Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung der doppelten Haushaltsführung eines Gastarbeiters bei Aufgabe der Familienwohnung im Ausland

 

Leitsatz (NV)

Gibt die Ehefrau eines in der Bundesrepublik lebenden Gastarbeiters die Familienwohnung im Ausland auf und zieht mit den Kindern zu ihrem Ehemann, der aus diesem Grunde eine den Wohnbedarf der Familie deckende Wohnung anmietet, so kann dadurch eine doppelte Haushaltsführung beendet werden. Die durch den späteren Wegzug von Ehefrau und Kindern aus der Bundesrepublik entstehende doppelte Haushaltsführung ist nicht beruflich veranlaßt.

 

Normenkette

FGO § 118 Abs. 2; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein aus der Türkei stammender Gastarbeiter. Seit dem Jahre 1973 ist er in K als Arbeitnehmer beschäftigt. Er bewohnte anfangs ein Zimmer in K und hatte hierfür 7 DM täglich als Miete bezahlt. Seine Ehefrau, die zunächst mit den drei Kindern in der Türkei verblieben war, kam Anfang Juli 1974 mit den Kindern in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) nach K. Aus diesem Anlaß hatte der Kläger das Zimmer aufgegeben und für sich, seine Ehefrau und die Kinder eine Zweizimmerwohnung (bestehend aus zwei Schlafzimmern zu je 16 qm, einer Küche zu 14 qm und einem kleinen Bad, Toilette im Treppenhaus) gemietet.Am 31. Januar, 1975 war die Ehefrau mit den Kindern wieder in die Türkei zurückgekehrt. Da sie die frühere Wohnung bei ihrer Abreise nach Deutschland aufgegeben hatte, mietete sie erneut eine Wohnung und stattete sie mit Möbeln aus, die sie in der Zwischenzeit bei Verwandten untergestellt hatte. Eines der Kinder war bereits im Dezember 1974 wegen Schulbesuchs in die Türkei zurückgeflogen.

Der Kläger gab nach der Abreise seiner Ehefrau und seiner Kinder die Zweizimmerwohnung wieder auf und mietete erneut ein Zimmer in K. Vom 25. Oktober 1975 bis zum 10. Januar 1976 hielt er sich bei seiner Familie in der Türkei auf.

In seinem Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für das Jahr 1975 - Streitjahr - hatte der Kläger Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von rund 5 000 DM geltend gemacht. Außerdem hatte er die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen aus Anlaß der Unterstützung seiner Ehefrau in Höhe von 5 950 DM beantragt. Zum Nachweis hierfür legte er eine Banküberweisung über 2 950 DM vor und machte ferner geltend, er habe bei seinem Heimataufenthalt seiner Ehefrau 3 000 DM in bar übergeben.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wandte bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs die Splitting-Tabelle an und setzte die Jahressteuer auf 2 744 DM fest. Dabei ließ das FA weder die Kosten einer doppelten Haushaltsführung noch die Unterhaltszahlungen an die Ehefrau zum steuerlichen Abzug zu.

Mit seiner nach erfolglosem Einspruch vor dem Finanzgericht (FG) erhobenen Klage hatte der Kläger hinsichtlich der Anerkennung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung Erfolg. Das FG bestätigte dem FA, daß die Anwendung der Splitting-Tabelle im Falle des Klägers zu Recht erfolgt sei. Daher könnten die Leistungen an die im Ausland lebende Ehefrau nicht zusätzlich als außergewöhnliche Belastung wegen Unterstützung von nahen Angehörigen anerkannt werden. Im übrigen käme eine steuerrechtliche Anerkennung dieser Aufwendungen auch bei Nichtanwendung der Splitting-Tabelle nicht in Betracht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660). Ebenso entfalle wegen der Zugrundelegung der Splitting-Tabelle auch der Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG).

Dagegen hielt das FG den Abzug der Kosten für eine doppelte Haushaltsführung aus folgenden Gründen für berechtigt: Zwar sei dem FA darin beizutreten, daß der etwa halbjährige Aufenthalt der Ehefrau und der Kinder bei dem Kläger in K nicht als ein Besuch, sondern als eine Verlegung des Wohnsitzes anzusehen sei. Der Umstand, daß die Ehefrau in der Türkei die Familienwohnung aufgegeben und der Kläger in K - unter Aufgabe seines möblierten Zimmers - eine Wohnung angemietet habe, die den Wohnbedarf seiner Familie für eine längere Zeit befriedigt habe, lasse die Absicht erkennen, K zumindest für eine gewisse Zeit zum Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers und seiner Familie zu machen. Gleichwohl sei der Abzug der Kosten einer doppelten Haushaltsführung berechtigt. Eine solche liege vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhalte, beschäftigt sei und auch am Beschäftigungsort wohne. Diese Voraussetzungen seien im Falle des Klägers in der Zeit, in der er sie geltend gemacht habe, nämlich vom 1. Februar bis zum 25. Oktober 1975, gegeben gewesen. Verlege nämlich der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz vom Beschäftigungsort weg, jedoch im Rahmen einer Entfernung, die noch durch tägliche Fahrten zur Arbeitsstätte bewältigt werden könne, so beruhten auch diese Kosten auf einer im privaten Bereich liegenden Entscheidung. Dennoch würden in einem derartigen Falle die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den Werbungskosten zugerechnet. Gleiches müsse gelten, wenn wegen der größeren Entfernung tägliche Fahrten nicht mehr möglich seien und eine doppelte Haushaltsführung erforderlich werde; denn in beiden Fällen dienten die hierfür aufgewendeten Mittel dem gleichen Zweck, nämlich der Überwindung der Entfernung zwischen Wohn- und Beschäftigungsort. Hierbei eine Differenzierung vorzunehmen, sei weder sachgerecht noch dem Gesetz entsprechend. Darüber hinaus erscheine es im vorliegenden Fall auch zulässig, den etwa halbjährigen Aufenthalt der Familie des Klägers unter Aufgabe der alten und Anmietung einer neuen Wohnung in der Türkei lediglich als eine Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung anzusehen, die auch vor dem Aufenthalt der Familie des Klägers in K bestanden habe.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Es rügt die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung könnten nach der genannten Vorschrift nur dann als Werbungskosten anerkannt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich, d. h. durch das Arbeitsverhältnis, veranlaßt gewesen sei. Das sei im Streitfall gerade nicht gegeben, da die doppelte Haushaltsführung des Klägers erst durch die aus privaten Gründen erfolgte Rückkehr der Familie des Klägers in das Heimatland entstanden sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG können notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten sein. Voraussetzung hierfür ist, daß der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er beschäftigt ist, einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Beschäftigungsort wohnt, sowie daß die durch den doppelten Haushalt verursachten Mehraufwendungen beruflich veranlaßt sind (Urteil des BFH vom 20. Dezember 1982 VI R 64/81, BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306). Letzteres ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in der Regel nicht der Fall, wenn der Familienwohnsitz unter Beibehaltung der Wohnung am Arbeitsort vom Beschäftigungsort wegverlegt wird (Urteile vom 2. Dezember 1981 VI R 167/79, BFHE 135, 37, BStBl II 1982, 297; vom 10. November 1978 VI R 21/76, BFHE 126, 511, BStBl II 1979, 219; vom 16. April 1980 VI R 7/77, BFHE 130, 388, BStBl II 1980, 512, und vom 2. Dezember 1981 VI R 22/80, BFHE 135, 182, BStBl II 1982, 323). Für die Entscheidung des erkennenden Gerichts kommt es somit darauf an, ob die Ehefrau mit ihren Kindern zu ihrem Ehemann in K gezogen war oder sich dort nur besuchsweise aufgehalten hat. Das FG hat entscheidende Bedeutung dem Umstand beigemessen, daß die Ehefrau die Wohnung in der Türkei aufgegeben hatte und andererseits auch der Kläger in K unter Aufgabe seines möblierten Zimmers eine größere Wohnung angemietet hatte, die den Wohnbedarf für sich und seine Familie für einen längeren Zeitraum deckte. Damit hat das FG mit für den BFH nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindender Wirkung festgestellt, daß im Streitfalle nicht nur ein besuchsweiser Aufenthalt der Ehefrau des Klägers mit ihren Kindern bei dem Kläger vorgelegen hat, sondern darin eine Wohnsitzverlegung von der Türkei nach K zu sehen ist.

Hat aber die Ehefrau aus privaten Gründen den gemeinsamen Wohnsitz in der Bundesrepublik (hier: K) aufgegeben und in ihrem Heimatland, der Türkei, eine andere Wohnung bezogen, so ist die dadurch entstandene doppelte Haushaltsführung nach dem Vorhergesagten nicht mehr durch den Beruf des Klägers veranlaßt gewesen.

Die Argumente, mit denen das FG gleichwohl die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG in diesem Fall zu rechtfertigen sucht, greifen nicht durch. Die zu § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG entwickelten Grundsätze können nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG übertragen werden, weil die beiden Vorschriften völlig verschiedene Voraussetzungen haben. Ebensowenig ist es möglich, von einer Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung, die früher einmal aus beruflichem Anlaß bestanden hatte, zu sprechen, wenn jemand, wie hier die Ehefrau, seinen Wohnsitz in der Türkei faktisch aufgegeben hat und nach einem Aufenthalt bei seinem Ehegatten in einer gesondert dazu angemieteten Wohnung wiederum in sein Heimatland zurückkehrt. Denn dies kann nur aus privaten Gründen geschehen sein. Die Entscheidung des FG, das, wie dargestellt, von anderen Gesichtspunkten ausgegangen ist, war somit nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage war unter Aufhebung der Vorentscheidung insgesamt abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414102

BFH/NV 1987, 292

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