Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, § 4/1, § 4/4
Tatbestand
Der Beschwerdeführer ist buchführender Landwirt. Im Wirtschaftsjahr 1947/48 hat er mit einem Kostenaufwand von 2.932 RM im Pferdestall und im Wirtschaftsjahr 1948/49 mit einem solchen von 4.324 DM im Kuhstall eine baufällige Decke, die aus einer Backsteinwölbung mit Holzbalken bestand, durch eine Stahlbetondecke mit Eisenträgern ersetzt. Von diesen Beträgen hat das Finanzamt für die Pferdestalldecke 2.500 RM und für die Kuhstalldecke 3.000 DM aktiviert, weil es sich nach seiner Meinung um Herstellungsaufwand handle. Demgegenüber hat der Steuerausschuß die Aufwendungen voll als Betriebsausgaben zugelassen. Dieser Auffassung ist auch das Finanzgericht mit folgender Begründung beigetreten: Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil VI 430/40 vom 29. Oktober 1941, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941, S. 930 Mrozek-Kartei, Einkommensteuergesetz - EStG - 1938/39 § 7 Abs. 1 Rechtsspruch 26) liege Herstellungsaufwand auch dann vor, wenn ein Gegenstand gegenüber seinem ursprünglichen Zustande in seiner Wesensart verändert werde; an dieser Voraussetzung fehle es im Streitfall. Das Viehhaus sei in seinem äußeren dasselbe geblieben; Außenmauern und Dach seien unverändert geblieben. Desgleichen wären weder andersartige noch zusätzliche Räume geschaffen worden; Pferde- und Kuhstall dienten nach wie vor den gleichen Zwecken. Eine etwa eingetretene Wertsteigerung sei nicht ausschlaggebend. Die Höhe der Kosten erkläre sich ohne weiteres aus dem aufgestauten Instandsetzungsbedarf. Der Ersatz der baufälligen Decke durch eine Betondecke mit Eisenträgern sei nach dem Gutachten des Architekten aus technischen und wirtschaftlichen Gründen geboten gewesen; es sei nunmehr ein festerer und sicherer Zusammenhalt mit der Umfassungsmauer gewährleistet, außerdem hätte bei den gestiegenen Holzpreisen eine neue Holzkonstruktion erhebliche Mehrkosten verursacht. Wenn in dem Beispiel des bezeichneten Urteils des Reichsfinanzhofs in der Umdeckung eines Daches Herstellungsaufwand mit der Begründung gesehen werde, daß gegenüber früher ein "anderes besseres" Dach geschaffen sei, so müsse der Ton auf das Wort "anderes" gelegt werden. Nur bei einer Veränderung des Gegenstandes könne von Herstellungsaufwand die Rede sein; die Verwendung technischer Neuerungen sei, solange nichts anderes geschaffen werde, unschädlich. Dem Steuerpflichtigen könne nicht zugemutet werden, unter Außerachtlassung des technischen Fortschritts die zu ersetzenden Teile in der genau gleichen Weise herzustellen.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts vermißt in der Vorentscheidung eine ausreichende Würdigung der durch die Aufwendungen entstandenen Wertsteigerung und der Verlängerung der Nutzungsdauer. Zwar sei eine änderung im Gebäudeäußeren nicht eingetreten, die Kosten gingen jedoch über eine bloße Erhaltung hinaus. Die Auffassung der Vorentscheidung, in dem angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs sei der Ton auf das Wort "anderes" zu legen, sei nicht richtig; beide Worte (anderes besseres) müßten als Ganzes und im Zusammenhang betrachtet werden. Im übrigen sei auch etwas "anderes" geschaffen worden, insbesondere sei der Nutzen der neuen Decke wegen ihrer Haltbarkeit weitaus höher. Es käme weniger auf eine Veränderung im äußeren und in der Zweckbestimmung an, maßgeblich sei vielmehr, ob und in welchem Umfang der bisherige Zustand wiederhergestellt oder verbessert werde, und wie sich die Erneuerung des Gegenstandes auf die künftige Nutzungsdauer auswirke.
Entscheidungsgründe
Der Rb. ist der Erfolg zu versagen.
Nach § 7 Abs. 1 EStG dürfen Aufwendungen bei Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern, deren Verwendung und Nutzung durch den Steuerpflichtigen sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als ein Jahr erstreckt, nicht in dem Steuerabschnitt, in dem der Aufwand getätigt ist, voll abgesetzt werden; sie können vielmehr nur mit dem Betrag berücksichtigt werden, der bei ihrer Verteilung auf die Gesamtdauer oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift müßte jeder Aufwand, dessen Nutzen sich nicht im Jahre der Aufwendung erschöpft, aktiviert und mittels der Absetzungsabnutzung der Nutzungsdauer entsprechend verteilt werden. Danach würde bei jeder Ausgabe, deren Nutzen sich auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, Herstellungsaufwand vorliegen mit der Folge, daß ein erheblicher Teil der Reparaturkosten im Jahre des Aufwands nicht abgesetzt werden dürfte. In der Erkenntnis, daß ein solches Verfahren nicht betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und kaufmännischer übung (Gewinnermittlung durch Gegenüberstellung von Ertrag und Aufwand - Verzehr -) entspricht, hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in Abweichung von § 7 Abs. 1 (früher § 16 Abs. 2 EStG 1925) für den sogenannten laufenden Erhaltungsaufwand auch den Abzug von Aufwendungen, die dem Betrieb über den betreffenden Steuerabschnitt hinaus zugute kommen, im Jahre des Aufwands ohne Aktivierung und Verteilung zugelassen (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 727/25 vom 7. Juli 1926, Slg. Bd. 19 S. 201, RStBl. 1926 S. 330, Mrozek-Kartei, EStG 1925 § 13 Rechtsspruch 12-14; VI A 154/27 vom 28. Mai 1927, Slg. Bd. 21 S. 201, RStBl. 1927 S. 188, Mrozek-Kartei, EStG 1925 § 16 Abs. 1 Rechtsspruch 3-6).
Der Reichsfinanzhof hat dabei für die Frage, ob und inwieweit Aufwendungen auf Anlagegegenstände zu aktivieren sind, den Gesichtspunkt einer Wertsteigerung nicht für ausschlaggebend erklärt. Es müsse vielmehr von der Erwägung ausgegangen werden, daß in jedem Betrieb alljährlich gewisse Aufwendungen auf Anlagegegenstände notwendig werden, die in ungefähr bestimmter Höhe regelmäßig wiederkehren, und bei denen es daher für die Endergebnisse der Gewinnermittlung gleichgültig sei, ob sie im einzelnen aktiviert und dann nach der Nutzungsdauer verteilt werden, oder ob sie in voller Höhe im Aufwandsjahr abgebucht werden. Der Begriff des laufenden Erhaltungsaufwands könne demgemäß nicht allein nach der Natur der einzelnen Ausgabe und ihrem Einfluß auf den betreffenden Gegenstand als vielmehr nach der ganzen Art der Ausgaben und dem Umfange des Betriebes erklärt werden; unter ihn fielen alle Aufwendungen, die im Rahmen des ganzen Betriebes, von wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus gesehen, als laufende Ausgaben erscheinen. Der Vereinfachung und der Vermeidung von Streitigkeiten würde es dienen, wenn Durchschnittssätze aufgestellt würden; es sei aber einfacher, größere Aufwendungen gleich in voller Höhe zum Abzug zuzulassen. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 305/43 vom 19. April 1944, RStBl. 1944 S. 626, liegt Erhaltungsaufwand vor, wenn die Aufwendungen dazu dienen, das Gebäude in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten mit der Maßgabe, daß es sich um regelmäßig in gewissen Zeitabständen notwendige Ausbesserungen handelt, durch die die Wesensart des Gebäudes nicht verändert wird. Sei letzteres der Fall, so sei Herstellungsaufwand gegeben. Demgemäß rechnen die Einkommensteuer-Richtlinien (Abschn. 165 Abs. 6 Einkommensteuer- Richtlinien - EStR - II/1948 und 1949, Abschn. 165 Abs. 5 EStR 1950) zum Erhaltungsaufwand alle Aufwendungen, die die Wesensart eines Grundstücks nicht verändern, es in ordnungsmäßigem Zustand behalten sollen, und die regelmäßig ungefähr in gleicher Höhe wiederkehren. Eine Prüfung der Frage, ob Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand vorliege, komme nur bei Aufwendungen größeren Umfanges in Betracht. Eine für alle Fälle passende Lösung wird auch in dieser Regelung nicht gesehen werden können; es darf aus der in den Richtlinien gegebenen Fassung nicht geschlossen werden, daß nur beim Vorliegen aller dieser drei Voraussetzungen Erhaltungsaufwand angenommen werden kann. Es ist sicherlich richtig, daß Ausgaben Herstellungsaufwand sind, wenn sie die Wesensart eines Gebäudes ändern. Aber nicht jeder Herstellungsaufwand bedingt eine Artänderung; so wird die Wesensart eines Gebäudes nicht geändert, wenn z. B. ein Balkon angebaut wird, oder wenn an Stelle einer Ofenheizung eine Sammelheizung eingebaut wird, obwohl diese Kosten in jedem Falle Herstellungsaufwand darstellen. Ebenso liegt ein solcher vor, wenn ein sich stark entwickelnder Betrieb seine Betriebsgebäude alle Jahre erweitert. Danach kann auch bei einem mit gewisser Regelmäßigkeit anfallenden Aufwand nicht immer Erhaltungsaufwand gesehen werden. Feste, allgemein gültige Regeln werden sich nicht aufstellen lassen. Grundsätzlich wird nur gesagt werden, daß der Begriff des Erhaltungsaufwands weit zu fassen ist. Ferner wird im allgemeinen ein über die bloße Instandsetzung hinausgehender Herstellungsaufwand anzunehmen sein, wenn der Gegenstand in seiner Substanz vermehrt oder in seinem Zustand wesentlich geändert wird. Im Zweifel wird es darauf abzustellen sein, wie im Einzelfall nach der Verkehrsanschauung der Sachverhalt zu beurteilen ist.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt die Zurechnung der Aufwendungen zum Erhaltungsaufwand. Wenn die Richtlinien und die Rechtsprechung bei der Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand dem Gesichtspunkt der Werterhöhung kein ausschlaggebendes Gewicht beimessen, so ist dem zuzustimmen. Regelmäßig liegt in jeder Reparatur eine Verbesserung des Gegenstandes; ein repariertes Haus ist mehr wert als ein unrepariertes. Von einer Werterhöhung ausgehend könnte man dann zu einer Grenzziehung kommen, wenn man sagt: Herstellungsaufwand sei gegeben, wenn ein Gebäude im Werte gegenüber dem Zustand erhöht wird, in dem es sich befinden würde, wenn man sich die Abnutzungen als beseitigt denkt, die nicht bereits durch eine entsprechende Absetzung für Abnutzung (AfA) berücksichtigt worden sind. Abgesehen davon, daß die Feststellung, was durch die AfA abgegolten ist, außerordentlich schwierig ist, wäre eine solche hypothetische Abgrenzung auch für die Praxis ungeeignet; sie würde das Problem in keiner Weise vereinfachen, sondern nur noch unübersichtlicher gestalten.
Unbestritten ist die Wesensart des Viehhauses nicht geändert. Es ist weder in seiner Gebrauchs- noch Verwertungsmöglichkeit beeinträchtigt worden, es dient nach wie vor den gleichen Zwecken. Die Rb. ist der Ansicht, daß eine Verlängerung der Nutzungsdauer vorliege, die zur Annahme von Herstellungsaufwand nötige. Es ist zuzugeben, daß die Haltbarkeit der Decken gegenüber dem früheren Zustand größer geworden ist. Damit ist aber nicht ohne weiteres eine Verlängerung der Nutzungsdauer des gesamten Gebäudes eingetreten. Dieser Gesichtspunkt würde unter Umständen bedeutsam sein, wenn der Aufwand für die Decken gesondert aktiviert würde. Das ist nicht geschehen und auch nicht angebracht. Sie sind ein Teil des ganzen Gebäudes, eines für die Bemessung der AfA einheitlich zu behandelnden Wirtschaftsgutes, dessen Lebensdauer durch deren Erneuerung grundsätzlich nicht verlängert wird. Würde z. B. das Gebäude im übrigen so baufällig, daß es nicht mehr erhalten werden könnte, so würde das Vorhandensein der Betondecken eine Verlängerung seiner Nutzung nicht bedingen, sie müßten notwendig das Schicksal des ganzen Gebäudes teilen, auch wenn sie sich noch im brauchbaren Zustand befänden. Die Vorentscheidung weist zutreffend darauf hin, daß die Verwendung besseren Materials nicht ausreicht, um die Annahme, es sei im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs VI 430/40 etwas "anderes, besseres" geschaffen, zu rechtfertigen. Selbst wenn mit der Rb. beide Worte als gleichwertig angesehen werden, so liegt in keinem Falle etwas "anderes" vor. Dieses Wort will besagen, daß die Wesensart des Gegenstandes geändert worden ist. Die Decken sind weder in ihrer Zweckbestimmung noch in ihrem Wesen verändert worden. Es ist lediglich besseres Material verwendet. Eine andere Beurteilung würde dazu führen, daß z. B. auch der Ersatz neuer Dachrinnen oder Fenster mit besserem Material nicht mehr als Reparaturaufwand anzusehen wäre, weil der Ersatz etwas anderes ist als die alten Gegenstände. Auch in diesen Fällen erhöht die Qualität des neuen Materials die Haltbarkeit der Gegenstände; Herstellungsaufwand liegt trotzdem nicht vor. Es gibt Fälle, in denen größere Aufwendungen, die weder die Lebensdauer des Gebäudes verlängern noch auch seine Art ändern, Herstellungsaufwand darstellen, z. B. die Anlegung eines Kanalisationsanschlusses, der Anbau eines Balkons, die Schaffung neuer Räume, und ähnliches; hier wird etwas Neues geschaffen. Diese Arbeiten können nicht mit den Aufwendungen verglichen werden, die dazu dienen, baufällige Decken durch solche mit größerer Haltbarkeit zu ersetzen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß diese Ausgaben nicht so regelmäßig wiederkehren, wie etwa der Anstrich von Fenstern und dergleichen. Auch ein Hausputz oder die Verbesserung von Dachrinnen wird nur in größeren Zeitabschnitten erneuert. Es kommen hier die Erwägungen der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 727/25 und VI A 154/27 zum Zuge, daß in jedem Betrieb Aufwendungen auf Anlagegegenstände notwendig werden, die in gewissen Abständen in etwa gleicher Höhe wiederkehren. Auch eine Betondecke in Viehställen hat infolge der in diesen herrschenden Feuchtigkeit und der Ausdunstung der Tiere keine dauernde Haltbarkeit. Selbst wenn man einen Grenzfall als vorliegend ansehen will, so würden nach der Verkehrsauffassung die hier entstandenen Aufwendungen dem Erhaltungsaufwand zuzurechnen sein, da sie lediglich bezwecken, die Ställe in einen ordnungsmäßigen, brauchbaren Zustand zu setzen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 2206/30 vom 9. Juli 1931, Mrozek-Kartei, EStG 1925, § 16 Abs. 2 Rechtsspruch 38, RStBl. 1932 S. 20). Es wird nicht die Lebensdauer des Gebäudes vergrößert, durch den Einbau der Betondecken wird gegenüber den Holzdecken nur die Häufigkeit der künftig in Betracht kommenden Reparaturen vermindert. Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407717 |
BStBl III 1953, 245 |
BFHE 1954, 639 |
BFHE 57, 639 |
BB 1953, 726 |
DB 1953, 774 |