ebenso wie der Verspätungszuschlag nach § 168 Abs. 2 AO unter die steuerrechtlichen "Ungehorsamsfolgen"; die Auferlegung von Steuerzuschlägen nach § 168 Abs. 2 AO hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - Ausschuß des Zweiten Senats - in dem Beschluß 2 BvR 652/65 vom 19. Oktober 1966 (BStBl III 1967, 166) mit Recht als Verhängung einer den Geldbußen "ähnlichen" Ungehorsamsfolge bezeichnet; das gleiche gilt auch von der Auferlegung eines Erzwingungsgeldes nach § 202 AO. Da der gewisse Strafcharakter des Erzwingungsgeldes nach § 202 AO nicht krimineller Natur ist, wird durch eine Auferlegung des Erzwingungsgeldes seitens einer Finanzverwaltungsbehörde Art. 92 GG nicht verletzt. Auch scheidet deshalb - entgegen der Meinung des FG - die Auferlegung eines Erzwingungsgeldes nach § 202 AO für die Betrachtung nach Art. 103 Abs. 3 GG aus. Wird der Betroffene wegen eines Steuervergehens (§ 392 AO) bestraft und wird wegen der in seinem Verhalten zugleich liegenden Nichtbefolgung eines Finanzbefehls gegen ihn auch ein Erzwingungsgeld nach § 202 AO angedroht und festgesetzt, so ist also der Grundsatz "ne bis in idem" (Art. 103 Abs. 3 GG) nicht verletzt.
Klein führt a. a. O. unter III 4 gegen die Verwertung des Gesichtspunkts der Ungehorsamsfolge für die hier zu entscheidende Frage aus: Mit der Verwertung des Gesichtspunkts der Ungehorsamsfolge sei nichts gewonnen. Das erhelle schon daraus, daß in § 95 AO nicht nur das Erzwingungsgeld, sondern alle Zwangsmittel als Ungehorsamsfolgen aufgeführt sind. Die Durchführung der Ersatzvornahme und des unmittelbaren Zwanges sei aber in dem Augenblick nicht mehr praktisch, in dem der Pflichtige die Handlung vornehme, sei es auch noch so spät. Indes ist zu berücksichtigen: Es kann im Streitfall, in dem es sich lediglich um die Durchsetzung eines Erzwingungsgeldes handelt, dahingestellt bleiben, ob das Gesetz bei der Formulierung "Zwangsmittel" in § 95 AO auch an die im Steuerrecht sehr selten vorkommende Ersatzvornahme und den unmittelbaren Zwang gedacht hat. Auch wenn man das annimmt, entfällt das Problem nachträglicher sogenannter "Erfüllung" in den Fällen der geschehenen Ersatzvornahme und des unmittelbaren Zwanges aus rein tatsächlichen Gründen; eine nachträgliche sogenannte "Erfüllung" kann in diesen Fällen nicht praktisch werden. Das bietet aber kein Argument gegen eine dem Gesetzeswortlaut entsprechende Auslegung in Fällen der Art, wie sie im Streitfall gegeben sind, d. h. in Erzwingungsgeldfällen.
Der Folgerung, daß das festgesetzte Erzwingungsgeld auch dann verwirkt bleibt, wenn der Betroffene den Finanzbefehl nachträglich, also nach der Festsetzung des Erzwingungsgeldes, befolgt, hält das FG wie auch der Kläger und Revisionsbeklagte entgegen, die Rechtseinheit, insbesondere allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsätze seien dadurch verletzt. Es gibt aber keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz der behaupteten gegenteiligen Art. Insbesondere hat § 1 Abs. 3 VwVG ausdrücklich bestimmt, daß die Vorschriften der AO unberührt bleiben. § 202 AO enthält in Verbindung mit § 95 AO eine steuerrechtliche Sonderregelung gegenüber dem VwVG wie auch gegenüber dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, das Handlungen, die mit "Geldbuße" bedroht oder zu ahnden sind, behandelt. Diese Sonderregelung geht den beiden bezeichneten Gesetzen vor. Die Sonderregelung ist auch nicht willkürlich, sondern sachgerecht; sie entspricht den Bedürfnissen einer geordneten Finanzverwaltung mit Millionen jährlicher Steuerfälle; sie ist besonders notwendig, seitdem durch das Gesetz vom 11. Mai 1956 (BGBl I 418) die Strafbarkeit bloßer Nichtabgabe oder nichtpünktlicher Einreichung von Steuererklärungen infolge der engeren Neufassung des § 413 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a AO beseitigt worden ist. Mit aus den besonderen Bedürfnissen des Steuerrechts bestimmt auch die Neufassung des § 202 AO in Abs. 4 Satz 2, daß die Vollstreckung der Erzwingungshaft nicht fortzusetzen ist, wenn der Schuldner die Anordnung nachträglich befolgt. Daraus ergibt sich zweierlei: Wie auch Klein (a. a. O. III 1) insoweit anerkennt, folgt aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, die Gleiches für das (nicht in Erzwingungshaft umgewandelte) Erzwingungsgeld nicht vorsieht, daß das FA auch, nachdem der Betroffene nachträglich dem Finanzbefehl nachgekommen ist, das Erzwingungsgeld (grundsätzlich) noch fordern kann. Diese Sonderregelung für das Steuerrecht weicht von der Regelung des § 15 Abs. 3 VwVG, die annähernd zur gleichen Zeit im Bundestag beraten wurde und 2 1/2 Monate vor dem Abgabenänderungsgesetz vom 11. Juli 1953 ergangen war (vgl. dazu auch Fließbach, Steuer und Wirtschaft 1957 Sp. 624), ab (vgl. auch § 1 Abs. 3 VwVG); im Gegensatz zu § 15 Abs. 3 VwVG schließt § 202 AO die Durchsetzung des Erzwingungsgeldes im Fall nachträglicher Befolgung des Finanzbefehls nicht aus. Das ist, wie oben dargelegt, im Steuerrecht auch sachgerecht. Ausgeschlossen wird durch § 202 Abs. 4 Satz 2 AO dagegen die weitere Haftvollstreckung, wenn der Betroffene nunmehr dem Finanzbefehl nachkommt. Die Vorschrift verliert in dieser Auslegung durch den erkennenden Senat entgegen der Meinung des FG auch nicht ihren Sinn; für die "unterschiedliche Behandlung des Zwangsgeldes und der Erzwingungshaft" liegt vielmehr ein sachgerechter Grund vor. Wenn das Gesetz vom 11. Juli 1953 grundsätzlich auch die Durchsetzung des Erzwingungsgeldes im Fall nachträglicher Befolgung des Finanzbefehls als gerechtfertigt ansieht, so will es in den Ausnahmefällen, in denen es zur Umwandlung und Vollstreckung von Erzwingungshaft kommt und der Betroffene dann erst dem Finanzbefehl nachkommt, den erheblich härteren und einschneidenderen Eingriff in die Freiheit des Betroffenen, der nach Art. 104 GG ganz besonderen Beschränkungen unterliegt, nicht weiter fortsetzen lassen; die Freiheit der Person erscheint nun höherwertig gegenüber der starren Durchführung des Gedankens der steuerrechtlichen Ungehorsamsfolge. Das Gesetz hat also seinen guten Sinn. Die vom FG gegen die Auslegung durch den BFH erhobene Einwendung, der Umkehrschluß aus § 202 Abs. 4 Satz 2 AO für Fälle der vorliegenden Art sei nicht zwingend, ist sonach unbegründet. Im einzelnen Fall kann allerdings die Beitreibung eines Erzwingungsgeldes im Fall nachträglicher Befolgung der Anordnung Recht und Billigkeit verletzen (§ 2 Abs. 2 StAnpG).
III. - Ist das Erzwingungsgeld, wie unter II 1 ausgeführt, kein reines Erzwingungsmittel und hat es auch (wenn auch nicht kriminellen) Strafcharakter, enthält es gewisse nicht kriminelle strafrechtliche Elemente, so handelt es sich bei dem Erzwingungsgeld des § 202 AO, das auch noch im Fall nachträglicher Befolgung der Anordnung durchgesetzt werden kann (oben II), um "strafrechtliche Sanktionen" im Sinne des Beschlusses des BVerfG vom 25. Oktober 1966 - 2 BvR 506/63 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 20 S. 323, 330 ff., NJW 1967, 195 Nr. 1; Juristenzeitung 1967, 171). Es gilt somit der Grundsatz "nulla poena sine culpa", der Verfassungsrang hat, auch für das Erzwingungsgeld. Das FA hat daher die Festsetzung des Erzwingungsgeldes zu unterlassen oder zurückzunehmen, wenn die Nichtbefolgung, auch die nicht rechtzeitige Befolgung, des Finanzbefehls entschuldbar erscheint. Der Begriff "Verschulden" ist ein Rechtsbegriff.
IV. - Im Streitfall hat die OFD in der Beschwerdeentscheidung festgestellt, daß das FA bei der Erzwingung der Einreichung der Mietnachweisung auf die Belange des Klägers Rücksicht genommen hat und daß die angefochtene Verfügung vom 26. Juli 1963 rund 7 1/2 Monate nach der ersten Aufforderung des Klägers zur Einreichung der Nachweisung ergangen ist; weiterhin, daß der Kläger seine Beschwerde nicht begründet und dem FA weder Umstände angegeben noch nachgewiesen hat, welche die Verzögerung bei der Abgabe der Mietnachweisung entschuldbar erscheinen lassen könnten. Das FG hat die Beschwerdeentscheidung der OFD aufgehoben. Es hat die Verfügung des FA vom 26. Juli 1963 mit Wirkung vom 14. August 1963 (Tag des Eingangs der Mietnachweisung) aufgehoben, im übrigen aber festgestellt, daß die Festsetzungsverfügung vom 26. Juli 1963 im Zeitpunkt der Festsetzung des Erzwingungsgeldes gerechtfertigt (ermessensfehlerfrei) gewesen sei; insoweit hat die Vorinstanz also auch die vom Kläger im Berufungsverfahren vor dem FG für die behauptete Entschuldbarkeit der Verzögerung der Einreichung der Mietnachweisung angeführten Gründe nicht anerkannt. In der letzteren Hinsicht ist dem FG wie auch der OFD zuzustimmen. Wie sich aus den Ausführungen oben II und III ergibt, waren die Verfügung des FA vom 26. Juli 1963 und die Beschwerdeentscheidung der OFD aber auch darüber hinaus nicht zu beanstanden; entgegen der Meinung der Vorinstanz wurde die Festsetzung des Erzwingungsgeldes in der Verfügung des FA vom 26. Juli 1963 nicht mit der Einreichung der Mietnachweisung vom 14. August 1963 ungerechtfertigt und nicht mehr vollziehbar, so daß sie hätte aufgehoben werden müssen. Vielmehr blieb die Verfügung des FA vom 26. Juli 1963 auch nach dem 14. August 1963 gerechtfertigt; auch eine Ermessensverletzung ist nicht ersichtlich; die Beschwerdeentscheidung der OFD war daher zutreffend. Sonach kann das Urteil des FG nicht aufrechterhalten werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412583 |
BStBl III 1967, 401 |
BFHE 1967, 363 |
BFHE 88, 363 |