Entscheidungsstichwort (Thema)
Begünstigte Altschulden i. S. von § 14 a Abs. 5 EStG nach Umschuldung
Leitsatz (NV)
Auch wenn der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes am 1. Juli 1985 vorhandene betriebliche Schulden umgeschuldet hat und diese tilgt, kann er den Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG in Anspruch nehmen.
Normenkette
EStG § 14a Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Zum 30. Juni 1985 beliefen sich die Schulden aus vier Darlehen der X-Bank auf über 660 000 DM. In der Folgezeit stiegen die Schulden weiter an. Im Rahmen einer Besprechung mit der X-Bank riet im Oktober 1988 ein landwirtschaftlicher Sachverständiger dem Kläger, mindestens 20 ha zu veräußern und so den Zins- und Tilgungsdienst zu reduzieren. Da der Kläger die beabsichtigten Zins- und Darlehensrückzahlungen nicht ausreichend darlegte, gewährte ihm die X-Bank nur ein Darlehen über 350 000 DM und einen Überziehungskredit über 50 000 DM, und zwar befristet bis zum 31. Januar 1989. Diese Vorgänge veranlaßten den Kläger, eine Umschuldung vorzunehmen. Die Y-Bank stellte dem Kläger zur Ablösung der bei der X-Bank bestehenden Verbindlichkeiten einen Kontokorrent-Sonderkredit in Höhe von 1 Mio. DM und einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 250 000 DM zur Verfügung und löste die bei der X-Bank bestehenden Verbindlichkeiten ab. Die ursprünglich, am 30. Juni 1985 bestehenden Altdarlehen wurden bis zum 30. Juni 1990 auf 472 714,94 DM zurückgeführt.
Im Wirtschaftsjahr 1990/91 veräußerte der Kläger Grund und Boden. Von dem Veräußerungsgewinn in Höhe von 692 838 DM verwandte er 442 000 DM zur Tilgung der von der Y-Bank gewährten Darlehen. Den in der Einkommensteuererklärung 1990 beantragten Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) nicht. Den Einspruch des Klägers wies es zurück.
Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er machte u. a. geltend, er habe mit dem Erlös aus der Veräußerung der Grundstücke Schulden getilgt, die bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hätten. Die Kreditauflagen der X-Bank hätten zur Vernichtung seines landwirtschaftlichen Betriebes führen können, er habe eine Umschuldung vornehmen müssen. Wirtschaftlich seien die Kredite durch die Umschuldung nicht erloschen. Sie seien von der Y-Bank übernommen worden, um seinen Betrieb zu sanieren. Von den zur Schuldtilgung verwandten 442 000 DM entfielen -- wie vom FA berechnet -- 221 839,80 DM auf begünstigte Altschulden. Der Freibetrag sei danach in Höhe von 85 955 DM zu gewähren.
Das FA hielt dem entgegen, es sei nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden, ob die getilgten Schulden bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hätten. Tatsächlich seien die getilgten Schulden erst 1989 mit der Auszahlung der Darlehensvaluta durch die Y-Bank entstanden. Die Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme lägen nicht vor, da die Umschuldung nicht von den Gläubigern, sondern allein vom Kläger veranlaßt worden sei.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte unter Bezug auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 28. April 1994 XIV 562/92, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 71 aus, trotz der Umschuldung handele es sich bei den getilgten Schulden um begünstigte Altschulden.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger den beantragten Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG anteilig in Anspruch nehmen kann. Nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 14 a Abs. 5 EStG konnte ein Steuerpflichtiger, der nach dem 31. Dezember 1985 und vor dem 1. Januar 1993 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens veräußerte und den Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten zur Tilgung von Schulden verwandte, beantragen, daß der Veräußerungsgewinn nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen wird, als er den Betrag von 90 000 DM übersteigt. Das setzte indes -- neben anderen hier unstreitig erfüllten Kriterien -- nach § 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG voraus, daß die Schulden zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören und vor dem 1. Juli 1985 bestanden haben.
2. Das Erfordernis, daß die Schulden vor dem 1. Juli 1985 als betriebliche Schulden bestanden haben, ist durch Art. 7 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes -- StBereinG 1986 -- (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735, 745 f.) eingeführt worden. Damit stellte § 14a Abs. 5 Nr. 1 EStG 1986 -- anders als die mit dem Jahr 1976 ausgelaufenen Vorläuferregelungen in § 14a Abs. 4 EStG 1971 und EStG 1974 (dazu Senatsurteil vom 23. Juni 1983 IV R 77/80, BFHE 139, 45, BStBl II 1983, 633) -- darauf ab, daß die betrieblichen Schulden bereits zu einem bestimmten Stichtag existiert hatten (BTDrucks 10/4513 S. 21f.). Der Gesetzgeber wollte damit Mißbräuche ausschließen und zu einem Auslaufen der Vorschrift beitragen (Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 14 a EStG, Anm. 209). Daraus folgt insbesondere, daß die Vergünstigung nicht gewährt werden kann, wenn eine ursprünglich private Schuld nach dem 30. Juni 1985 in eine betriebliche Schuld umgewandelt wurde (R 133c Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer- Richtlinien -- EStR 1994 --). Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, bei Novation einer ursprünglich begünstigten Altschuld entstünde ein neues Schuldverhältnis und damit eine nicht i. S. von § 14 a Abs. 5 EStG begünstigte neue Schuld (Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 14 a Rz. 33; Kuhlmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 14a Rz. 60), folgt der erkennende Senat dem nicht. Das gilt auch für den Wechsel des Gläubigers bei einer Umschuldung.
Entgegen der Ansicht des FA ist nicht darauf abzustellen, ob die betriebliche Schuld im Zeitpunkt der Tilgung bei zivilrechtlicher Beurteilung (vgl. auch Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., D 329) noch dieselbe ist, die am Stichtag bereits bestanden hatte. Mit dem Stichtagserfordernis wollte der Gesetzgeber lediglich sicherstellen, daß die Vergünstigung nur bei Tilgung solcher Schulden gewährt wird, deren betriebliche Veranlassung bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hatte. Dies zu regeln bestand Anlaß, weil der erkennende Senat (Urteil in BFHE 139, 45, BStBl II 1983, 633) zuvor zur bereits ausgelaufenen Rechtslage (§ 14a Abs. 4 EStG 1971 und 1974) entschieden hatte, daß die Schulden nicht bereits eine gewisse Zeit bestanden haben mußten oder ein Zusammenhang mit der Veräußerung der Grundstücke gegeben sein mußte (vgl. Hiller in Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 14 a Rz. 65). Ebenso ist der ursprüngliche betriebliche Zusammenhang für die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen maßgebend, selbst wenn eine nach Betriebsaufgabe fortbestehende betriebliche Verbindlichkeit umgeschuldet wird (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1980 I R 198/78, BFHE 133, 27, BStBl II 1981, 462). Das gilt in gleicher Weise für die Novation einer betrieblichen Altschuld und nicht anders beim Wechsel des Gläubigers. Denn die neu eingegangene Verbindlichkeit hat weiterhin ihre Ursache in der Altschuld, und der wirtschaftliche Zusammenhang mit der alten Schuld bleibt bestehen (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 1629; Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., 20. Aufl., § 14 a EStG Anm. 209; Pape in Felsmann, a. a. O., 3. Aufl., D 329b; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 14 a Rdnr. 60; Blümich/Fischer, Einkommensteuergesetz § 14a Rz. 57; Hiller in Lademann/Söffing, a. a. O.). Allein darauf kommt es an. Sinn und Zweck der Wiedereinführung eines Freibetrages für die Schuldentilgung war nämlich, den durch Schulden besonders belasteten kleineren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (vgl. § 14 a Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. § 14 a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG 1986) die Tilgung von Altschulden zu ermöglichen. Die Wiedereinführung war damit begründet worden, daß Land- und Forstwirte vielfach im Vertrauen auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung Investitionen vorgenommen und fremdfinanziert hätten, entgegen dieser Erwartung aber der Einkommensrückgang angehalten habe, so daß der Schuldendienst vielfach nur noch durch Substanzverzehr habe getragen werden können (vgl. BTDrucks 10/4513 S. 21f.). Es ging also darum, den betroffenen Land- und Forstwirten den Verkauf von Grundstücken steuerlich zu erleichtern, damit sie die Erlöse voll zur Tilgung von Altschulden einsetzen könnten. Zu Recht macht der Kläger darauf aufmerksam, daß eine rein zivilrechtliche Beurteilung der Frage, ob die Schulden bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hatten, dazu führen würde, daß wirtschaftlich sinnvolle Umschuldungen sonst hinausgeschoben würden oder sogar gänzlich unterbleiben müßten.
Fundstellen
Haufe-Index 421092 |
BFH/NV 1996, 534 |