Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für deren Mineralölsteuerschulden

 

Leitsatz (NV)

1. Aus § 34 AO 1977 ergibt sich nicht eine Pflicht des Geschäftsführers einer GmbH, die ein Mineralölsteuerlager unterhält, organisatorisch sicherzustellen, daß zu den gesetzlichen Terminen für die Fälligkeit der Mineralölsteuer für Mineralöl, das aus dem Steuerlager entnommen worden ist, Gelder zur Verfügung stehen.

2. Besondere steuerliche Pflichten ergeben sich nicht daraus, daß in dem Kaufpreis für Mineralöl, das aus dem Steuerlager entnommen worden ist, Mineralölsteuer - als Kalkulationselement - enthalten ist.

3. Die Pflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, dafür zu sorgen, daß die Mineralölsteuer aus den verwalteten Mitteln entrichtet wird, kann durch Maßnahmen verletzt werden, die die Entrichtung der Mineralölsteuer unmöglich machen.

4. Zur Anwendung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit i. S. des § 69 AO 1977.

5. Zur Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, in der finanzgerichtlichen Entscheidung.

6. Hat die Finanzbehörde dem Einspruch gegen den Haftungsbescheid stattgegeben, weil die Steuerschuld inzwischen durch Zahlung erloschen ist, und tritt dadurch eine Erledigung des beim FG anhängigen Rechtsstreits wegen einer von der Finanzbehörde abgelehnten Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids ein, so hat der Haftende (Kläger) die Kosten des Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung zu tragen.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 3, § 138; AO 1977 § 34 Abs. 1, §§ 69, 361 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (Kläger) war Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Diese Firma, der im April 1976 mehrere Steuerlager bewilligt worden waren, fiel im Mai 1977 in Konkurs. Mit Steuerhaftungsbescheid vom August 1977 nahm der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) den Kläger auf Zahlung von 1 200 000 DM Mineralölsteuer in Anspruch, die zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen am 10. März 1977, 10. April 1977 und in der Folgezeit fällig geworden und nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt worden waren. Nach Einlegung des Einspruchs beantragte der Kläger beim HZA erfolglos die Aussetzung der Vollziehung. Auch die Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung hatte keinen Erfolg. Während des daraufhin angestrengten Klageverfahrens gingen auf den zunächst geltend gemachten Gesamtbetrag beim HZA 900 000 DM ein. In dieser Höhe gab das HZA in seiner Einspruchsentscheidung vom August 1981 dem Einspruch statt und wies diesen zum verbleibenden Teilbetrag von 300 000 DM zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es erlegte die Kosten hinsichtlich des bis zum 2. November 1981 in der Hauptsache erledigten Teils gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu 25 v. H. dem Kläger und zu 75 v. H. dem HZA auf, die Kosten des nichterledigten Teils dem Kläger.

Zur Begründung der Sachentscheidung führte das FA aus, daß keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerhaftungsbescheids bestünden. Der Kläger habe durch grob fahrlässige Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten Mineralölsteuer nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt (§ 69 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Er habe die ihm gemäß § 34 Abs. 1 AO 1977 obliegende Pflicht verletzt, Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln zu entrichten. Obwohl die GmbH zunächst über ein Stammkapital von nur 20 000 DM verfügte und seit April 1976 Verluste gehabt habe, habe der Kläger im Juni 1976 einem Mitgesellschafter ein langfristig zurückzuzahlendes Darlehen von 100 000 DM, im August 1976 einem Dritten ein Darlehen von 6 000 DM und im März 1977, als sich die Zahlungsunfähigkeit der GmbH abgezeichnet habe und kurz vor der Konkurseröffnung, sich selbst ein Darlehen von 11 000 DM gewährt. Im März und April 1977, also kurz vor der Konkurseröffnung, habe er noch alle Verbindlichkeiten in Höhe von 600 000 DM beglichen, so daß nur die Steuerforderungen ausgefallen seien. Mit diesem Verhalten habe der Kläger entgegen § 34 Abs. 1 AO 1977 und § 103 der Reichsabgabenordnung (AO) einseitig steuerliche Belange vernachlässigt. Das werde auch durch die vom Kläger in dieser Zeit neu gegründete Handels-Gesellschaft mbH - HG - deutlich, auf die er die Geschäftsverbindungen und -beziehungen aus seiner Zeit bei der GmbH übertragen und für die er mit dem Darlehen einen Tankwagen, einen PKW und die Büroeinrichtung finanziert habe.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in dem Beschluß vom 5. und 13. Mai 1977 VII B 9/77 (BFHE 122, 28, BStBl II 1977, 587) zu Recht ausgeführt, daß der Anspruch des HZA gefährdet sei, weil die GmbH ihre Erlöse nicht zur Begleichung ihrer Mineralölsteuerschulden, sondern zu anderen Zwecken verwendet habe.

Die Mineralölsteuer sei Bestandteil des Kaufpreises und werde vom Steuerschuldner von seinen Kunden für den Fiskus eingezogen und auch erst abgeführt, nachdem er den Gegenwert im Preis erhalten habe. Es wäre die Pflicht des Klägers gewesen, organisatorisch sicherzustellen, daß zu den gesetzlich feststehenden Fälligkeitsterminen der Mineralölsteuer Gelder zur Verfügung stünden. Dabei spiele keine Rolle, daß die Illiquidität durch die Zahlungsunfähigkeit von Abnehmern ausgelöst worden sei. Im übrigen sei der Behauptung des Klägers, im März 1977 habe die überfällige Forderung gegen die Firma C letztlich den Konkurs ausgelöst, entgegenzuhalten, daß der Forderungsausfall der GmbH gegenüber der Firma C lediglich 120 000 DM betragen habe.

Die Vollziehung des Haftungsbescheides bedeute für den Kläger keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte. Es scheine unwahrscheinlich, daß der Kläger in der Hauptsache obsiegen werde.

Da die Zahlungsfrist des § 6 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) sehr großzügig bemessen sei, führten unterschiedliche Zahlungsfristen dazu, daß der Steuerschuldner nach Zahlungseingang vom Fiskus einen Steuerkredit erhalte. Zwar bestehe hinsichtlich der im Kaufpreis erhaltenen Steuerbeträge kein Verfügungsverbot für den Steuerschuldner. Jedoch müsse er dafür Sorge tragen, daß er bei Fälligkeit seiner Steuerzahlungspflicht nachkommen könne.

Ein Mitverschulden des HZA im Hinblick auf die abgelehnte Stundung der Steuerbeträge und weiter der Vollstreckungsmaßnahmen sei bei summarischer Würdigung nicht erkennbar. Die nach § 69 AO 1977 haftungsbegründende Pflichtverletzung des Klägers habe zeitlich vor diesen vom Kläger gerügten Maßnahmen der Verwaltung gelegen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 34, 69 AO 1977. Er trägt vor, daß er nicht gegen seine Geschäftsführerpflichten verstoßen habe. Zur Begründung führt er aus: Das FG habe seine Aufklärungspflicht insoweit verletzt, als es behaupte, zum Fälligkeitszeitpunkt März 1977 habe der Forderungsausfall der Firma C lediglich 120 000 DM betragen. Aus dem Betriebsprüfungsbericht vom Mai 1977 ergebe sich, daß dieser Forderungsausfall 180 000 DM betragen habe. Die Realisierung dieser Forderung hätte die GmbH in die Lage versetzt, die Mineralölsteuer März 1977 voll zu entrichten.

Das FG habe hinsichtlich der Entnahme von 11 000 DM durch ihn - den Kläger - Ende März 1977 unterstellt, daß er diesen Betrag zur Finanzierung der Neugründung der Firma HG verwendet habe. In Wirklichkeit sei beabsichtigt gewesen, mit dem Betrag Avalprovisionen einer Bank für die Eingehung einer Bürgschaft zu bezahlen sowie andere fällige Forderungen zu erfüllen. Auch insoweit habe das Gericht entgegen § 76 FGO den Sachverhalt nicht erforscht. Er - der Kläger - sei zum Termin im November 1981 nicht persönlich geladen worden. Er hätte sonst dargelegt, daß die Geschäftsausstattung der HG nicht mit dem Entnahmebetrag finanziert worden sei. Für diesen Zweck habe er sich eines anderen Darlehens bedient. Die Nichtladung werde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs als Verfahrensmangel gerügt.

Auch die Neugründung der Firma HG könne ihm nicht als schuldhafte Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten angelastet werden. Es sei nicht zu erkennen, inwieweit er durch diese Neugründung zumindest grob fahrlässig den Haftungstatbestand der §§ 34, 69 AO 1977 verwirklicht haben sollte. Das FG habe ohne nähere Feststellungen offensichtlich die Tatsache der Neugründung als solche zu seinen Lasten gewertet und sei unter Verzicht auf eigene Feststellungen den tatsächlichen Behauptungen des HZA gefolgt.

Das gelte auch für die im Schriftsatz vom Juli 1981 aufgezeichneten Hintergründe des an A gewährten verzinslichen Darlehens von 100 000 DM. Durch dieses Darlehen sei A weitaus enger als zu Beginn in die gewerbliche Betätigung und Kapitalausstattung der GmbH integriert worden, was durch die zweimaligen Kapitalerhöhungen untermauert werde. Das FG habe diesen Komplex so gut wie gar nicht gewürdigt, sondern zu seinen - des Klägers - Ungunsten unterstellt, daß dieses Darlehen mitverantwortlich für die Mineralölsteuerrückstände ab März 1977 gewesen sei. Er habe nicht voraussehen können, daß die GmbH im März 1977 hauptsächlich aufgrund des Forderungsausfalls der Firma C einen Teil der Steuerschuld nicht würde fristgerecht entrichten können. Es sei ermessensfehlerhaft, ein ca. neun Monate davor gewährtes Darlehen an eine kreditwürdige Persönlichkeit als schuldhafte Pflichtverletzung hinzustellen.

Der im Kaufpreis enthaltene Mineralölsteuerbetrag gehe in das Eigentum des Unternehmens über, ohne daß ein Verfügungsverbot bestehe. Eine zwischenzeitliche Verwendung im Rahmen unternehmerischer Dispositionen könne für sich allein den Vorwurf schuldhafter Verletzung deshalb nicht begründen. Im Streitfalle habe sich die GmbH wegen der unerwarteten und nicht vorhersehbaren Illiquidität der Firma C mit einem hohen Steuerrückstand konfrontiert gesehen, der bei fristgerechter Begleichung der Forderung nicht eingetreten wäre, wobei nochmals betont werde, daß diese Forderung 180 000 DM und nicht 120 000 DM betragen habe.

Das angefochtene Urteil lasse eine Begründung für die Aussage, ,,seit September 1976 habe sich die Zahlungsunfähigkeit der GmbH abgezeichnet", vermissen. Diese Aussage sei unrichtig und werde durch die Sach- und Rechtsausführungen im erstinstanzlichen Schriftsatz vom Juli 1981 entkräftet.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim FG anhängige Hauptsache zu bewilligen.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Daneben hat es Anschlußrevision mit dem Antrag eingelegt, die Kostenentscheidung hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils aufzuheben und diese Kosten dem Revisionskläger aufzuerlegen. Zur Begründung der Anschlußrevision führt es aus, die Entscheidung über die Kosten hätte trotz des formellen Vorliegens der Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Satz 1 gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen ergehen müssen. Die Erledigungserklärung beruhe nicht auf einer Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts wegen Rechtswidrigkeit, sondern darauf, daß die ursprünglich voll begründete Haftungsschuld des Klägers im Laufe des Verfahrens durch Zahlungen der GmbH bzw. des Konkursverwalters gemindert worden sei.

Der Kläger beantragt, die Anschlußrevision zurückzuweisen und die Kosten dem HZA aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann vor, wenn bei summarischer Prüfung neben den Umständen, die für die Rechtmäßigkeit des Bescheids sprechen, gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (so zuletzt BFH-Urteil vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, 426, BStBl II 1978, 579). Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids hängt, wovon das FG zutreffend ausgegangen ist, davon ab, daß der Kläger die ihm als Geschäftsführer der GmbH nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 obliegende Pflicht, für die Entrichtung der Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln zu sorgen, zumindest grob fahrlässig verletzt und dadurch bewirkt hat, daß die Steueransprüche nicht rechtzeitig erfüllt worden sind (§ 69 AO 1977).

Das FG hat eine besondere Pflicht des Klägers angenommen, organisatorisch sicherzustellen, daß zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen der Mineralölsteuer Gelder zur Verfügung stehen. Eine solche Pflicht läßt sich dem § 34 AO 1977 nicht entnehmen. Sie kann entgegen der Meinung des FG auch nicht damit begründet werden, daß die Steuerschuldnerin GmbH die Mineralölsteuer als Bestandteil des von ihren Kunden für die Mineralöle zu zahlenden Kaufpreises für den Fiskus von den Kunden eingezogen habe. Denn diese Begründung trifft nicht zu. Die Kunden der GmbH schuldeten dieser für die bezogenen Mineralöle nur den Kaufpreis, nicht etwa auch eine darin enthaltene Steuer. Daran ändert nichts der Umstand, daß die GmbH als Steuerschuldnerin den von ihr für die verkauften Mineralöle zu entrichtenden Steuerbetrag als Kalkulationselement in den Kaufpreis eingehen ließ und damit die von ihr entrichtete Steuer gemäß deren Bestimmung, als Verbrauchsteuer wirtschaftlich vom Verbraucher getragen zu werden, auf ihre Kunden überwälzte. Da die GmbH selbst Schuldnerin der Mineralölsteuer war und von ihren Kunden für das verkaufte Mineralöl lediglich einen Kaufpreis erhielt, war ihre Stellung nicht vergleichbar mit derjenigen eines Arbeitgebers, der nach den Vorschriften der §§ 38 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) von seinen Arbeitnehmern die von diesen geschuldete Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen hat.

Der Kläger konnte seine auf § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 beruhende Pflicht, dafür zu sorgen, daß die von der GmbH geschuldete Mineralölsteuer aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet wird, durch Maßnahmen verletzen, die die Entrichtung der Steuer unmöglich machten. Soweit der Kläger durch solche Maßnahmen vorsätzlich oder grob fahrlässig bewirkte, daß die Mineralölsteuer nicht rechtzeitig entrichtet wurde, haftete er nach § 69 AO 1977. Zwischen den betreffenden Maßnahmen und der nicht rechtzeitigen Entrichtung der Steuer mußte ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 69 AO 1977 Anm. 6; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 69 AO 1977 Anm. 17; Münstermann, Die Verschuldenshaftung Dritter nach § 109 AO, in Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, herausgegeben von Felix, Stuttgart 1958, 303, 308, 309). Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO 1977 handelt, wer in ungewöhnlich großem Maße die Sorgfalt verletzt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande war, und infolgedessen entweder den Erfolg nicht vorausgesehen oder darauf vertraut hat, daß der Erfolg nicht eintrete (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 AO 1977 Nr. 9).

Das FG-Urteil verletzt § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO, weil in ihm nicht die Gründe angegeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend waren (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 96 Rdnr. 9 und die dort zitierte Rechtsprechung des BFH).

Es führt mehrere Maßnahmen des Klägers auf, die als eine Verletzung seiner auf § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 beruhenden Pflicht in Betracht kommen, für die Entrichtung der Mineralölsteuer der GmbH aus den von ihm verwalteten Mitteln zu sorgen, nämlich die Gewährung von Darlehen im Mai 1976, Juli 1976 und kurz vor der Konkurseröffnung 1977, die Begleichung aller Verbindlichkeiten in Höhe von 600 000 DM ohne Berücksichtigung der Steuerforderungen und die Art und Weise der Gründung der HG. Das Urteil läßt Ausführungen darüber vermissen, ob und ggf. in welchem Umfang diese Maßnahmen für die nicht rechtzeitige Erfüllung der Steuerpflicht der GmbH adäquat ursächlich waren.

Das Urteil läßt auch nicht erkennen, ob das FG den Begriff ,,grob fahrlässig" im Sinne des § 69 AO 1977 richtig ausgelegt hat und auf Grund welcher Erwägungen es zu der rechtlichen Folgerung gelangt ist, der Kläger habe seine Pflicht aus § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 grob fahrlässig verletzt.

Das gilt in erster Linie für die Gewährung der Darlehen von 100 000 DM an den Gesellschafter A. im Juni 1976 und an einen Dritten in Höhe von 6 000 DM im August 1976. Auch wenn die GmbH ab April 1976 mit Verlust gearbeitet hat, steht damit nicht fest, daß der Kläger damit seine ihm wesentlich später, nämlich am 10. März 1977, obliegende Pflicht, die zu diesem Zeitpunkt fälligen Mineralölsteuerbeträge zu zahlen, grob fahrlässig verletzt hat. Denn es ist nicht auszuschließen, daß er trotz der Darlehensgewährung in Erwartung einer besseren Geschäftsentwicklung damit gerechnet hat und rechnen durfte, die zu diesem Zeitpunkt fälligen Beträge bezahlen zu können. Dabei kann auch von Bedeutung sein, daß die GmbH ihr Stammkapital später erhöht hat.

Auch hinsichtlich der vom FG als pflichtwidrig angesehenen Begleichung von Verbindlichkeiten der GmbH in Höhe von 600 000 DM im März und April 1977 mit der Folge, daß im späteren Konkurs nur die Steuerforderungen ausgefallen sind, kann dem Urteil nicht ohne weiteres entnommen werden, aufgrund welcher Schlußfolgerungen das FG zu dem Ergebnis gekommen ist, daß darin ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers als Geschäftsführer liege. Geht man davon aus, daß ein Geschäftsführer nicht schuldhaft handelt, wenn er vorhandene Mittel nicht in erster Linie für Steuerzahlungen verwendet, daß er aber Steuerschulden auch nicht schlechter behandeln darf als andere Verbindlichkeiten (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 Rdnr. 12), hätte das FG darlegen müssen, aus welchen Gründen es bei Berücksichtigung der vom HZA schon im März 1977 gegen die GmbH ergriffenen Maßnahmen, die u.a. auch dazu geführt haben dürften, daß insgesamt 900 000 DM der geschuldeten Mineralölsteuer später beim HZA eingegangen sind, zu der Schlußfolgerung gelangt ist, daß der Kläger mit der Begleichung der anderen Forderungen im März und im April 1977 grob fahrlässig gegen seine sich aus § 34 AO 1977 ergebende Pflicht verstoßen hat. Es ist nicht auszuschließen, daß der Kläger bei Berücksichtigung der am 10. März bzw. 10. April 1977 fälligen Mineralölsteuerbeträge jedenfalls dann nicht grob fahrlässig gehandelt hat, wenn die zu diesen Zeitpunkten fälligen Beträge durch die vom HZA ergriffenen Maßnahmen ganz oder teilweise ausgeglichen wurden.

Inwieweit die Neugründung der HG und im Zusammenhang damit die Gewährung eines Darlehens von 11 000 DM an den Kläger eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers i. S. der §§ 34, 69 AO 1977 darstellen sollen, kann dem Urteil ebenfalls nicht entnommen werden. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, in welchem Zeitpunkt die HG gegründet worden ist und welche Beträge zu diesem Zeitpunkt fällig und nicht bezahlt waren. Es ist auch nicht erkennbar, ob der Kläger mit der Übertragung der ,,aus seiner Zeit bei der GmbH" bestehenden Geschäftsverbindungen und -beziehungen auf die von ihm gegründete Firma HG der GmbH geschuldete Forderungen entzogen hat oder ob die übertragenen Geschäftsverbindungen und -beziehungen nur für die Zukunft wirksam waren. Möglicherweise könnte nur im ersteren Falle eine Pflichtverletzung i. S. des § 69 AO 1977 in Betracht kommen.

Der Senat kann über die Aussetzung der Vollziehung nicht abschließend entscheiden und muß daher die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückverweisen. Es ist nicht auszuschließen, daß das FG hinsichtlich der von ihm angeführten einzelnen Maßnahmen des Klägers Tatsachen feststellt (wobei nur präsente Beweismittel zu berücksichtigen sind), die zu dem Ergebnis führen, daß der Kläger hinsichtlich aller fälligen Beträge oder hinsichtlich von Teilen davon grob fahrlässig oder auch vorsätzlich gehandelt hat. Möglicherweise kommt auch in Betracht, daß aus einem grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhalten des Klägers hinsichtlich einzelner oder mehrerer seiner Maßnahmen auf ein schuldhaftes Gesamtverhalten von Anfang an geschlossen werden kann. Das FG wird auch zu prüfen haben, ob nicht schon vor Eröffnung des Konkurses die GmbH überschuldet gewesen ist und ein Verschulden des Klägers darin gefunden werden kann, daß er es pflichtwidrig unterlassen hat, rechtzeitig den Konkursantrag zu stellen (vgl. den Haftungsbescheid vom August 1977). Ein solch schuldhaftes Verhalten hätte auch dazu führen können, daß später fällig gewordene Mineralölsteuerbeträge schuldhaft nicht gezahlt werden konnten.

Sollte das FG bei seiner erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis kommen, daß der Kläger hinsichtlich aller oder eines Teils der bei Fälligkeit nicht bezahlten Mineralölsteuerbeträge schuldhaft i. S. des § 69 AO 1977 gehandelt hat, müßten die Kosten hinsichtlich des durch Zahlung der Mineralölsteuerschuld erledigten Teils entsprechend der vom HZA eingelegten unselbständigen Anschlußrevision dem Kläger auferlegt werden. Dabei kann dahinstehen, ob diese Entscheidung auf § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 FGO gestützt wird (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 26. Oktober 1972 IV B 28/67, BFHE 107, 264, BStBl II 1973, 83 und den darin erwähnten BFH-Beschluß vom 16. November 1967 V B 9/67, BFHE 90, 456, BStBl II 1968, 120). Bei Anwendung des § 138 Abs. 1 FGO ist bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Danach wären die Kosten dem schuldhaft handelnden Kläger aufzuerlegen.

Bei Anwendung des § 138 Abs. 2 FGO wäre zu beachten, daß das HZA dem Einspruch in Höhe des genannten Betrages nicht etwa deshalb stattgegeben hat, weil der angefochtene Bescheid rechtswidrig war, sondern lediglich deshalb, weil durch die Bezahlung des Betrages die Mineralölsteuerschuld der GmbH erloschen war und deshalb eine Inanspruchnahme des Klägers hinsichtlich dieses Betrages nicht mehr in Betracht kam. Für Fälle einer solchen Sachverhaltsänderung ist aber § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO einschränkend zu interpretieren und der Grundgedanke des § 138 Abs. 1 FGO anzuwenden, weil das Klagebegehren ursprünglich unbegründet war (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 138 FGO Rdnr. 61 und die dort aufgeführte Rechtsprechung und Literatur). Diese Überlegungen greifen auch dann Platz, wenn als Auswirkung der Änderung des Haftungsbetrages in der Einspruchsentscheidung beide Beteiligten im Klageverfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung die Hauptsache teilweise für erledigt erklären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413705

BFH/NV 1986, 261

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