Leitsatz (amtlich)
1. Aufwendungen für die Durchführung der auf eine Ehescheidung folgenden Regelung der Vermögensverhältnisse der früheren Ehegatten sind Kosten der Lebensführung. Solche Aufwendungen sind auch dann nicht Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung seiner beruflichen Sphäre infolge der Ehescheidung einer raschen und großzügigen Regelung zugestimmt hat.
2. Derartige Folgekosten einer Ehescheidung können auch nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, § 33
Tatbestand
Streitig ist, ob die mit einer Ehescheidung zusammenhängenden Aufwendungen als Betriebsausgaben oder als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist freiberuflicher Zahnarzt. Er war mit einer Zahnärztin verheiratet, die in seiner Zahnarztpraxis mit tätig war. Im April 1970 wurde der Kläger aus alleinigem Verschulden geschieden. In der Einkommensteuererklärung 1970 machte er als Kosten anläßlich der Ehescheidung einen Betrag von insgesamt 18 061 DM sowie 483 DM Kosten für die Bestattung seiner Mutter als außergewöhnliche Belastung geltend. Davon erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) nach einer Betriebsprüfung die Aufwendungen für außergerichtliche vermögensrechtliche Auseinandersetzungen mit seiner Ehefrau (Gutachtergebühren und Rechtsanwaltskosten) und für Testamentsänderungen in Höhe von 13 229 DM nicht als außergewöhnliche Belastungen i. S. des § 33 EStG an. Die verbleibenden Aufwendungen in Höhe von 5 314 DM (insbesondere Gerichts- und Anwaltskosten der Ehescheidung) blieben bei der Einkommensteuerveranlagung unberücksichtigt, weil sie die zumutbare Eigenbelastung nicht überstiegen, obwohl das FA sie als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG beurteilte.
Die Sprungklage, mit der der Kläger die mit der Ehescheidung zusammenhängenden Kosten in erster Linie als Betriebsausgaben, nämlich als Aufwendungen zur Abwehr einer seine berufliche Existenz bedrohenden Schädigung seines guten Rufes, hilfsweise neben den Bestattungskosten für seine verstorbene Mutter als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht hatte, wies das FG als unbegründet zurück (EFG 1974, 422). Da eine Ehescheidung immer die private und nicht die berufliche Sphäre eines Steuerpflichtigen betreffe, so führte das FG aus, seien die Kosten gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das gelte auch, wenn durch das Bestehenbleiben einer zerrütteten Ehe die berufliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen beeinträchtigt würde oder wenn ein Ehegatte mit Rücksicht auf seinen Beruf sich mit Forderungen des anderen Ehegatten einverstanden erkläre, die im Zusammenhang mit der Ehescheidung erhoben würden. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen seien auch nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 21. März 1958 VI 14/54 U, BFHE 67, 146, BStBl III 1958, 329, und vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407) kämen zwar die Kosten eines Ehescheidungsprozesses als außergewöhnliche Belastung in Betracht; dies gelte aber nur für die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Ehescheidung selbst. Für weitere, mit einer Ehescheidung zusammenhängende außergerichtliche Kosten fehle es an der Zwangsläufigkeit. Während eine Ehe nur durch einen Prozeß- mit rechtsgestaltendem Ehescheidungsurteil - geschieden werden könne, so daß die Aufwendungen hierfür zwangsläufig entstünden, sei dies für die weiteren Kosten (z. B. für die Kosten einer Vermögensauseinandersetzung oder einer Testamentsabänderung sowie für die Kosten einer Abschätzung von Vermögensgegenständen) nicht der Fall. Derartige Vereinbarungen und Regelungen könnten sehr wohl ohne Zivilprozeß und ohne die Einschaltung von Anwälten oder Sachverständigen getroffen werden. Der Umstand, daß ein zur Ehescheidung entschlossener Ehepartner sich in der Regel der Einschaltung von Anwälten für die vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen nicht entziehen könne bzw. daß er sich meist für diese Zwekke der Mitwirkung eines Anwalts bediene, könne nicht entscheidend sein.
Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 4 Abs. 4 EStG sowie des § 33 EStG und führt aus: Zu Unrecht habe das FG die mit der Ehescheidung unmittelbar und mittelbar zusammenhängenden Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Es habe die vom Kläger vorgetragenen Absichten und Drohungen seiner früheren Ehefrau, seine berufliche Existenz zu vernichten, offenbar nicht ernst genommen und sie rechtlich nicht entsprechend gewürdigt.- Zumindest seien die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen. Der BFH habe bei der Berücksichtigung von Ehescheidungskosten als außergewöhnliche Belastung keinen Unterschied zwischen direkten und indirekten Prozeßkosten gemacht. Vielmehr deute der BFH in dem auch vom FG zitierten Urteil vom 19. Oktober 1962 VI 159/61 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 164, HFR 1963, 137) an, daß er auch die weiteren Ehescheidungskosten als außergewöhnliche Belastung anerkenne. Die Begründung des FG, daß Vermögensauseinandersetzungen auch sehr wohl ohne die Einschaltung von Sachverständigen erfolgen könnten, widerspreche den allgemeinen Auslegungsund Erfahrungssätzen. Bei der Prüfung der Zwangsläufigkeit sei es auch bedeutsam, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter in dem Prozeß sei, dessen Kosten er zu tragen habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die im Zusammenhang mit der Ehescheidung entstandenen Kosten in Höhe von 18 061 DM als Betriebsausgaben, hilfsweise - neben den Kosten für die Bestattung seiner Mutter in Höhe von 483 DM - als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Aufwendungen für die gerichtliche Ehescheidung und für die auf die Ehescheidung folgenden Regelungen der Vermögensverhältnisse der früheren Ehegatten sind - wovon das FG zu Recht ausgegangen ist - Kosten der Lebensführung und nicht Betriebsausgaben; Betriebsausgaben sind nur die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG).
Die geltend gemachten Kosten sind insbesondere nicht unter dem vom Kläger angeführten Gesichtspunkt der Abwehr eines wegen der Gefährdung seines Rufes drohenden beruflichen Schadens als Betriebsausgaben abzugsfähig. Der BFH hat zwar grundsätzlich die Möglichkeit anerkannt, daß Aufwendungen, die ein Kaufmann zur Wahrung seines geschäftlichen guten Rufs als Kaufmann macht, Betriebsausgaben bilden können (vgl. Urteile vom 22. September 1959 I 55/59, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 292, und vom 18. April 1972 VIII R 12/66, BFHE 106, 187, BStBl II 1972, 757, mit weiteren Nachweisen). Auch wenn man davon ausgeht, daß entsprechende Überlegungen auf einen freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen anzuwenden sind, kommt im Streitfall ein Abzug der vom Kläger geltend gemachten Kosten als Betriebsausgaben nicht in Betracht. Die Aufwendungen des Klägers hatten ihre Ursache nicht in seiner Tätigkeit als Zahnarzt; sie dienten nicht der Beseitigung eines beruflichen Makels. Vielmehr waren sie durch die zum privaten und nicht zum beruflichen Lebensbereich des Klägers gehörende Regelung seiner familien- und erbrechtlichen Verhältnisse bedingt.
Die Rüge des Klägers, das FG habe die sich aus den Akten ergebenden Absichten und Drohungen seiner früheren Ehefrau nicht hinreichend gewürdigt, ist damit gegenstandslos. Selbst wenn man die vom Kläger behauptete Gefahr für seine berufliche Existenz durch die von ihm befürchtete Schädigung seines Rufes unterstellt, so folgt daraus nicht eine berufliche Veranlassung der Aufwendungen. Das gälte selbst dann, wenn der fachliche Ruf des Klägers bedroht gewesen wäre; denn die Aufwendungen des Klägers dienten unmittelbar nur der Durchführung der Ehescheidung und der in ihrem Gefolge auftretenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzung. An dem privaten Charakter dieser Vorgänge ändert auch nichts, daß die frühere Ehefrau des Klägers zusammen mit ihm in einer Praxis tätig war. Noch weniger läßt sich eine berufliche Veranlassung der Aufwendungen dann begründen, wenn der berufliche Schaden als Folge allgemein-menschlicher und gesellschaftlicher Wertungen zu befürchten gewesen wäre, etwa deshalb, weil bestimmte Patienten einem schuldig geschiedenen Arzt gegenüber kein Vertrauen mehr aufbringen würden. Eine sich daraus ergebende Beeinträchtigung seiner beruflichen Entwicklung würde nicht auf beruflichen, sondern auf außerberuflichen Ereignissen beruhen und gehörte daher zur privaten Sphäre des Klägers. Es mag auch sein, daß eine rasche und den Forderungen der früheren Ehefrau des Klägers entgegenkommende Regelung der anstehenden Fragen dem Beruf des Klägers allgemein förderlich war; dies war jedoch allenfalls eine mittelbare Folge der Bemühungen des Klägers. Im übrigen wurde, wie sich aus dem - vom FG in Bezug genommenen - Protokoll über den Erörterungstermin beim FG vom 4. Februar 1974 ergibt, die Zuziehung der Anwälte und des Sachverständigen im Anschluß an die Scheidung aus berufsfremden Gründen für notwendig gehalten, u. a. deshalb, weil die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatten, weil erhebliche Vermögensgegenstände vorhanden waren und weil das vorhandene notarielle Testament der Ehegatten nur durch notariellen Vertrag bzw. Testament abgeändert werden konnte.
2. Der Vorentscheidung ist auch darin zuzustimmen, daß die vom Kläger für die außergerichtliche vermögensrechtliche Auseinandersetzung und für die Testamentsänderung aufgewandten Kosten keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer in bestimmter Weise ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen. Zwangsläufig erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies trifft auf die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nicht zu. Der VI. Senat des BFH hat zwar anerkannt, daß Ehescheidungskosten einem Steuerpflichtigen grundsätzlich zwangsläufig i. S. des § 33 EStG entstehen, weil eine Ehe zu Lebzeiten nur durch eine gerichtliche Entscheidung gelöst werden kann (Urteile VI R 239/67 und vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111). Jedenfalls kann nach Auffassung des erkennenden Senats (insoweit übereinstimmend mit dem Urteil des VI. Senats VI R 22/72) eine "Zwangsläufigkeit" i. S. des § 33 EStG nur hinsichtlich solcher Kosten der Ehescheidung bejaht werden, die unmittelbar und unvermeidbar durch die prozessuale Durchführung des Ehescheidungsverfahrens entstehen. Dazu gehören aber keinesfalls Kosten der Regelung der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung, die sich als Folge der Ehescheidung ergibt. Dem BFH-Urteil VI 159/61 kann nichts anderes entnommen werden. Diese Entscheidung befaßt sich nicht mit der vorliegenden Streitfrage. Sie stellt lediglich die Besonderheiten des Ehescheidungsprozesses gegenüber den anderen Zivilprozessen heraus, die eine andere steuerrechtliche Beurteilung der Prozeßkosten rechtfertigten. Es ist zwar richtig, daß einer Ehescheidung in der Regel vermögensrechtliche Auseinandersetzungen folgen. Deshalb sind daraus erwachsene Kosten jedoch keine Kosten des Ehescheidungsprozesses. Es mag auch sein, daß die Einschaltung von Rechtsanwälten und Gutachtern zur Regelung der Vermögensverhältnisse zweckmäßig ist; dies begründet jedoch keine objektive Zwangslage, wie sie der Begriff der Zwangsläufigkeit i. S. des § 33 EStG erfordert. Zu Recht hat die Vorinstanz ausgeführt, daß Vereinbarungen und Regelungen vermögensrechtlicher Art ohne Zivilprozeß und ohne Einschaltung von Anwälten und Sachverständigen getroffen werden können. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es deshalb auch nicht auf die Parteistellung in einem solchen Zivilprozeß an. Der Kläger kann sich mit Erfolg auch nicht auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 18. Februar 1974 IX L 18/72 (EFG 1974, 367) berufen, weil das FG - anders als im Streitfall - die Zwangsläufigkeit von Rechtsanwaltskosten eines von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beurteilen hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 72299 |
BStBl II 1977, 462 |
BFHE 1977, 440 |
NJW 1977, 1551 |