Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Die bei Abschluß eines Bausparvertrages vereinbarte Rückwirkung des Vertragsbeginns ist prämienrechtlich ohne Wirkung. Hat der Prämienberechtigte jedoch vor Jahresende Einzahlungen geleistet und von sich aus alles getan, um den Vertragsabschluß herbeizuführen, so sind die Einzahlungen noch als prämienbegünstigte Aufwendungen des alten Jahres anzuerkennen. 2. Die in § 4 Abs. 2 WoPG genannte Antragsfrist gilt auch für Prämienberechtigte, die zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung nicht verpflichtet sind.
Normenkette
WoPG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Wohnungsbauprämie für das Kalenderjahr 1954.
Der Bg. ist Diplomlandwirt. Im Kalenderjahr 1954 arbeitete er auf einem Gut, das nach dem Tode seines Vaters von seiner Mutter bewirtschaftet wurde und einer Erbengemeinschaft gehörte, an der der Bg. beteiligt war. Eigene Einkünfte bezog er nach seinen Angaben nicht. Nur seine Mutter wurde für das Kalenderjahr 1954 als buchführende Landwirtin steuerlich erfaßt.
Am 28. Dezember 1954 unterzeichneten der Bg. und seine Mutter je einen Antrag auf Abschluß eines Bausparvertrages über eine Vertragssumme von 5.000 DM. Die Anträge wurden bei der auswärtigen Annahmestelle der Bausparkasse gestellt und von dem dortigen Angestellten M. angenommen, mit dem auch die Vorverhandlungen geführt worden waren. Die am 28. Dezember 1954 gestellten Anträge gingen am 31. Dezember 1954 bei der Bausparkasse ein. Auf den Anträgen befand sich ein Vermerk, aus dem sich ergab, daß die Sparer die Wohnungsbauprämie beantragen werden. Die ersten Einzahlungsraten, die für beide Verträge zusammen mit den Abschlußkosten je 1.600 DM betrugen, wurden am 29. Dezember 1954 an die Bausparkasse überwiesen und dort zunächst einem Durchgangskonto gutgeschrieben. Nachdem der Vertrag des Bg. mit Urkunde vom 6. Januar 1955, in der der Vertragsbeginn antragsgemäß auf 1. Dezember 1954 festgesetzt wurde, bestätigt worden war, wurden 1.600 DM auf sein Bausparkonto umgebucht.
Mit Antrag vom 16. November 1955, eingegangen bei der Bausparkasse am 9. Dezember 1955, beantragte der Bg. Gewährung einer Wohnungsbauprämie für im Kalenderjahr 1954 geleistete prämienbegünstigte Aufwendungen von 1.600 DM. Das Finanzamt wies den Antrag als verspätet zurück und erkannte auch in der Einspruchsentscheidung Nachsichtgründe nicht an.
Mit der Berufung machte der Bg. geltend, die Fristversäumung sei entschuldbar, da er nicht habe annehmen können, daß für seinen Prämienantrag eine andere Frist gelte als für den gleichzeitig gestellten Antrag seiner Mutter, der wegen der abweichenden Erklärungsfrist für buchführende Landwirte als rechtzeitig gestellt anerkannt worden sei. Es sei überhaupt zweifelhaft, ob für ihn die allgemeine Steuererklärungsfrist maßgeblich sei, da die Abgabe einer Einkommensteuererklärung für ihn nicht in Betracht gekommen sei. Jedenfalls sei er von keiner Seite auf diese Frist hingewiesen worden. Der Angestellte M. habe vielmehr ihm und seiner Mutter gegenüber erklärt, daß der Antrag im Laufe des Jahres 1955 zu stellen sei. Hierauf habe er sich verlassen. Er habe auch den Prämienantrag dem Angestellten M. übergeben, der den Antrag nicht beanstandet habe. Wenn das Finanzamt nunmehr auch noch behaupte, daß der Bausparvertrag überhaupt erst am 6. Januar 1955 abgeschlossen und daher schon aus diesem Grunde die Prämie für 1954 zu versagen sei, so müsse dem entgegengehalten werden, daß die Vertragspartner im Rahmen der Vertragsfreiheit den Vertragsbeginn auf den 1. Dezember 1954 festgesetzt hätten und daß es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, dem Bg., der auch die Einzahlung noch rechtzeitig Ende Dezember 1954 geleistet habe, die Prämie etwa mit dem Hinweis darauf zu versagen, daß die Einzahlung zunächst auf einem Sonderkonto und erst nach Jahreswechsel auf dem inzwischen eröffneten Bausparkonto verbucht worden sei.
Das Finanzgericht gewährte die begehrte Prämie. Die vom Bg. zur Erlangung eines Baudarlehens geleisteten 1.600 DM seien als prämienbegünstigte Aufwendungen des Jahres 1954 anzuerkennen, da die Vertragsanbahnung und die Beitragszahlung noch im Jahre 1954 erfolgt seien und der Vertrag am 6. Januar 1955 in rechtlich zulässiger Weise mit Rückwirkung zum 1. Dezember 1954 abgeschlossen worden sei. Dem Bg. sei für den verspäteten Antrag auch Nachsicht zu gewähren, da er als Miterbe des landwirtschaftlichen Betriebes seines Vaters in entschuldbarer Weise habe annehmen können, daß für ihn wie für seine Mutter die verlängerte Steuererklärungsfrist für Landwirte gelte.
Hiergegen wendet der Vorsteher des Finanzamts mit der Rb. ein, daß der Bg., wie sich aus den Akten ergebe, die verlängerte Steuererklärungsfrist für Landwirte gar nicht gekannt habe, also auch auf diese Frist nicht irrtümlich vertraut habe. Der Bg. habe nicht schlüssig dargetan, daß er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist im Ergebnis nicht begründet.
Zutreffend hat das Finanzgericht zunächst geprüft, ob die vom Bg. geltend gemachten Bausparkassenbeiträge überhaupt als prämienbegünstigte Aufwendungen des Kalenderjahres 1954 anerkannt werden können im Hinblick darauf, daß die Vertragsurkunde über den Bausparvertrag das Datum vom 6. Januar 1955 trägt. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Vorentscheidung sind jedoch rechtlich insoweit bedenklich, als die Vorinstanz der Vordatierung des Vertragsbeginns auf den 1. Dezember 1954 Bedeutung beigemessen hat. Nach der in allen Fassungen des Gesetzes unverändert gebliebenen Ziff. 1 des § 2 Abs. 1 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) sind prämienbegünstigt Beiträge an Bausparkassen zur Erlangung von Baudarlehen. Nach einer dem Sinn dieser Vorschrift entsprechenden Auslegung kommt es dabei nicht nur darauf an, in welcher Absicht Zahlungen an eine Bausparkasse geleistet werden; die Zahlungen müssen vielmehr grundsätzlich im Rahmen eines zwischen dem Prämienberechtigten und der Bausparkasse bestehenden Vertragsverhältnisses geleistet werden. Wäre tatsächlich im Streitfall, wovon die Vorentscheidung ausgeht, der Bausparvertrag erst am 6. Januar 1955 abgeschlossen worden, so hätten im Kalenderjahr 1954 keine prämienbegünstigten Aufwendungen auf diesen Vertrag geleistet werden können. Die im Vertrag vereinbarte Rückwirkung auf den 1. Dezember 1954 könnte prämienrechtlich nicht anerkannt werden. Der für das Steuerrecht allgemein bestehende Grundsatz, daß vertragliche Rückbeziehungen in der Regel unbeachtlich sind, gilt im besonderen Masse auch für das Prämienrecht; denn hier ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in mancher Beziehung von weittragender Bedeutung. Es ist zum Beispiel gerade die Frage, ob ein Bausparvertrag vor dem 1. Januar 1955 oder nach dem 31. Dezember 1954 abgeschlossen wurde, entscheidend dafür, ob für die ab 1955 geleisteten Aufwendungen die Mißbrauchsverhütungsvorschrift des § 2 Abs. 2 WoPG 1955 gilt oder nicht (vgl. § 10 Abs. 3 WoPG 1955 und hierzu Abschn. 27 Abs. 2 der Richtlinien zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes - WoPR - 1956).
Der Vorinstanz ist jedoch im Ergebnis darin zu folgen, daß Aufwendungen, die ein Prämienberechtigter vor Jahresende leistet, als prämienbegünstigte Aufwendungen dieses Jahres anzuerkennen sind, wenn der Prämienberechtigte vor Jahreswechsel von sich aus alles getan hat, um den Vertragsabschluß herbeizuführen. Im Streitfall ist auch bürgerlich-rechtlich der Vertrag noch im Jahre 1954 zustande gekommen. Nach bürgerlichem Recht wird der Vertrag wirksam durch Annahme des Vertragsantrages (vgl. §§ 145 ff. BGB). Wenn auch eine Annahme des Vertragsantrages grundsätzlich eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, so macht § 151 BGB hiervon jedoch eine Ausnahme. Die Annahmeerklärung ist u. a. dann nicht empfangsbedürftig, wenn der Antragende auf sie verzichtet hat. Ein solcher Verzicht kann sich auch stillschweigend aus den Umständen ergeben. Dies ist insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen es dem Antragenden auf einen beschleunigten Vertragsabschluß ankommt (vgl. Palandt, BGB, 19. Aufl., § 151 Anm. 3). So aber liegen die Verhältnisse im Streitfall. Im Hinblick auf die bereits am 29. Dezember 1954 geleistete Zahlung war klar, daß es dem Bg. auf einen Vertragsabschluß noch im Jahre 1954 entscheidend ankam. Als daher der Vertragsantrag bei der Bausparkasse am 31. Dezember 1954 einging, konnte er sofort wirksam angenommen werden. Die Vertragsurkunde vom 6. Januar 1955 enthält demnach nur eine Bestätigung des bereits am 31. Dezember 1954 geschlossenen Vertrags.
Steht somit fest, daß der Bg. im Kalenderjahr 1954 prämienbegünstigte Aufwendungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 WoPG 1952 geleistet hat, so ist nunmehr über die weitere Frage zu entscheiden, ob der Prämienantrag verspätet gestellt und ggf. Nachsicht zu gewähren war. Gemäß § 4 Abs. 2 WoPG 1952 ist der Prämienantrag spätestens zu dem Zeitpunkt zu stellen, in dem die allgemeine Einkommensteuererklärungsfrist für das Jahr der Aufwendungen endet. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Antragsfrist auch für solche Prämienberechtigten gilt, die keine Einkommensteuererklärung abzugeben brauchen. Die Rechtsprechung hat bezüglich der Anträge auf Veranlagung nach § 46 EStG, die ebenfalls innerhalb der allgemeinen Einkommensteuererklärungsfrist zu stellen sind, entschieden, daß die Frist mit dem Zeitpunkt endet, in dem der Großteil der Steuererklärungen eingegangen ist (vgl. die Entscheidung des Senats VI 117/55 U vom 8. März 1957, BStBl 1957 III S. 190, Slg. Bd. 64 S. 509). Entsprechendes muß auch für die Frist des § 4 Abs. 2 WoPG gelten. Auch dieser Zeitpunkt war jedoch am 9. Dezember 1955, als der Prämienantrag des Bg. bei der Bausparkasse einging, bereits verstrichen, nachdem die allgemeine Einkommensteuererklärungsfrist für 1954 schon am 15. Mai 1955 geendet hatte (vgl. Erlaß des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 25. März 1955, BStBl 1955 II S. 73). Da nicht etwa schon in der bei Abschluß des Bausparvertrages am 28. Dezember 1954 vom Bg. geäußerten Absicht, er werde die Wohnungsbauprämie beantragen, die Stellung eines Prämienantrages erblickt werden kann, sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, daß der Prämienantrag des Bg. verspätet gestellt worden war. Es fragt sich nun, ob wegen der Versäumung der Frist des § 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG 1952, die als rechtsmittelähnliche Frist anzusehen ist, Nachsicht zu gewähren war.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt allerdings zu Recht, daß das Finanzgericht nicht habe davon ausgehen können, der Bg. habe auf die für buchführende Landwirte bis zum 29. Februar 1956 verlängerte Steuererklärungsfrist vertraut; denn aus den Akten ergibt sich eindeutig, daß der Bg. diese Frist nicht gekannt hat und sie deshalb auch nicht für maßgeblich halten konnte. Der Bg. hat dies auch niemals behauptet. Er hat immer nur geltend gemacht, er habe nicht annehmen können, daß für ihn eine andere Frist gelte als für seine Mutter. Hieraus ergibt sich nicht, daß er gewußt hat, welche Frist für den Prämienantrag seiner Mutter maßgeblich war. Der Sachverhalt liegt vielmehr so, daß der Bg. sowie seine Mutter ohne Kenntnis der Fristen im einzelnen auf Grund der behaupteten äußerung des Angestellten M. geglaubt haben, es genüge, wenn die Anträge bis zum Ende des Kalenderjahres 1955 gestellt würden. Es fragt sich, ob dies ausreicht, um dem Bg. Nachsicht im Sinne der §§ 86, 87 AO zu gewähren.
Der Senat hält eine Zurückweisung an die Vorinstanz deshalb, weil diese bezüglich der behaupteten äußerung des Angestellten M. nicht Beweis erhoben hat, nicht für erforderlich; denn aus den Akten und aus der widerspruchslosen Annahme der Prämienanträge durch M. ergibt sich, daß dieser die Frist für beide Prämienanträge als gewahrt angesehen hat, sei es, weil er glaubte, daß die Erklärungsfrist für Landwirte gelte, sei es, daß er aus sonstigen Gründen die Antragstellung als rechtzeitig angesehen hat. Ist somit davon auszugehen, daß der Bg. sich auf die ihm als amtlich erscheinende Meinung des Angestellten M. verlassen hat, so kann dem Bg. Nachsicht gewährt werden. Denn er befand sich damit nicht in einem rechtlich unbeachtlichen Irrtum über materielles Recht, sondern er irrte im Hinblick auf formelles Recht, nämlich den Lauf der Frist. Ein solcher Irrtum kann Nachsicht begründen, wenn er unverschuldet ist (vgl. Urteil des Senats VI 175/59 U vom 22. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 178, Slg. Bd. 70, S. 474). Der Begriff des Verschuldens im Sinne von § 86 AO ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nicht zu weit zu fassen. Auch die Finanzverwaltung hat in Einzelverfügungen (vgl. Der Betriebs-Berater 1957 S. 538) angeordnet, daß bei der Nachsichtgewährung großzügig zu verfahren ist, wenn der Prämienberechtigte steuerrechtlich ungewandt ist und die Prämie erstmals beantragt. Wenn der Bg. sich auf den Angestellten M. als Exponenten der Bausparkasse und auf dessen Sachkenntnis verlassen hat, so ist das ein Umstand, der geeignet ist, die Fristversäumung zu entschuldigen. Auf ein etwaiges Verschulden des Angestellten M. kommt es dabei nicht an, da dieser nicht als Vertreter des Bg. im Sinne von § 86 Satz 2 AO gehandelt hat.
Im Ergebnis konnte somit die Rb. des Vorstehers des Finanzamts keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409976 |
BStBl III 1961, 175 |
BFHE 1961, 479 |
BFHE 72, 479 |