Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung der Rechte aus einem Bezirkshändlervertrag und Erwerb der gleichen Rechte an einem anderen Ort: keine Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe, sondern bloße Betriebsverlegung - Geschäftsbeziehung zum Geschäftsherrn als wesentliche Betriebsgrundlage - Tarifbegünstigung der auf den Nachfolger des Bezirkshändlers übergewälzten Zahlung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB - Wiedereinsetzung: Postlaufdauer für einen an einem Freitag in der Vorweihnachtszeit aufgegebenen Schriftsatz
Leitsatz (amtlich)
Überträgt ein Bezirkshändler, der Produkte eines Unternehmens über Beraterinnen im sog. Heimvorführungs-Vertriebssystem verkauft, die Rechte aus seinen Verträgen mit den Beraterinnen entgeltlich auf einen Dritten und erwirbt er gleichzeitig die Rechtspositionen aus den Verträgen eines anderen Bezirkshändlers mit dessen Beraterinnen, um in Fortführung seines bisherigen Bezirkshändlervertrages die Produkte des Unternehmens an einem anderen Ort zu vertreiben, so liegt weder eine Betriebsveräußerung noch eine Betriebsaufgabe vor.
Orientierungssatz
1. Ausführungen mit Rechtsprechungshinweisen zu den Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung im ganzen bzw. einer Betriebsaufgabe sowie zur Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter als wesentliche Betriebsgrundlagen (im Streitfall: Geschäftsbeziehung eines Bezirkshändlers zu seinem Geschäftsherrn).
2. Die Zahlung für den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB kann auch dann die Voraussetzungen des § 24 Nr.1 Buchst.c EStG erfüllen, wenn der Anspruch nicht vom Geschäftsherren des Handelsvertreters, sondern vom Nachfolger des Handelsvertreters übernommen und erfüllt wird und wenn das Vertragsverhältnis mit dem Geschäftsherrn auf Betreiben des Handelsvertreters beendet wird. § 89b HGB kann auch auf Kommissionsagenten entsprechend angewendet werden. Als Beendigung des Vertragsverhältnisses ist auch die einvernehmliche Auswechslung des Bezirks anzusehen.
3. NV: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist: Hat der Revisionskläger ausweislich des Poststempels die Revisionsbegründung an einem Freitag, den 15. Dezember, im Inland zur Post gegeben, so konnte er auch unter Berücksichtigung des dazwischenliegenden Wochenendes und der erhöhten vorweihnachtlichen Beanspruchung der Post damit rechnen, daß der Schriftsatz bis zum Ende der Revisionsbegründungsfrist am Montag, dem 18.Dezember, in das Postfach des BFH gelangen würde.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1, 3, § 24 Nr. 1 Buchst. c, § 34 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 120 Abs. 1 S. 1, § 56 Abs. 1; HGB § 89b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin schloß am 3. März 1981 einen "Bezirkshändler-Vertrag" mit der Firma A-GmbH. Der Vertrag lief zunächst ein Jahr und verlängerte sich danach jeweils um ein weiteres Jahr. Gegenstand des Vertrags ist der Verkauf der Produkte der A-GmbH im eigenen Namen des Bezirkshändlers und auf Rechnung der Gesellschaft (Kommissionsagentur). Der Bezirkshändler darf nur an private Kunden über Beraterinnen verkaufen, die ihm unterstehen und die von ihm im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestellt wurden. Er darf weiterhin nur nach Maßgabe des Heimvorführungs-Vertriebssystems verkaufen, das für den Verkauf der Produkte ausgearbeitet ist. Hinsichtlich dieses Systems überläßt die A-GmbH jeweils verbindliche, allgemeine und besondere Richtlinien, die eine einheitliche Gestaltung des Vertriebs gewährleisten. Der Bezirkshändler kann in dem im Anhang an den Vertrag beschriebenen Gebiet dort mit erstem Wohnsitz ansässige Beraterinnen für sich zum Verkauf der Produkte anwerben (rekrutieren), jedoch mit der Maßgabe, daß das entsprechende Recht zum Rekrutieren und zum Einsetzen von Beraterinnen auch anderen Bezirkshändlern in dem Gebiet zusteht. Die A-GmbH kann in Einzelfällen Rekrutierungen, die nach ihrer Ansicht im Interesse guter nachbarschaftlicher Beziehungen unerwünscht sind, auch nachträglich untersagen und eine Überführung der Beraterin an eine andere von der Gesellschaft bestimmte Bezirkshandlung verlangen. Die A-GmbH verpflichtet sich, dem Bezirkshändler ihr in Zusammenhang mit dem Heimvorführungs-Vertriebssystem seit Jahrzehnten weltweit erworbenes spezifisches Vertriebs-Know-how zur Verfügung zu stellen und den Bezirkshändler als Glied dieses Systems durch eine Vielfalt von besonderen Maßnahmen anzuleiten und zu unterstützen (Franchising). Der Bezirkshändler verpflichtet sich, alle von der Gesellschaft für den Vertrieb vorgesehenen Produkte ausschließlich nach Maßgabe des Heimvorführungs-Vertriebssystems zu vertreiben. Der Bezirkshändler hat nicht das Recht, namens der A-GmbH zu handeln, oder diese in irgendeiner Weise zu verpflichten. Der Verkauf, die Abtretung oder die sonstige Übertragung von Rechten und Pflichten des Bezirkshändlers aus diesem Vertrag im ganzen oder teilweise kann wirksam nur mit schriftlicher Zustimmung der Gesellschaft erfolgen. Mit Beendigung des Vertrags erlöschen ohne Rücksicht auf den Grund alle Rechte und Ermächtigungen des Bezirkshändlers aus dem Vertrag. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung, welcher Art sie auch sein mag.
Die Klägerin betrieb von 1981 bis 21. Oktober 1985 eine Bezirkshandlung in B. Mit Zustimmung der A-GmbH übertrug sie diese auf einen nachfolgenden Bezirkshändler. Gegen eine Entschädigung von X DM zuzüglich Mehrwertsteuer überließ sie ihm die Verträge der bisher für sie tätigen Gruppenberaterinnen und Beraterinnen. Unter Mitnahme ihres bisherigen Anlagevermögens und des Warenbestands übernahm sie --ebenfalls mit Zustimmung der A-GmbH-- zum gleichen Zeitpunkt die Bezirkshandlung C. Für eine Entschädigung von Y DM zuzüglich Mehrwertsteuer erwarb sie hier die Verträge der bisher für ihren Vorgänger tätigen Gruppenberaterinnen und Beraterinnen.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 ging die Klägerin von einer Betriebsaufgabe aus. Sie löste die gesamten stillen Reserven der vorhandenen Wirtschaftsgüter, auch derjenigen, die in den Betrieb in C überführt worden waren, auf, und erklärte einen Aufgabegewinn von Z DM. Darin ist die Entschädigung von X DM enthalten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte der Erklärung in dem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1985. Er unterwarf den Aufgabegewinn dem ermäßigten Steuersatz. Im Anschluß an eine Außenprüfung behandelte das FA den als Aufgabegewinn erklärten Betrag als laufenden Gewinn und setzte entsprechend die Einkommensteuer für das Streitjahr fest.
Einspruch und Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 hatten insoweit keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führt in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1111 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus, die Übertragung der Bezirkshandlung in B stelle keine Betriebsveräußerung dar, weil die Klägerin nicht in einem einheitlichen Vorgang alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an den Nachfolger veräußert habe. Da sie vom gleichen Zeitpunkt an eine gleichartige Bezirkshandlung in C betrieben habe, handle es sich um eine Betriebsverlegung. Denn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse seien der bisherige und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung wirtschaftlich identisch (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juni 1976 IV R 200/72, BFHE 119, 430, BStBl II 1976, 672).
Bei der Zahlung des nachfolgenden Bezirkshändlers in B handle es sich um die Erfüllung eines Handelsvertreterausgleichsanspruchs der Klägerin gegenüber der A-GmbH. Dieser Anspruch sei nach ständiger Rechtsprechung selbst im Falle einer Betriebsveräußerung ein laufender Gewinn (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1990 X R 111/88, BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218). § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) sei auf die Klägerin, die im eigenen Namen für Rechnung der A-GmbH als Kommissionsagentin die Waren zu Preisen und Konditionen, die die A-GmbH ihr vorgebe, verkaufe, sinngemäß anzuwenden. Die A-GmbH habe den Ausgleichsanspruch der Klägerin ihr gegenüber auf den nachfolgenden Bezirkshändler überwälzt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 86/91, BFH/NV 1993, 412).
Das FG hat die Einkommensteuer niedriger festgesetzt, indem es den Gewinn der Klägerin um Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf das immaterielle Wirtschaftsgut "Beraterinnenstamm" verminderte und den Kinderfreibetrag gemäß § 54 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 erhöhte.
++/ Die Kläger haben gegen das Urteil des FG Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung ist einen Tag nach Ablauf der bis 18. Dezember 1995 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim BFH eingegangen. Ausweislich des Poststempels ist die Revisionsbegründung am 15. Dezember 1995 in X (Inland) zur Post gegeben worden. Die Kläger haben nach Kenntnis des verspäteten Eingangs ihrer Revisionsbegründung fristgemäß Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt; sie hätten darauf vertrauen dürfen, daß per Posteinlieferung am 15. Dezember 1995 der Revisionsbegründungstermin am 18. Dezember 1995 eingehalten werden könne. /++
Zur Begründung ihrer Revision machen die Kläger im wesentlichen geltend, nach den Urteilen des BFH in BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218 und in BFH/NV 1993, 412 sei die Steuerbegünstigung gemäß § 34 EStG zu gewähren, wenn ein Handelsvertreterausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB überwälzt werde. Das FG sehe im Bezirkshändlervertrag und im Beraterinnenstamm zwei wesentliche Betriebsgrundlagen. Es habe die Betriebsaufgabe verneint, weil nur eine dieser Betriebsgrundlagen veräußert worden sei. Der Bezirkshändlervertrag setze sich aus einem Kommissionärsvertrag (Warenvertrieb) sowie einem Dienstleistungsvertrag bezüglich der damit verbundenen Überlassung von Vertriebs-Know-how zusammen. Die Klägerin habe das Recht, als Kommissionär tätig zu sein, für den Betrieb B veräußert und für den Betrieb C neu entgeltlich erworben durch Übernahme der entsprechenden Bestände an Beraterinnen. Demgemäß könne als wesentliche Betriebsgrundlage nur die Überlassung von Know-how im Rahmen des Franchising-Verfahrens gesehen werden. Dies stelle aber eine Dienstleistung dar, welche nicht als immaterielles Wirtschaftsgut behandelt werden könne. Zwar liege nach der Rechtsprechung des BFH eine Betriebsaufgabe auch dann nicht vor, wenn nicht bilanzierungsfähige sonstige immaterielle Wirtschaftsgüter wie besondere Geschäftsbeziehungen oder ein originärer Geschäftswert zurückbehalten würden. Voraussetzung für die Behandlung als wesentliche Betriebsgrundlage sei aber, daß insofern ein immaterielles Wirtschaftsgut vorliege. Voraussetzung hierfür hinwiederum sei u.a. eine selbständige Verkehrsfähigkeit. Der Rahmenvertrag sei wertlos gewesen. Der gesamte Wert des Betriebs habe sich im Beraterinnenstamm manifestiert.
Die Kläger haben zunächst beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Verkauf der Bezirkshandlung in B als begünstigten Veräußerungsvorgang zu behandeln, hilfsweise, die Steuerermäßigung nach §§ 24, 34 EStG i.V.m. § 89b HGB zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 1996 haben sie ihren Antrag dahingehend eingeschränkt, daß auf die Entschädigung von X DM der ermäßigte Steuersatz gemäß §§ 24, 34 EStG und auf die in den überführten Wirtschaftsgütern aufgelösten stillen Reserven der ermäßigte Steuersatz gemäß §§ 16, 34 EStG anzuwenden sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es führt im wesentlichen aus, die bestehende Vertrags- und Geschäftsbeziehung zur A-GmbH sei eine wesentliche Betriebsgrundlage des Gewerbebetriebs der Klägerin gewesen. Dieser immaterielle Wert sei weder aufgegeben noch veräußert worden. Die vertraglich eingeräumte Bezirkshändlerposition stelle einen realisierbaren und einer selbständigen Bewertung zugänglichen Vermögenswert dar, welcher auch wirtschaftlich verwertbar gewesen wäre. Mit dem FG sei zwar davon auszugehen, daß im Streitfall dem Grunde nach Handelsvertreterrecht entsprechend anzuwenden sei, ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB komme aber trotzdem nicht in Betracht, weil das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der A-GmbH nicht beendet worden sei. Die örtliche Veränderung der Klägerin habe keinerlei Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zur A-GmbH gehabt. Da die Klägerin die Bezirksvertretungen aus eigenem Antrieb gewechselt habe, komme auch eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs.1 i.V.m. Abs.2 Ziff.2, § 24 Ziff.1 Buchst.a EStG nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
++/ Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist wird den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gewährt. Die Kläger trifft an dem verspäteten Eingang der Revisionsbegründung kein Verschulden; denn sie haben nachweislich die Revisionsbegründung am 15. Dezember 1995, einem Freitag, im Inland zur Post gegeben. Selbst unter Berücksichtigung des dazwischen liegenden Wochenendes und der erhöhten vorweihnachtlichen Beanspruchung der Post konnten sie damit rechnen, daß der Schriftsatz am Montag, dem 18. Dezember 1995, in das Postfach des BFH gelangen würde. /++
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
Zu Recht hat das FG zwar die Übertragung und Auflösung der Bezirkshandlung in B nicht als Veräußerung des Betriebs beurteilt und demgemäß die Steuerbegünstigung nach § 34 Abs.2 Nr.1 EStG versagt. Seine tatsächlichen Feststellungen tragen aber nicht die Entscheidung, daß es sich bei der Zahlung des Übernehmers um eine Ausgleichszahlung nach § 89b HGB handelt.
1. Nach § 16 Abs.1 Nr.1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs. Als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs (§ 16 Abs.3 Satz 1 EStG). Eine Veräußerung des Gewerbebetriebs im ganzen setzt die entgeltliche Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber und die Beendigung der bisher in diesem Betrieb entfalteten gewerblichen Betätigung voraus (BFH-Urteile vom 12. Juni 1996 XI R 56, 57/95, BFHE 180, 436, BStBl II 1996, 527; vom 16. Dezember 1992 X R 52/90, BFHE 170, 363, BStBl II 1994, 838, und vom 21. Mai 1992 X R 77-78/90, BFH/NV 1992, 659, jeweils m.w.N.). Eine Aufgabe des ganzen Gewerbebetriebs liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses, den Betrieb aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird und alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder insgesamt in das Privatvermögen überführt, anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt, an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert, teilweise in das Privatvermögen überführt werden, so daß der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (BFH-Urteile in BFHE 170, 363, BStBl II 1994, 838, und in BFH/NV 1992, 659, m.w.N.).
Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs zählen nach ständiger Rechtsprechung diejenigen Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 180, 436, BStBl II 1996, 527, und vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, jeweils m.w.N.); maßgebend ist die Art des Betriebs und die Funktion der einzelnen Wirtschaftsgüter im Betriebsablauf. Wesentliche Betriebsgrundlagen können auch immaterielle Wirtschaftsgüter (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 6. November 1991 XI R 12/87, BFHE 166, 206, BStBl II 1992, 415 - ungeschützte Erfindung; vom 3. Oktober 1989 VIII R 142/84, BFHE 159, 428, BStBl II 1990, 420 - Fernverkehrsgenehmigung, und vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, unter II.3. Buchst.b - Geschäftswert), und zwar auch immaterielle Werte, sein, die üblicherweise in den Geschäftswert eingehen, wie z.B. Geschäftsbeziehungen (BFH-Urteile vom 25. Mai 1988 I R 92/84, BFH/NV 1989, 258, und vom 4. Februar 1982 IV R 150/78, BFHE 135, 202, BStBl II 1982, 348; vgl. im übrigen Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr.31 - Immaterielle Wirtschaftsgüter; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr.B 238, und Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15.Aufl., § 16 Rdnr.104).
Im Streitfall bildete der entgeltlich dem nachfolgenden Bezirkshändler in B übertragene Beraterinnenstamm eine wesentliche Geschäftsgrundlage. Die weitere wesentliche Geschäftsgrundlage des Betriebs der Klägerin war die Geschäftsbeziehung zu der A-GmbH aufgrund des Bezirkshändlervertrags. Diese Geschäftsbeziehung erschöpfte sich nicht in der bloßen Überlassung von Know-how, sondern gewährleistete der Klägerin, von der A-GmbH mit dem entsprechenden Warensortiment versorgt zu werden. Die Geschäftsbeziehung war die grundlegende Voraussetzung für die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin. Diese übertrug sie nicht auf den Erwerber ihres Beraterinnenstamms, sondern behielt sie zurück, um als Bezirkshändlerin in einem anderen Bezirk tätig zu werden.
Eine Betriebsveräußerung, die die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen auf einen Dritten voraussetzt, scheidet damit aus. Auch eine Betriebsaufgabe kann nicht angenommen werden; denn die Klägerin hat aufgrund des von ihr zurückbehaltenen Bezirkshändlervertrags mit der A-GmbH und damit der Geschäftsbeziehungen zu dieser Gesellschaft ihre gewerbliche Betätigung an einem anderen Ort fortgesetzt. Es handelt sich um eine Betriebsverlegung.
2. Ob der Klägerin die Steuervergünstigung gemäß § 34 Abs.2 Nr.2 i.V.m. § 24 Nr.1 Buchst.c EStG zusteht, vermag der Senat nicht zu entscheiden. Die Zahlung für den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB kann allerdings auch dann die Voraussetzungen des § 24 Nr.1 Buchst.c EStG erfüllen, wenn der Anspruch vom Nachfolger übernommen und erfüllt wird und wenn das Vertragsverhältnis mit dem Geschäftsherrn auf Betreiben des Anspruchsberechtigten einvernehmlich beendet wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 38, BStBl II 1991, 218). Das FG hat die Zahlung, die die Klägerin für die Übertragung ihres Beraterinnenstamms in B erhielt, als Erfüllung eines ihr gegen die A-GmbH zustehenden Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB angesehen. Dem Senat ist es nicht möglich, diese Beurteilung aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG nachzuvollziehen. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß § 89b HGB auf den Kommissionsagenten entsprechend angewendet wird (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Juni 1964 VII ZR 235/62, Betriebs-Berater 1964, 823, und Küstner/von Manteuffel/Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, 6.Aufl., Bd.2, Rdnrn.127 bis 129, m.w.N.) und daß der vertragliche Ausschluß jeglicher Entschädigung bei Beendigung des Bezirkshändlervertrags dem Ausgleichsanspruch nicht entgegensteht (§ 89b Abs.4 Satz 1 HGB). Als Beendigung des Vertragsverhältnisses i.S. des § 89b Abs.1 Satz 1 HGB ist auch die einvernehmliche Auswechslung des Bezirks anzusehen (vgl. Schlegelberger/Schröder, Handelsgesetzbuch, § 89b Rz.4 c, und Küstner/von Manteuffel/Evers, a.a.O., Rdnr.283 f.; a.A. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29.Aufl., § 89b Rdnr.10, und Heymann, Handelsgesetzbuch, 2.Aufl., § 89b Rdnr.18). Mangels tatsächlicher Feststellungen des FG läßt sich jedoch nicht beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 89b Abs.1 Nrn.1 bis 3 HGB gegeben sind, d.h., ob und welche Vorteile die A-GmbH aus der Geschäftsverbindung mit Kunden, die die Klägerin in B über ihren Beraterinnenstamm geworben hat, nach dem Bezirkswechsel hat, und ob diese Vorteile erheblich sind, außerdem, ob und welche Nachteile die Klägerin aus der Aufgabe des Bezirks in B hat und schließlich, ob die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entspricht. Die Sache geht an das FG zurück, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt. Sollte das FG in Anwendung des § 89b Abs.2 HGB einen Ausgleichsanspruch ermitteln, so wird es des weiteren zu prüfen haben, ob der Nachfolger der Klägerin in B diesen Ausgleichsanspruch im Wege der Schuldübernahme oder des Schuldbeitritts übernommen hat (vgl. dazu Küstner/ von Manteuffel/Evers, a.a.O., Rdnr.184 f.). Sollte sich ergeben, daß eine Schuldübernahme oder ein Schuldbeitritt des Nachfolgers vorliegt, so wird das FG schließlich darüber zu entscheiden haben, ob im Hinblick darauf, daß dem Nachfolger der von der Klägerin rekrutierte Beraterinnenstamm übertragen wurde, die Zahlung von X DM aufzuteilen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 65963 |
BFH/NV 1997, 158 |
BStBl II 1997, 236 |
BFHE 181, 452 |
BFHE 1997, 452 |
BB 1997, 819 |
DB 1997, 1697 |
DStR 1997, 360 |
DStRE 1997, 242 (Leitsatz) |
HFR 1997, 308 |
StRK, R.45 (Leitsatz und Gründe) |
FR 1997, 225-226 (Leitsatz und Gründe) |
Information StW 1997, 283 (Leitsatz und Gründe) |
Inf 1997, 283 |
KFR, 2/97, S 197 (H 7/1997) (Leitsatz und Gründe) |
NWB 1997, 1527 |
NWB 1997, 670 |
BFH/NV BFH/R 1997, 158-159 (Leitsatz und Gründe) |
BBK 1997, 215 |
NJW-RR 1997, 1185-1186 (Leitsatz und Gründe) |