Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Sind an dem Gewinn aus einem Gewerbebetrieb mehrere beteiligt und ist strittig, ob ein Vorgang eine Entnahme darstellt, so ist diese Frage im Rahmen des Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung nicht den Gewinn des Gewerbebetriebs, sondern erst das Einkommen des einzelnen Beteiligten berührt.
Normenkette
EStG §§ 10a, 5, 15/2; AO § 215 Abs. 2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt zusammen mit seinem Sohn ein Lichtspielhaus in Form einer OHG. Diese hat dem zweiten Sohn des Bf. im Jahr 1951 zum Erwerb eines Kinos 99.510 DM gegeben. Hiervon sind 20.000 DM ein Geschenk des Bf. Der Rest von 79.510 DM ist in der Bilanz der OHG zum 31. Dezember 1951 als Darlehen aktiviert.
In der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung behandelte das Finanzamt das Darlehen als Entnahme der beiden Gesellschafter, so daß sich gegenüber dem Gewinn eine Mehrentnahme ergab. Dies führte bei der Einkommensteuerveranlagung des Bf. für 1951 zur Nachversteuerung eines Betrages von 3.872 DM, für den im Jahre 1950 die Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn gewährt worden war.
Die von dem Bf. eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht behandelte die Berufung, obwohl sie nach dem Willen des Bf. und auch nach der Auffassung des Finanzamts gegen den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid gerichtet war, als Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid. Nach Ansicht des Finanzgerichts ist nicht die Anfechtung des Gewinnfeststellungsbescheids, sondern die Anfechtung des Einkommensteuerbescheids der prozessual richtige Weg, weil es letztlich um die bei der Besteuerung zu entscheidende Frage der Nachversteuerung gehe, und die hierfür maßgebliche Vorfrage der Entnahme mit den vom Gewinnfeststellungsbescheid allein zu beantwortenden Fragen der Gewinnhöhe und Gewinnverteilung nichts zu tun habe.
Sachlich ist nach der Auffassung des Finanzgerichts das Vorgehen des Finanzamts gerechtfertigt, weil das Darlehen nur aus familiären Gründen gegeben worden sei und somit eine Entnahme darstelle.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Bf. geltend, daß für die Hingabe des Darlehens ausschließlich geschäftliche Erwägungen maßgebend gewesen seien. Ihm als Vollkaufmann stehe es zudem frei, den Kreis seines Betriebsvermögens zu bestimmen. Wolle man in der Hingabe des Geldes eine Entnahme sehen, so könne man ihm keinesfalls verwehren, die Darlehnsforderung in das Geschäft einzulegen. Wenn überhaupt, könne von einer Entnahme auch erst dann die Rede sein, wenn die Darlehnsforderung - etwa wegen Uneinbringlichkeit - abgeschrieben und der Gewinn tatsächlich gemindert sei.
In seiner sich im wesentlichen den Ausführungen des Finanzgerichts anschließenden Entgegnung weist der Vorsteher des Finanzamts darauf hin, daß es unterlassen worden sei, die sich aus dem privaten Charakter des Darlehens ergebenden Folgerungen auch für die mit der Geldhingabe zusammenhängenden Zinsen zu ziehen. Diese seien, soweit der Sohn sie für das Darlehen entrichte, keine Betriebseinnahmen und, soweit sie von der OHG für einen mit der Geldhingabe zusammenhängenden Sparkassenkredit entrichtet würden, keine Betriebsausgaben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist, wenn auch aus anderen als den vom Bf. geltend gemachten Gründe, stattzugeben.
Wird der Gewinn einheitlich und gesondert festgestellt (ß 215 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -), so gehören alle Fragen, die den Gewinn betreffen, in das Feststellungsverfahren (vgl. dazu auch § 216 AO). Der Grund für diese Zuordnung wie für die Schaffung des (vom Veranlagungsverfahren getrennten) Feststellungsverfahrens überhaupt liegt in der Notwendigkeit, die die Gesellschafter gemeinsam betreffenden Fragen auch gemeinsam, d. h. mit Wirkung für und gegen alle, zu lösen. Es soll vermieden werden, daß ein und dieselbe (im Gesellschaftsverhältnis begründete) Frage bei der Veranlagung der einzelnen verschieden beurteilt wird.
Die Frage der Entnahme kann danach nur im Feststellungsverfahren entschieden werden. Sie ist von der Gewinnermittlung nicht zu trennen. Der Gewinn wird zwar, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, im gegebenen Fall wegen der Aktivierung der Darlehnsforderung nicht verändert. Ganz abgesehen davon, daß das ohnehin nur für die Darlehnshingabe und nicht für die Darlehnszinsen und die Zinsen für den Sparkassenkredit zutrifft, besagt das aber nichts gegen die Tatsache, daß die Frage der Entnahme im engsten Zusammenhang mit der Gewinnermittlung steht. Ob ein Vorgang Entnahme oder Betriebsausgabe ist - mag dieser nun ein zu aktivierender Posten gegenüberstehen oder nicht - kann, ähnlich wie die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, ohne Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse nicht entschieden werden. Nur bei einer Entscheidung im Rahmen des Feststellungsverfahrens wird die Einheitlichkeit gewährleistet, die den Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens bildet.
Gehört demnach die Frage, ob und in welcher Höhe Entnahmen vorliegen, in das Feststellungsverfahren und ist durch den Feststellungsbescheid die Höhe der Entnahmen festgestellt, so ist das für die Einkommensteuerveranlagung des Bf. bindend (ß 218 Abs. 2 AO). Solange der Gewinnfeststellungsbescheid nicht geändert ist, muß für die Einkommensteuerveranlagung davon ausgegangen werden, daß die Entnahmen in der festgestellten Höhe erfolgt sind.
Im Rechtsmittelverfahren gegenüber dem Einkommensteuerbescheid kann also die Frage der Entnahme nicht geprüft werden. Das Finanzgericht hätte die Berufung auch nicht als gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtet umdeuten dürfen, sondern sie so behandeln müssen, wie sie gedacht war, nämlich als Rechtsmittel gegen den Feststellungsbescheid. Hiernach war die Vorentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 408364 |
BStBl III 1956, 67 |
BFHE 1956, 180 |
BFHE 62, 180 |