Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskosten bei Einsatzwechseltätigkeit mit Unterkunft am Ort der Einsatzstelle
Leitsatz (NV)
Hat ein Arbeitnehmer an einer auswärtigen wechselnden Einsatzstelle eine Unterkunft genommen, so kann er wählen, ob er die Aufwendungen für sämtliche Fahrten mit dem Kfz zwischen seiner Heimat wohnung und der Einsatzstelle nach den Grundsätzen der Einsatzwechseltätigkeit (tatsächliche Fahrtkosten für die ersten drei Monate) oder die notwendigen Mehraufwendungen nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung (nur eine Familienheimfahrt pro Woche, Unterkunftskosten, Verpflegungsmehraufwendungen) als Werbungskosten geltend machen will.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der verheiratete Kläger und Revisions beklagte (Kläger) ist Montagearbeiter. Er war im Streitjahr 1987 ausschließlich auf fünf verschiedenen Baustellen jeweils durchschnittlich sieben bis acht Wochen tätig. Die Entfernung von seiner Wohnung zu den Baustellen betrug zwischen 225 km bis 350 km. Während der Woche war der Kläger in Unterkünften in der Nähe der jeweiligen Baustellen untergebracht. Der Kläger machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer- Jahresausgleich durch Benutzung des eigenen Pkw entstandene Fahrtkosten in Höhe von ... DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte lediglich für die jeweils erste Hinfahrt und letzte Rückfahrt zwischen dem Familienwohnsitz und den Unterkünften 0,42 DM pro gefahrenen Kilometer und im übrigen 0,36 DM pro Entfernungskilometer als Werbungskosten an.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Die Einschränkungen des Werbungskostenabzugs durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuer gesetzes (EStG) seien auf Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Einsatzstellen nicht anzuwenden, weil sie einen Typus von Fahrten beträfen, der von dieser Vorschrift nach ihrem Zweck nicht erfaßt werden solle.
Das FA stützt seine vom FG zugelassene Revision auf eine Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.
Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage gegen den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten teilweise vorläufigen Bescheid vom 18. Februar 1991 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, in Fällen der wechselnden doppelten Haushaltsführung seien die tatsächlichen Fahrtkosten jedenfalls dann anzuerkennen, wenn die Einsatzstellen mehr als 120 km bzw. 180 km von der Wohnung entfernt seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht angenommen, der Kläger könne im Rahmen seiner Einsatzwechsel tätigkeit neben der steuerfreien Erstattung der Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung die tatsächlichen Pkw-Fahrt kosten als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) geltend machen. Der Kläger hat vielmehr ein Wahlrecht, ob er entweder die Fahrtkosten, die nach den für die Einsatzwechseltätigkeit geltenden Grundsätzen berechnet werden, oder aber Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehen will.
Die Beteiligten und das FG gehen zutreffend davon aus, daß der Kläger seine Arbeit auf wechselnden Einsatzstellen ausgeübt hat. Die vom Kläger ausgeübte Einsatzwechseltätigkeit hat die Besonderheit aufgewiesen, daß er nicht arbeitstäglich von seinem Lebensmittelpunkt zur jeweiligen Einsatzstelle gefahren ist, sondern auf den jeweiligen Einsatzstellen (Baustellen) bzw. in deren Nähe übernachtet hat. Der Senat hat mit Urteil vom 10. Oktober 1994 VI R 2/92 (BFHE 175, 553, BStBl II 1995, 137) an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten. Nach dem Urteil vom 9. Juni 1988 VI R 85/85 (BFHE 154, 59, BStBl II 1988, 990) kann der Steuerpflichtige mit einer regelmäßigen, dauerhaften Arbeitsstätte und einer Wohnung sowohl am Beschäftigungsort als auch an einem davon abweichenden Lebensmittelpunkt wählen, ob er Aufwendungen für sämtliche Fahrten mit dem Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG oder die notwendigen Mehraufwendungen aus Anlaß der doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG geltend macht. Für den Fall der doppelten Haushaltsführung im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit kann nichts anderes gelten. Dabei kann der Steuerpflichtige, wenn er sich für den Abzug der Fahrt kosten entscheidet, bei Einsatzstellen außerhalb des üblichen Wohneinzugsbereichs innerhalb der ersten drei Monate die tatsächlichen Kosten abziehen (vgl. Abschn. 24 Abs. 4 Nr. 3 der Lohnsteuer- Richtlinien 1987). Wegen der Einzelheiten der Begründung dieser Rechtsauffassung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil in BFHE 175, 553, BStBl II 1995, 137 Bezug genommen. Die vom Kläger gewünschte weitergehende Differenzierung ist mit den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen nicht vereinbar.
Die Vorentscheidung ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, sein Wahlrecht auszuüben. Entscheidet sich der Kläger für die Besteuerung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, so verbleibt es bei dem angefochtenen Steuerbescheid. Sollte der Kläger es vorziehen, für die jeweils ersten drei Monate auf einer Einsatzstelle die tatsächlichen Fahrtkosten geltend zu machen, so wären eventuelle steuerfreie Erstattungen des Arbeitgebers oder unentgeltliche Nutzungsüberlassungen als Arbeitslohn (§ 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu erfassen. Denn anderenfalls hätte der Kläger bezüglich der Fahrtkosten die Vorteile nach den Grundsätzen der Fahrten zwischen Wohnung und wechselnden Einsatzstellen und behielte außerdem teilweise die Vorteile des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 420630 |
BFH/NV 1995, 776 |