Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine steuerrechtliche Rückwirkung von Gesellschaftsverträgen; Aufnahme von Kindern in eine KG
Leitsatz (NV)
1. Werden in eine KG im Laufe des Jahres neue Kommanditisten aufgenommen, so kann die vertragliche Rückbeziehung der Aufnahme auf den Anfang des Jahres nicht bewirken, daß die neuen Kommanditisten auch in steuerrechtlicher Hinsicht an dem seit diesem Zeitpunkt erzielten Gesellschaftsgewinn beteiligt werden.
2. Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen werden steuerlich nur berücksichtigt, wenn sie rechtswirksam zustandegekommen sind, inhaltlich dem unter Dritten Üblichen entsprechen und auch wie unter Fremden vollzogen werden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn Kinder, die als Gesellschafter in eine KG aufgenommen werden, im Fall der Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses nur eine Abfindung zum Buchwert erlangen können.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH und Co. KG, bestand bis zum 31. Dezember 1972 als OHG. Zu diesem Zeitpunkt wechselte sie unter Aufnahme einer GmbH als Komplementärin die Rechtsform. Anteilseigner der GmbH waren A mit 12 000 DM Stammanteil und sein Schwiegersohn B mit 8 000 DM Stammanteil. Kommanditisten der KG waren zunächst A mit 750 000 DM Kapitalbeteiligung und seine Ehefrau C mit 250 000 DM Kapitalbeteiligung. In der Folge trat A an seine drei Töchter, die Beigeladenen zu 2, 3 und 5, jeweils 130 000 DM Kapitalanteil ab; er erhielt dafür jeweils 100 000 DM Darlehensforderung, die den Töchtern gegen die Klägerin zustanden. Seine Ehefrau trat den Töchtern jeweils 30 000 DM ihres Kapitalanteils schenkweise ab. Zugleich mit der Abspaltung und Übertragung dieser Gesellschaftsanteile wurde der Gesellschaftsvertrag neu gefaßt.
Die Vereinbarungen datieren vom 3. Dezember 1973 und sollten Rückwirkung zum 1. Januar 1973 haben. In ihnen ist vorgesehen, daß in der Gesellschafterversammlung die Komplementär-GmbH 50 Stimmen haben sollte, während sonst auf 10 000 DM Kapitalanteil eine Stimme entfiel. Gesellschafterbeschlüsse werden danach mit Stimmenmehrheit getroffen; für Änderungen des Gesellschaftsvertrags ist eine Mehrheit von über 50 v. H. aller möglichen Stimmen erforderlich. Die Komplementär-GmbH bedurfte zu mit Beispielen angeführten außergewöhnlichen Geschäften der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Für Geschäftsführungsmaßnahmen von A und ggf. seiner Ehefrau war die Zustimmung nicht erforderlich; für Geschäftsführungsmaßnahmen von B war die Zustimmung nur bei besonders aufwendigen Neubauten und Anschaffungen erforderlich. - Der nach Vorabbeträgen für die GmbH verbliebene Gesellschaftsgewinn entfiel im Verhältnis der Kapitalkonten auf die Kommanditisten. Diese durften Entnahmen zur Begleichung der durch die Beteiligung verursachten persönlichen Steuern, darüber hinaus in Höhe von 10 v. H. ihres Gewinnanteils tätigen. Weitere Entnahmen waren nur nach Liquiditätslage und Betriebserfordernissen zulässig; im Streitfall sollte ein Schiedsgericht entscheiden. Die durch Gewinngutschriften entstandenen Darlehensguthaben konnten mit zweijähriger Frist, frühestens zum 31. Dezember 1983, gekündigt werden; alsdann sollte über Art und Dauer der Auszahlung die Komplementär-GmbH, notfalls das Schiedsgericht entscheiden. - Die Mitgliedschaft der Kommanditisten konnte erstmals zum 31. Dezember 1983 gekündigt werden. Das Kündigungsrecht stand den Kommanditisten, daneben auch der Komplementär-GmbH zu. Zu Lebzeiten von A und C bedurften Kündigungen ihrer Zustimmung. Der kündigende Gesellschafter wurde mit dem Buchwert, der von der Komplementärin gekündigte Gesellschafter zum Buchwert mit einem Zuschlag von 20 v. H. abgefunden.
Nach einer Betriebsprüfung verneinte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Mitunternehmerschaft der Töchter in den Jahren 1973 und 1974.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1973 und 1974 die Gewinne auch den Beigeladenen zu 2, 3 und 5 zuzurechnen, hilfsweise ihre Gewinnanteile als Betriebsausgaben für stille Beteiligungen zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das Finanzgericht (FG) hat angenommen, daß die neu eingetretenen Kommanditistinnen erst mit Abschluß des Gesellschaftsvertrags am 3. Dezember 1973 Gesellschafter der Klägerin geworden sind und daß die vorgesehene Rückbeziehung dieses Vertrags auf den 1. Januar 1973 steuerlich unbeachtlich ist. Dem ist beizupflichten. Nach den unwidersprochenen tatsächlichen Feststellungen des Vorderrichters ist über die Abfassung des Gesellschaftsvertrags zunächst anhand eines Vertragsentwurfs verhandelt, abschließende Einigung jedoch erst am 3. Dezember 1973 erzielt worden. Wird eine Personengesellschaft in Vollzug gesetzt, ohne daß über alle Einzelheiten des Gesellschaftsvertrags Einigung besteht, so hat allerdings der Gesellschaftsvertrag entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Gültigkeit (vgl. Baumbach / Duden / Hopt, Handelsgesetzbuch, 26. Aufl., § 105 Anm. 2 A). Im Streitfall ging es jedoch um den Beitritt zu einer bereits bestehenden Personenhandelsgesellschaft. Wie sich aus der Vertragsurkunde ergibt, bildete dieser Beitritt mit dem Neuabschluß des Gesellschaftsvertrages eine Einheit; demnach muß davon ausgegangen werden, daß auch die Abtretung der Gesellschafteranteile erst mit dem Neuabschluß des Gesellschaftsvertrags, also am 3. Dezember 1973, wirksam sein sollte.
Die vertragliche Rückbeziehung dieses Ereignisses auf den 1. Januar 1973 kann nicht bewirken, daß die Kommanditistinnen seit diesem Tag am Gesellschaftsgewinn beteiligt waren; insoweit wird auf die Senatsentscheidungen vom 21. Dezember 1972 IV R 194/69 (BFHE 108, 495, BStBl II 1973, 389) und vom 7. Juli 1983 IV R 209/80 (BFHE 139, 60, BStBl II 1984, 53) verwiesen. Die Klägerin hat diese rechtliche Würdigung in der Revision auch nicht mehr in Zweifel gezogen. Da die zur Gewinnbeteiligung führende Mitunternehmerschaft auf einem Gesellschafts- oder Gemeinschaftsverhältnis beruhen muß, können die Kommanditistinnen schon deswegen nicht bereits seit dem 1. Januar 1973 als Mitunternehmerinnen der Klägerin angesehen werden.
2. Auch für den nachfolgenden Zeitraum der Streitjahre geht ihnen diese Eigenschaft ab.
Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen werden steuerlich nur berücksichtigt, wenn sie rechtswirksam zustandegekommen sind, inhaltlich dem unter Dritten üblichen entsprechen und auch wie unter Dritten vollzogen werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Januar 1980 I R 194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449; vom 14. April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555; vom 22. Mai 1984 VIII R 35/84, BFHE 142, 28, BStBl II 1985, 243). Hiervon ist auch bei der Beurteilung von Gesellschaftsverträgen auszugehen (BFH-Beschluß vom 29. Mai 1972 GrS 4/71, BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5; Urteile vom 20. Februar 1975 IV R 62/74, BFHE 115, 232, BStBl II 1975, 569; vom 19. Dezember 1979 I R 176/77, BFHE 129, 475, BStBl II 1980, 242). Werden nahe Angehörige als Kommanditisten in eine Familien-KG aufgenommen, so kann die ihnen zivilrechtlich verliehene Gesellschafterstellung steuerlich nur Berücksichtigung finden, wenn die Rechtsstellung dieser Gesellschafter nicht ausgeprägt und einseitig zugunsten der bisherigen Unternehmensinhaber in einem Umfang beschränkt ist, wie dies bei einem zwischen Fremden begründeten Gesellschaftsverhältnis im Gesamtbild nicht üblich ist (BFH-Urteile vom 8. Februar 1979 IV R 163/76, BFHE 127, 188, BStBl II 1979, 405; vom 5. Juli 1979 IV R 27/76, BFHE 128, 375, BStBl II 1979, 670). Das FG hat solche unüblichen Beschränkungen darin gesehen, daß das Widerspruchsrecht der Kommanditisten gegen die Durchführung außergewöhnlicher Geschäfte nach dem Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen war, soweit sie von den Eltern der Kommanditistinnen als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH eingegangen wurden; ebenso seien die Kommanditistinnen in der Realisierung ihrer Vermögensstellung dadurch beschränkt, daß sie nach dem Gesellschaftsvertrag ihre Beteiligung nur mit Zustimmung der Eltern kündigen durften.
Hierauf und gegen die Einwendungen der Revision braucht im einzelnen nicht eingegangen zu werden. Im Gesellschaftsvertrag war nämlich auch vorgesehen, daß die Komplementär-GmbH mit Zustimmung der Eltern der Kommanditistinnen erstmals zum 31. Dezember 1983 einem Kommanditisten mit der Folge kündigen könne, daß er zum Buchwert seiner Kapital- und Darlehenskonten zuzüglich eines Zuschlags von 20 v. H. abgefunden wird. Diese Bestimmung hatte nur für die Gesellschafterstellung der Kommanditistinnen, nicht für diejenige ihrer Eltern Bedeutung, da die Kündigung von der Zustimmung der Eltern abhängig und damit ihnen gegenüber ausgeschlossen war. Eine derartige Unterwerfung unter den Willen eines Mitgesellschafters, zumal ohne Erhalt eines vollwertigen Abfindungsanspruchs, hätte ein Dritter nicht vollzogen. Selbst bei einer steuerlichen Berücksichtigung des Vertragsverhältnisses wäre aufgrund einer derartigen Bestimmung die Entfaltung von Mitunternehmerinitiativen, wie sie zur Erlangung der Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verlangt wird, nicht gewährleistet, da ein ständig vom Ausschluß bedrohter Kommanditist seine Kontroll-, Widerspruchs- und Mitwirkungsrechte nicht so ausüben kann, wie es seinem eigenen Interesse als Gesellschafter entspricht. Ist im Falle der Hinauskündigung eine Abfindung zum Buchwert vorgesehen, erlangt der Gesellschafter auch nicht das für eine Mitunternehmerschaft erforderliche Mitunternehmerrisiko, das neben der Beteiligung am laufenden Gewinn auch eine solche an den stillen Reserven des Unternehmens einschließlich eines Geschäftswerts verlangt (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 131/78, BFHE 133, 392, BStBl II 1981, 663). In einem solchen Fall genügt auch nicht die Gewährung eines Zuschlags auf den Buchwert des Kapitalkontos, sofern dadurch nicht der wahre Beteiligungswert einschließlich einer Beteiligung am Firmenwert erfaßt werden soll (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1981 IV R 52/79, BFHE 135, 179, BStBl II 1982, 342).
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) wurde allerdings eine Hinauskündigungsklausel, wie sie im Streitfall vereinbart ist, als unwirksam angesehen (vgl. Urteile vom 20. Januar 1977 II ZR 217/75, BGHZ 68, 212; vom 13. Juli 1981 II ZR 56/80, BGHZ 81, 263). Mit diesem Hinweis kann jedoch nicht die steuerliche Berücksichtigung des Gesellschaftsverhältnisses und die Anerkennung der Mitunternehmerschaft erreicht werden. Die Unwirksamkeit der genannten Bestimmung ließe sich wirksam nur dadurch feststellen, daß der Bedachte ihre Rechtswirksamkeit anzweifelt und seine Rechtsposition im Prozeßwege durchsetzt; dies ist vom Beschenkten aber durchweg nicht zu erwarten (vgl. Urteil in BFHE 133, 392, BStBl II 1981, 663). In den Streitjahren ging man zudem noch durchweg von der Wirksamkeit solcher Klauseln aus, wie ihre Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag erweist; die einschränkende Rechtsprechung des BGH ist erst später ergangen.
3. Die Gewinnanteile der Kommanditistinnen können in Ansehung des hilfsweise festgestellten Klageantrags auch nicht als Betriebsausgaben der Klägerin im Zusammenhang mit stillen Beteiligungen dieser Gesellschafterinnen angesehen werden. Zwar kann ein Gesellschaftsvertrag, der für einen Kommanditisten ungewöhnliche Beschränkungen enthält, von einem typisch stillen Gesellschafter aber hingenommen würde, steuerlich als Grundlage einer so zu wertenden Geschäftsbeziehung angesehen werden (vgl. Urteil in BFHE 133, 392, BStBl II 1981, 663). Dann müssen dem Gesellschafter aber wenigstens annäherungsweise noch die Rechte zustehen, die einem stillen Gesellschafter nach den §§ 335 ff. des Handelsgesetzbuches zukommen (BFH-Urteil vom 8. August 1974 IV R 101/73, BFHE 113, 361, BStBl II 1975, 34). Die Kündigungs- und Abfindungsklausel würde dem nicht unbedingt entgegenstehen. Doch muß der stille Gesellschafter die Auszahlung seines Gewinnanteils beanspruchen können (Urteil in BFHE 115, 232, BStBl II 1975, 569). Dies ist im Streitfall nicht gewährleistet, da das Entnahmerecht der Kommanditistinnen auf die durch die Gesellschaftsbeteiligung verursachten persönlichen Steuern und auf einen weiteren Betrag in Höhe von 10 v. H. beschränkt war, höhere Entnahmen aber von der Lage des Betriebs und ggf. von der Entscheidung eines Schiedsgerichts abhängig waren. Die Gesellschafterinnen konnten ihre Vermögensansprüche auch nicht durch die Kündigung ihrer Beteiligung realisieren, weil dies der Zustimmung ihrer Eltern bedurfte. Diese Umstände gestatten es auch nicht, von einem steuerlich wirksamen Darlehensverhältnis zwischen der Klägerin und den Beigeladenen auszugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 414791 |
BFH/NV 1987, 567 |