Leitsatz (amtlich)
Bei einer von vornherein unzulässigen Klage ist die einseitige Erledigungserklärung des Klägers ohne Wirkung.
Normenkette
FGO §§ 46, 138
Gründe
Die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht zulässig war, da der Beklagte und Revisionsbeklagte (HZA) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) einen zureichenden Grund für das Aufschieben der Entscheidung über den von der Klägerin eingelegten Rechtsbehelf mitgeteilt hatte. Das FG hat sich dabei ohne Rechtsirrtum auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 31. August 1971 VII R 36/70 (BFHE 103, 381, BStBl II 1972, 20) gestützt. An den Grundsätzen dieser Entscheidung hält der Senat fest. Die Klägerin hat sich in ihrer Revisionsbegründung auch nicht mehr dagegen gewandt.
Dem FG ist auch darin zu folgen, daß die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin bei ausdrücklicher Aufrechterhaltung des Klageabweisungsantrags durch das HZA nicht zu einer Feststellung der Erledigung der Hauptsache durch das Gericht mit der Folge führen konnte, daß sich die Kostenentscheidung aus § 138 FGO ergab. Eine solche Entscheidung über die Erledigungsfrage setzt die Annahme voraus, daß die klägerische Partei im Klageverfahren berechtigt war, ihren Antrag, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben, in den Antrag umzuändern, darüber zu entscheiden, ob die Hauptsache erledigt ist. Eine solche Annahme setzt weiter voraus, daß das angerufene Gericht befugt ist, auf die Anträge der klägerischen Partei überhaupt einzugehen. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Sache in zulässiger Weise an das Gericht gelangt ist. Im Falle einer von vornherein unzulässigen Klage, wie im vorliegenden Fall, sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. Hier kann die einseitige Erledigungserklärung der klägerischen Partei also nicht zu einem Urteil führen, in dem über die Erledigung der Hauptsache entschieden wird. Das FG hat also im vorliegenden Fall zu Recht der Erledigungserklärung der Klägerin keine rechtliche Bedeutung beigemessen, sondern allein über die Zulässigkeit der Klage entschieden.
Diese Rechtsauffassung wird, soweit es sich um unzulässige Rechtsmittel handelt, einhellig von allen obersten Gerichtshöfen des Bundes vertreten (BFH im Beschluß vom 26. Januar 1971 VII B 137/69, BFHE 101, 209, BStBl II 1971, 306, und im Beschluß vom 14. Juli 1971 I R 127, 154/70, BFHE 103, 36, 41, BStBl II 1971, 805; BGH im Beschluß vom 27. Mai 1968 AnwZ (B) 9/67, BGHZ 50, 197; BVerwG im Beschluß vom 30. Oktober 1969 VIII C 219.67, BVerwGE 34, 159; BSG im Beschluß vom 8. Mai 1970 3 RK 66/69, NJW 1970, 1704). Die gleiche Auffassung mit ähnlicher Begründung vertritt der BGH aber auch für den Fall der Erledigungserklärung bei unzulässiger Klage, wie er hier gegeben ist (Urteil vom 16. Mai 1962 IV ZR 215/61, BGHZ 37, 137, 142, 146; Urteil vom 8. Februar 1968 VII ZR 113/65, NJW 1968, 991; Urteil vom 7. November 1968 VII ZR 72/66, NJW 1969, 237, 796; Urteil vom 3. Februar 1976 VI ZR 23/72, HFR 1976, 540). Demgegenüber hat das BVerwG entschieden, daß, wenn der Kläger unstreitig durch ein nachträgliches Ereignis klaglos gestellt worden ist und die Hauptsache für erledigt erklärt hat, die beklagte Behörde nur dann weiterhin Klagabweisung beantragen kann, wenn sie an dem Ausspruch, daß die Klage unzulässig oder unbegründet war, ein berechtigtes Interesse hat (vgl. die Urteile vom 14. Januar 1965 I C 68.61, BVerwGE 20, 146, sowie vom 27. Februar 1969 VIII C 37, 38.67, BVerwGE 31, 318, HFR 1970, 132, und vom 28. November 1975 VII C 47.73, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 161 VwGO Nr. 44). Der erkennende Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH. Ist ein Verfahren von vornherein unzulässig, so kann es nicht erst der besonderen Darlegung eines rechtlichen Interesses an der Klagabweisung seitens der beklagten Partei bedürfen, um den Kläger an der "Flucht" in die Erledigungserklärung zu hindern, sondern das Gericht ist ausnahmslos gehindert, über die Frage der Erledigung im Urteil zu entscheiden. Es bedarf in dieser Frage jedoch keiner Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, da im Streitfall das rechtliche Interesse des HZA an der Aufrechterhaltung des Klageabweisungsantrages vorliegt, die genannte Frage also nicht entscheidungserheblich ist.
Es gehört zu den vornehmsten Pflichten einer Behörde, über bei ihr eingelegte Rechtsbehelfe in angemessener Zeit zu entscheiden. Wird der Behörde wie im vorliegenden Fall zum Vorwurf gemacht, daß sie dieser Pflicht ohne zureichenden Grund nicht nachgekommen ist, so muß ihr das rechtliche Interesse daran zugebilligt werden, daß durch die Entscheidung über die Zulässigkeit der nach § 46 Abs. 1 FGO erhobenen Klage auch über die Berechtigung dieses Vorwurfs entschieden wird. Darüberhinaus muß ein solches berechtigtes Interesse auch wegen der Kostenfolgen bejaht werden, da bei Abweisung der unzulässigen Klage die Kosten nach § 135 Abs. 1 FGO ohne weiteres der klägerischen Partei zur Last fallen, während anderenfalls die Kostenentscheidung sich aus § 138 FGO ergibt und vom Gericht nach Ermessen zu treffen ist.
Dieser Entscheidung steht die BFH-Entscheidung vom 8. August 1974 IV R 131/73 (BFHE 113, 175, BStBl II 1974, 749) nicht entgegen, daß bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten der Rechtsstreit auch bei einer von Anfang an unzulässigen Klage in der Hauptsache erledigt und über die Kosten nur noch nach § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden ist. In einem solchen Fall greift die oben für die Entscheidung im vorliegenden Fall gegebene Begründung nicht ein; denn eine Entscheidung des Gerichts über die Frage der Erledigung selbst kommt keinesfalls in Betracht, da insoweit kein Streit mehr besteht. Auch könnte aus Sinn und Zweck des § 138 FGO, eine Kostenentscheidung im vereinfachten Verfahren zu ermöglichen, geschlossen werden, daß im Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten das Gericht in der Tat nach dem Willen des Gesetzgebers auch der Prüfung der - oft rechtlich schwierigen - Frage enthoben sein soll, ob die Klage zulässig war. Auch aus dem BFH-Urteil vom 22. Januar 1976 IV R 169/71 (BFHE 118, 521, BStBl II 1976, 495) kann etwas anderes nicht entnommen werden. Diesem Urteil lag ein anderer Sachverhalt zugrunde; dort hatte der Kläger - und nicht, wie hier, der Beklagte - der Erledigungserklärung der anderen Seite widersprochen, und es handelte sich zudem nicht um eine von vornherein unzulässige Klage.
Das FG hat nach allem zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 72414 |
BStBl II 1977, 697 |
BFHE 1978, 443 |