Leitsatz (amtlich)
1. Reicht ein Steuerpflichtiger seine vor Verkündung des DMBG aufgestellte Bilanz zum 21. Juni 1948 dem Finanzamt nach Ergehen dieses Gesetzes als Besteuerungsunterlage ein, so kann er grundsätzlich nicht nachher geltend machen, daß diese Bilanz nicht seine DM-Eröffnungsbilanz darstelle.
2. Zur Frage, ob die Änderung der DM-Eröffnungsbilanz gegen Treu und Glauben verstößt.
Normenkette
DMBG § 3; DMBG § 74; DMBG § 75
Tatbestand
Es handelt sich um den Ansatz des Betriebsgrundstücks bei Einheitsbewertung des Betriebsvermögens des Beschwerdeführers (Bf.) zum 21. Juni 1948 und 1. Januar 1950. Die Vorbehörden haben das Betriebsgrundstück mit 46 105 DM (41 105 DM für das Gebäude und 5000 DM für den Grund und Boden) bewertet. Dieser Ansatz entspricht etwa der Bewertung in der vom Bf. eingereichten Bilanz auf den 21. Juni 1948 von 46 405 DM. Der Unterschied von 300 DM ist nicht geklärt. Anscheinend handelt es sich um einen Schreibfehler in der Bilanz. Die betreffende Bilanz ist vom 23. November 1948 datiert und beim Finanzamt am 1. Dezember 1950 eingegangen. Der Bf. ist nicht zur Führung von Handelsbüchern verpflichtet. Er hat jedoch eine kaufmännische Buchführung eingerichtet und ermittelt den Gewinn durch Bestandsvergleich. Bei den Einkommensteuerveranlagungen für II/1948, 1949 und 1950 ist das Finanzamt wegen Mängeln der Buchführung von dem erklärten Einkommen abgewichen und hat den Gewinn nach Richtsätzen ähnlicher Betriebe geschätzt. Die Veranlagungen sind rechtskräftig. Bei der Gewinnfeststellung für 1951 hat das Finanzamt die Bilanz vom 10. Oktober 1952 zugrunde gelegt, in der das Grundstück ebenfalls mit dem höheren, über dem Einheitswert liegenden Wert angesetzt ist. Die Einkommensteuerveranlagung des Bf. für 1951 ist ebenfalls rechtskräftig. Am 9. Februar 1953 ging die Vermögenserklärung des Bf. für die Hauptveranlagung 1949 beim Finanzamt ein, in der das Betriebsvermögen mit 31 500 DM bewertet war. In der am 23. Oktober 1953 eingegangenen Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1950 bewertete er das gesamte Betriebsvermögen mit 41 000 DM. In beiden Vermögenserklärungen ist das Betriebsgrundstück mit dem niedrigeren Einheitswert angesetzt. Das Finanzamt hat die (gemäß § 92 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung berichtigten) Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 21. Juni 1948 auf 50 000 DM und auf den 1. Januar 1950 auf 60 000 DM festgestellt, wobei in beiden Fällen das Betriebsgrundstück, wie oben erwähnt, mit dem höheren aus der Bilanz vom 23. November 1948 ersichtlichen Wert angesetzt wurde. Der Bf. wünscht im Einspruchsverfahren, daß das Betriebsgrundstück in Abweichung von dem Wertansatz in der Bilanz vom 23. November 1948 bei der Einheitsbewertung nur mit dem Einheitswert von 27 600 DM angesetzt werde. Seine Bilanz vom 23. November 1948 sei nicht die DM-Eröffnungsbilanz. Die eigentliche DM-Eröffnungsbilanz habe er erst am 16. Oktober 1953 dem Finanzamt eingereicht. Darin sei das Betriebsgrundstück mit dem Einheitswert bewertet. Er habe mit der Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz absichtlich so lange gewartet, bis er die steuerlichen Folgen aus der Bewertung in der DM-Eröffnungsbilanz habe übersehen können. Sollte jedoch die Bilanz vom 23. November 1948 als DM-Eröffnungsbilanz anzusehen sein, müsse die am 16. Oktober 1953 eingereichte Bilanz als Bilanzänderung gelten. Einspruch und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat im wesentlichen folgendes ausgeführt: Bei Einreichung der Bilanz vom 23. November 1948 für Einkommensteuer II/1948 und 1949, eingegangen beim Finazamt am 1. Dezember 1950, sei das D-Markbilanzgesetz (DM BG) bereits über ein Jahr in Kraft gewesen. Wenn der Bf. seiner Gewinnberechnung diese Bilanz mit ihrem höheren Grundstückswert zugrunde gelegt und hieran auch in den Bilanzen zum 31. Dezember 1949, 1950 und 1951 festgehalten habe, müsse man, zumal er von einem Steuerberater vertreten gewesen sei, unterstellen, daß er in Kenntnis des DM BG bewußt den Ansatz des höheren Grunstückswertes gewählt habe. Er habe sich auch bei der Betriebsprüfung sowie bei einer späteren Verhandlung im Februar 1953 mit dem hohen Grundstückswert abgefunden. Fast zu gleicher Zeit habe der Bf. dagegen in seiner Vermögenserklärung für 1949 das Betriebsgrundstück mit dem Einheitswert bewertet. Es sei die Frage, ob die Bilanz vom 16. Oktober 1953 als eine zulässige Änderung der am 1. Dezember 1950 eingereichten Bilanz vom 23. November 1948 gelten könne. Für die Zulässigkeit einer Änderung der DM-Eröffnungsbilanz könne die Verkündung des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) sprechen, wenn der Antrag bald nach Ergehen des LAG gestellt würde. Das habe der Bf. jedoch nicht getan. Sein Bilanzänderungsantrag sei erst 13 Monate nach dem Inkrafttreten des LAG eingegangen. Der Anspruch auf Bilanzänderung verstoße daher gegen Treu und Glauben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.).
Es ist geltend gemacht, die DM-Eröffnungsbilanz sei erst am 16. Oktober 1953 eingereicht worden. Die frühere Bilanz vom 23 November 1948 sei nicht die DM-Eröffnungsbilanz. Mindestens müsse aber, wenn man schon die Bilanz vom 23. November 1948 als DM-Eröffnungsbilanz ansehen wolle, die spätere Änderung dieser Bilanz anerkannt werden. Von einem Verstoß gegen Treu und Glauben könne keine Rede sein.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Der Bf. ist nicht Vollkaufmann. Gemäß §§ 74 Abs. 4, 75 Abs. 2 DMBG finden jedoch wesentliche Bestimmungen des DMBG, insbesondere die allgemeinen Bewertungsvorschriften der §§ 5 bis 34 a. a. O., 73 Abs. 1, 4 bis 6, 74 Abs. 1, 3, 75 Abs. 1 a. a. O. auf den Bf. Anwendung. Ausgangspunkt für die Prüfung muß die Bedeutung der Bilanz vom 23. November 1948 sein. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß der Bf. mit der Einreichung dieser Bilanz in seiner Einkommensteuersache am 1. Dezember 1950 diese Bilanz zu seiner DM-Eröffnungsbilanz gemacht habe, begegnet unter den besonderen Umständen dieses Falles, auf die das Finanzgericht hingewiesen hat, keinen Bedenken. Es handelt sich sonach nur darum, ob eine zulässige Änderung des Wertansatzes durch die dem Finanzamt am 16. Oktober 1953 eingereichte, vom Bf. als die eigentliche DM-Eröffnungsbilanz bezeichnete Bilanz erfolgt ist. Eine Änderung der DM-Eröffnungsbilanz ist möglich (Urteil des Bundesfinanzhofs I 147/52 U vom 23. März 1953, Slg. Bd. 57 S. 354, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1953 III S. 140). Das Finanzgericht erkennt auch grundsätzlich die Zulässigkeit einer Änderung der DM-Eröffnungsbilanz an. Es ist jedoch der Auffassung, daß das Begehren auf Anerkennung der Bilanzänderung im Streitfalle gegen Treu und Glauben verstoßen würde, weil es erst 13 Monate nach Inkrafttreten des LAG mit Einreichung der sogenannten richtigen DM-Eröffnungsbilanz kundgegeben worden sei. Man wird der angefochtenen Entscheidung darin zustimmen müssen, daß die niedrigere Bewertung des Betriebsgrundstücks in der Vermögenserklärung 1949 nicht als Änderung der DM-Eröffnungsbilanz angesehen werden kann. Die Änderung der DM-Eröffnungsbilanz muß bei der Bedeutung gerade dieser Bilanz in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erklärt werden. Dieser Anforderung genügt die Abgabe der Vermögenserklärung 1949 nicht. Für die Annahme des Verstoßes gegen Treu und Glauben stützt sich das Finanzamt neben dem Zeitablauf insbesondere darauf, daß die Bilanz vom 23. November 1948 nicht unter Vorbehalt einer Änderung abgegeben worden sei, und daß die Zulassung der Bilanzänderung einen Verstoß gegen die Koppelungsbestimmung des § 75 Abs. 1 DMBG bedeuten würde. Diese Erwägungen erachtet der Senat nicht für zutreffend. Der Vorbehalt einer Änderung der DM-Eröffnungsbilanz ist nicht notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit der Änderung, und § 75 Abs. 1 a. a. O. schließt die Zulässigkeit der Änderung der DM-Eröffnungsbilanz nicht schlechthin aus, sondern erfordert nur, daß der in zulässiger Weise geänderte Bilanzansatz in gleicher Weise für die Steuern vom Vermögen wie für die Steuern vom Einkommen und Ertrag maßgebend sein müsse. Bei Anerkennung der Bilanzänderung müßte der Bf. auch etwaige sich aus dem niedrigeren Wertansatz ergebende einkommensteuerliche Auswirkungen gegebenenfalls für die noch nicht endgültig veranlagten Jahre in Kauf nehmen.
Bei Würdigung der Bedeutung des Zeitablaufs von 13 Monaten ist nicht außer acht zu lassen, daß beim Bf. eine Betriebsprüfung vorgenommen worden ist, die zu einer Gewinnerhöhung geführt hat, und daß im Anschluß hieran Verhandlungen zwischen Finanzamt und Bf. stattgefunden haben, die sich nach dem angefochtenen Urteil (S. 6) anscheinend bis in den Februar 1953 hingezogen haben. In einem solchen Falle wird aber, wie auch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 204/53 U vom 28. Juni 1955 (BStBl 1955 III S. 262) erkennen läßt, eine gewisse Zurückhaltung bei Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben angemessen sein.
Das angefochtene Urteil hat hiernach möglicherweise zu Unrecht einen Verstoß gegen Treu und Glauben angenommen. Es mußte daher wegen möglichen Rechtsirrtums aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zu nochmaliger Prüfung auf Grund vorstehender Ausführungen unter Beachtung des Vorbringens in der Rb. zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 425857 |
BStBl III 1956, 25 |
BFHE 1956, 64 |