Leitsatz (amtlich)
Ein eigener Hausstand im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG wird von einem Arbeitnehmer nur dann unterhalten, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligt.
Normenkette
EStG 1967 § 9 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger ist jugoslawischer Emigrant. Er lebt seit 1948 in der BRD, wo er im Streitjahr 1964 als Angestellter arbeitete und eine möblierte Wohnung besaß. Seine Ehefrau lebte in Jugoslawien; sie bezog eine monatliche Rente von etwa 98 DM. Der Kläger ließ ihr im Streitjahr Sach- und Geldzuwendungen im Werte von etwa 2 000 DM zukommen.
In seinem Lohnsteuerermäßigungsantrag für 1964 begehrte der Kläger u. a. die Anerkennung von Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung mit der Begründung, er unterhalte am Wohnort seiner Ehefrau S. seit 1941 unverändert eine mit eigenen Möbeln ausgestattete Wohnung, in der nunmehr seine Ehefrau allein lebe, weil er aus politischen Gründen nicht dorthin zurückkehren könne. Nach Auffassung des FA kann die Wohnung in Jugoslawien nicht mehr als Hausstand des Klägers angesehen werden. Es lehnte deshalb die Anerkennung von Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung ab, gab dem Kläger jedoch wegen Unterhalts der Ehefrau einen Freibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG in Höhe von 1 200 DM.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG gab hierfür folgende Begründung: Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung könnten nur dann Werbungskosten sein, wenn sie dadurch entstünden, daß der Steuerpflichtige einen anderen Ort als seinen Wohnort aufsuche, um dort seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die vom Kläger geltend gemachten Mehraufwendungen seien nur deshalb entstanden, weil der Kläger sich aus politischen und damit aus persönlichen Gründen von seinem bisherigen Wohnort in Jugoslawien in die BRD begeben habe. Der tatsächliche Mittelpunkt seines Lebens liege nunmehr in der BRD. Daran ändere nichts die Tatsache, daß sich in Jugoslawien noch eine mit seinen Möbeln ausgestattete Wohnung befinde, in der seine Frau lebe, und daß diese ihn ab und zu besuche. Nach 20jähriger Abwesenheit und einer zeitlich völlig ungewissen Rückkehrmöglichkeit könne nicht mehr davon gesprochen werden, daß dort sein Wohnort sei. Der Kläger könne dort deshalb auch keinen eigenen Hausstand mehr haben. Die OFD habe zwar in Rundanweisungen vom 30. Juni 1964 und 14. Januar 1965 den sich mit der doppelten Haushaltsführung befassenden Abschn. 26 Abs. 1 LStR auch für den Fall als anwendbar angesehen, daß der Ehegatte in der Ostzone oder in einem Ostblockstaat lebe. Dabei sei sie jedoch davon ausgegangen, daß der in der BRD lebende Ehegatte in der Ostzone oder in dem Ostblockstaat einen eigenen Hausstand habe. Das sei hier aber gerade nicht der Fall. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen könnten auch nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt werden. Denn der Kläger sei nicht im Verhältnis zu der überwiegenden Mehrzahl ihm vergleichbarer Steuerpflichtiger mehr belastet.
Der Kläger begründet die vom FG zugelassene Revision wie folgt: Das FG habe die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH wie auch die Bedeutung der LStR und sonstiger Verwaltungsanordnungen verkannt, wenn es der Auffassung sei, nur eine beruflich bedingte, nicht aber eine auf zwingenden persönlichen Gründen beruhende doppelte Haushaltsführung könne eine Steuerermäßigung rechtfertigen und ein eigener Hausstand liege nur dann vor, wenn man sich dort auch tatsächlich befinde. Der BFH habe im Urteil VI 219/64 vom 18. Februar 1966 (BFH 86, 39, BStBl III 1966, 386) die Kosten für eine Familienheimfahrt als Werbungskosten mit der Begründung anerkannt, es sei bei einem verheirateten Arbeitnehmer in der Regel unerheblich, aus welchen Gründen er nicht am Arbeitsort wohnt. Aus diesem Urteil ergebe sich, daß bei einem verheirateten Arbeitnehmer eine doppelte Haushaltsführung auch dann anzuerkennen sei, wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen außerhalb des Ortes der Familienwohnung tätig werde. Obgleich im Streitfall sogar zwingende persönliche Gründe in dieser Hinsicht vorgelegen hätten, sei das FG nicht auf sie eingegangen. Bei der Entscheidung der Frage, ob sein Aufenthalt in der BRD beruflich bedingt sei, habe das FG zu Unrecht außer acht gelassen, daß seit vielen Jahren ein großer Teil der werktätigen Bevölkerung Jugoslawiens in der BRD arbeite, weil die Heimat aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen keine ausreichende Existenzmöglichkeit biete. Das FG habe pflichtwidrig nicht geprüft, ob das FA von dem ihm durch die beiden Rundanweisungen der OFD eingeräumten Ermessen hätte Gebrauch machen müssen. Für die Frage, ob er im Streitjahr in Jugoslawien einen eigenen Haushalt gehabt habe, komme es nicht auf die Länge der Trennung an. Es sei auch unerheblich, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befinde. Für das Vorliegen eines eigenen Hausstandes in Jugoslawien sei ausreichend gewesen, daß die Wohnung mit seinen Möbeln ausgestattet gewesen sei und daß er mindestens überwiegend die Kosten für den Haushalt seiner Familie getragen habe. Das ergebe sich aus den Abschn. 26 und 22 Abs. 4 LStR. Im übrigen habe er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nach wie vor in Jugoslawien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Im Streitjahr 1964 war die Frage, ob Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG sind, noch nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Die durch Art. 1 Nr. 2 und Art. 11 StÄndG vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) mit Wirkung vom 1. Januar 1967 in den § 9 EStG eingefügte erstmalige nähere gesetzliche Regelung kann auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden. Schon vor dieser gesetzlichen Regelung war allerdings in der Rechtsprechung anerkannt, daß zu den Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG auch Mehraufwendungen gehören können, die dem Arbeitnehmer dadurch entstehen, daß er aus beruflichen Gründen einen doppelten Haushalt führen muß (vgl. die BFH-Urteile VI 59/64 U vom 18. September 1964, BFH 81, 86, BStBl III 1965, 29; VI 195/65 vom 11. Mai 1966, BFH 86, 351, BStBl III 1966, 503, und VI R 334/66 vom 18. August 1967, BFH 90, 37, BStBl III 1967, 780). Eine doppelte Haushaltsführung setzte nach dieser Rechtsprechung voraus, daß der Arbeitnehmer zwar am Beschäftigungsort wohnt, aber außerhalb dieses Ortes seinen Hausstand unterhält. Auch die nunmehrige ausdrückliche gesetzliche Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG enthält eine Definition der doppelten Haushaltsführung, die vor allem darauf abstellt, daß der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes beschäftigt ist, an dem er einen Hausstand unterhält.
Von der Unterhaltung eines Hausstandes durch den Arbeitnehmer kann indessen nur die Rede sein, wenn in einer sich im Besitz des Arbeitnehmers befindlichen und für die Erfüllung der Lebensbedürfnisse eingerichteten Wohnung hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgebend beteiligt. Die vom Kläger erwähnten Abschn. 26 und 22 Abs. 4 LStR bestimmen zwar, daß ein eigener Hausstand des Arbeitnehmers dann anzunehmen ist, wenn dieser eine Wohnung mit eigener oder selbst beschaffter Möbelausstattung besitzt, fordern aber für eine doppelte Haushaltsführung mit Recht ebenfalls, daß der eigene Hausstand vom Arbeitnehmer "unterhalten" wird (s. Abschn. 26 Abs. 1 Satz 1 LStR), daß also der Arbeitnehmer in bezug auf die Wohnung einen über den reinen Besitz hinausgehenden, auch das Leben in der Wohnung umfassenden Einfluß ausübt.
Schon die Frage, ob der Kläger überhaupt noch Besitzer der Wohnung in Jugoslawien war, hat das FG mit Recht verneint. Die Auffassung des FG wird gestützt durch die eigenen Angaben des Klägers, seine Ehefrau wohne allein in der Wohnung, weil er aus politischen Gründen nicht dorthin zurückkehren könne. Aus dem Vorbringen des Klägers und den Feststellungen des FG geht darüber hinaus hervor, daß sich der Kläger am hauswirtschaftlichen Leben in dieser Wohnung nicht mehr durch persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligte, sondern sich nur noch darauf beschränkte, die materiellen Grundlagen der durch seine Ehefrau allein betriebenen Hauswirtschaft zu verbessern.
Da somit der Kläger im Streitjahr in Jugoslawien einen eigenen Hausstand weder besaß noch unterhielt, hat das FG zu Recht den für eine angebliche doppelte Haushaltsführung geltend gemachten Aufwendungen die Anerkennung als Werbungskosten versagt. Auf die Frage, aus welchen Gründen sich der Kläger in der BRD aufhält, kommt es nicht an. Es ist deshalb unerheblich, ob das FG hierfür berufliche Gründe hätte anerkennen müssen und ob im Streitjahr Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung, wäre eine solche gegeben, auch dann zu den Werbungskosten gehörten, wenn die doppelte Haushaltsführung auf zwingenden persönlichen Gründen beruhte. Schließlich rügt der Kläger zu Unrecht, daß das FG nicht geprüft habe, ob das FA von dem ihm durch die beiden Rundanweisungen der OFD eingeräumten Ermessen hätte Gebrauch machen müssen. Das FG hat sich mit den beiden Rundverfügungen ausdrücklich befaßt und ihre Anwendbarkeit mit dem zutreffenden Hinweis verneint der in ihnen geforderte eigene Hausstand in einem Ostblockstaat sei im vorliegenden Falle nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 413035 |
BStBl II 1972, 148 |
BFHE 1972, 498 |