Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Eigenverbrauch bei einem kommunalen Wasserwerk
Leitsatz (NV)
Die Entnahme von Wasser durch eine Stadt aus ihrem Wasserwerk ist ein umsatzsteuerpflichtiger Eigenverbrauch, der nach den Selbstkosten bemessen wird.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Stadt, unterhielt in den Streitjahren (1980 bis 1984) ein als Betrieb gewerblicher Art organisiertes Wasserwerk, mit dem sie die Verbraucher des Stadtgebietes mit Wasser versorgte. Für das in den hoheitlichen Bereich entnommene Wasser gewährte das Wasserwerk der Klägerin einen Preisnachlaß in Höhe von 10 v. H. des allgemeinen Tarifpreises.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) vertrat die Auffassung, die Klägerin habe mit der untertariflichen Wasserlieferung Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Umsatzsteuer gesetzes (UStG) 1980 verwirklicht, der mit dem gemeinen Wert, dem Tarifpreis abzüglich der Umsatzsteuer, zu bemessen sei. Demgemäß setzte das FA die Umsatzsteuer für die Streitjahre fest.
Die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) bestehen keine Zweifel daran, daß ein fremder Wasserwerkserwerber für das der Stadt zu liefernde Wasser nur einen um 10 v. H. unterhalb des Tarifpreises liegenden Preis bezahlt hätte.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung materiellen Rechts (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980) stützt. Entscheidung für die Bemessung -- so führt das FA zur Begründung aus -- eines derartigen Umsatzes nach dem Teilwert oder gemeinen Wert sei die Behandlung nach ertragsteuerlichen Grundsätzen. Entgegen der Rechtsauffassung des FG führe die Überlassung von Wasser durch das Wasserwerk der Klägerin an deren Hoheitsbereich ertragsteuerlich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Es liege ein Vermögensvorteil vor, der ausschließlich auf die Beziehungen bei der Klägerin zwischen deren Wasserwerk und ihrem Hoheitsbereich zurückzuführen sei. Verdeckte Gewinnausschüttungen seien mit dem gemeinen Wert anzusetzen, der damit auch für die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage entscheidend sei. Gemeiner Wert sei hier der übliche Tarifpreis und nicht der im Streitfall um 10 v. H. geminderte Betrag bei der Lieferung von Wasser an den hoheitlichen Bereich der Klägerin. Persönliche Verhältnisse seien beim gemeinen Wert nicht zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Zutreffend hat das FG in der Abgabe des Wassers durch das Wasserwerk der Klägerin an ihren hoheitlichen Bereich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980 steuerbaren Eigenverbrauch gesehen; denn die ständige Rechtsprechung des Senats unterscheidet bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zwischen der umsatzsteuerlich relevanten Betätigung im Betrieb gewerblicher Art und der umsatzsteuerlich irrelevanten Tätigkeit im übrigen (vorzugsweise hoheitliche Tätigkeit; vgl. Senatsentscheidung vom 20. Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176). Das Wasser ist ein Gegenstand, den die Klägerin aus ihrem Unternehmen für Zwecke entnommen hat, die außerhalb des Unternehmens liegen.
2. Das FG hat als Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch zu Recht den um 10 v. H. geminderten Tarifpreis als Selbstkosten der Klägerin zugrunde gelegt.
Der Senat kann unerörtert lassen, ob der Eigenverbrauch einer Körperschaft öffentlichen Rechts durch Entnahme von Gegenständen aus ihrem Betrieb gewerblicher Art nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 mit dem Teilwert oder dem gemeinen Wert anzusetzen ist.
Denn die Klägerin kann sich auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richt linie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern -- Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage -- 6. EG-Richtlinie -- berufen (vgl. zur Berufung auf Vorschriften der EG- Richtlinien Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 22. Juni 1989 Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839; vom 14. Juli 1988 Rs. 207/87, Slg. 1988, 4433; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223, Umsatzsteuer-Rundschau 1987, 355).
Nach der genannten Vorschrift ist die Besteuerungsgrundlage für einen Eigenverbrauch durch Gegenstandsentnahme der Einkaufspreis oder falls ein solcher nicht vorhanden ist, der Selbstkostenpreis im Zeitpunkt der Entnahme (vgl. Söhn, Deutsche Steuer-Zeitung -- DStZ -- 1987, 367; Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 10 Bem. 327 und 328 m. w. N.).
3. Das FG hat seine Entscheidung ausdrücklich -- auch -- auf die Vorschrift des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG- Richtlinie gestützt. Seine den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen sind so zu verstehen, daß das FG als Bemessungsgrundlage den um den Gewinnaufschlag geminderten allgemeinen Tarifpreis als Selbstkostenpreis der Klägerin angesetzt hat. Übereinstimmend damit umfassen die Selbstkosten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht den Unternehmergewinn; denn der Gewinnanteil gehört nicht zur Wertabgabe durch das Unternehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 3. November 1983 V R 4/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169; vom 9. März 1972 V R 142/68, BFHE 105, 193, BStBl II 1972, 511; vgl. Söhn, DStZ 1987, 367, 369 m. w. N.).
Fundstellen