Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn einer Betriebsaufgabe
Leitsatz (NV)
Veräußert ein Steuerpflichtiger alle wesentlichen und unwesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebs innerhalb von drei Monaten, so kann der Beginn der Betriebsaufgabe bereits im Verkauf unwesentlicher Betriebsgrundlagen liegen.
Normenkette
EStG § 16
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH und Co. KG, war Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem Wohnhaus und zwei Fabrikhallen bebaut war. Im Jahr 1988 verlagerte sie die Produktion von diesem Grundstück in angemietete Räume. Am 1. September 1989 teilte die Klägerin dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) mit, die Gesellschafterversammlung habe am 31. August 1989 beschlossen, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens aufzugeben.
Mit notariellem Vertrag vom 4. September 1989 verkaufte die Klägerin das Grundstück. Der Verkauf führte zur Aufdeckung von erheblichen stillen Reserven. Am 12. Dezember 1989 verkaufte die Klägerin sämtliche Maschinen, Hilfsaggregate, Werkzeuge und Einrichtungsgegenstände. Die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halb- und Fertigerzeugnisse, den Schrott sowie zwei Pkw erwarb am selben Tag ein Kommanditist der Klägerin, der zudem das Personal und gegen Entgelt die Verpflichtungen aus dem Mietvertrag übernahm. Die Produktion wurde erst mit der Veräußerung des Betriebsvermögens im Dezember 1989 eingestellt.
Das FA behandelte den durch die Grundstücksveräußerung entstandenen Gewinn bei der Feststellung der Einkünfte der Klägerin nicht als tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn. Dementsprechend unterwarf es ihn im angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheid der Gewerbesteuer. Das Grundstück habe nach der Verlagerung der Produktion für den Betrieb keine Funktion mehr gehabt. Mit dem Verkauf einer unwesentlichen Betriebsgrundlage könne eine Betriebsaufgabe aber ebensowenig beginnen wie durch die bloße Erklärung eines Einzelunternehmers bzw. den Auflösungsbeschluß einer Gesellschafterversammlung. Erste tatsächliche Handlungen, mit denen objektiv die Auflösung des Betriebs durchgeführt worden sei, seien die Verkäufe der wesentlichen Betriebsteile am 12. Dezember 1989 gewesen. Der zeitlich früher liegende Grundstücksverkauf sei dagegen der laufenden Geschäftstätigkeit der Klägerin zuzuordnen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 1030). Die Veräußerung betrieblich nicht unerläßlicher Wirtschaftsgüter zeitlich vor dem Verkauf der wesentlichen Betriebsteile sei jedenfalls dann Teil der Betriebsaufgabe, wenn sie nach der ausdrücklich erklärten Aufgabe zeitnah mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit erfolge und das Wirtschaftsgut den wesentlichen Teil der im Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven enthalte.
Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe zu Unrecht bei der Frage des Beginns der Betriebsaufgabe auf die Willenskundgebung der Gesellschafterversammlung anstatt auf objektive Aufgabehandlungen abgestellt. Dies seien nur Maßnahmen, die sich auf die Auflösung des Betriebs als wirtschaftlichem Organismus richteten. Handlungen, die das Funktionieren eines Betriebs nicht beeinflußten, seien dagegen für den Aufgabetatbestand ohne Bedeutung. Der Grundstücksverkauf sei eine solche bedeutungslose Maßnahme gewesen, denn der Betrieb habe ohne das Grundstück fortgeführt werden können.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Der Gewinn aus dem Grundstücksverkauf ist dem Veräußerungsgewinn hinzuzurechnen.
1. Nach §16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn, der bei der Aufgabe eines Betriebs erzielt wird. Bei der Ermittlung des tarifbegünstigten Aufgabegewinns sind die Veräußerungspreise anzusetzen, wenn die einzelnen, dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter "im Rahmen der Aufgabe des Betriebs" veräußert werden (§16 Abs. 3 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung; jetzt Satz 3). Im Streitfall wurde das Grundstück "im Rahmen der Aufgabe des Betriebs" veräußert. Die Würdigung des FG (§118 Abs. 2 FGO), daß der Verkauf dem Betriebsaufgabevorgang zuzurechnen sei, ist im Ergebnis zutreffend.
Veräußert ein Steuerpflichtiger mit dem Ziel, den Betrieb aufzugeben, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d.h. innerhalb kurzer Zeit, einzeln an mehrere Erwerber, so liegt eine Aufgabe des ganzen Betriebs vor (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. April 1989 III R 9/87, BFHE 157, 355, BStBl II 1989, 874; vom 22. Oktober 1992 III R 7/91, BFH/NV 1993, 358, und vom 21. August 1996 X R 78/93, BFH/NV 1997, 226).
Veräußert er -- wie im Streitfall innerhalb von drei Monaten -- sämtliche wesentlichen und unwesentlichen Wirtschaftsgüter innerhalb kurzer Zeit, verbleibt kein selbständiger Organismus, der noch als Betrieb angesehen werden könnte. Das gilt unabhängig davon, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Veräußerungen vorgenommen werden. Die Rechtsprechung hat eine zeitlich gestreckte Abwicklung des Betriebs mit der Begründung zugelassen, daß eine gewisse Zeit für die praktische Abwicklung unerläßlich sei. Der Steuerpflichtige soll nicht aus steuerlichen Gründen zur raschen Verschleuderung von Vermögen gezwungen werden (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 1966 VI 118/65 und VI 119/65, BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70, und vom 26. Mai 1993 X R 101/90, BFHE 171, 468, BStBl II 1993, 710). Aus diesem Grund bleibt auch die Art und Weise der praktischen Abwicklung eines Betriebs innerhalb des Abwicklungszeitraums dem Steuerpflichtigen überlassen. Es ist daher unschädlich, wenn ein Steuerpflichtiger zunächst die für den Betrieb nicht unerläßlichen Wirtschaftsgüter veräußert.
Entgegen der Ansicht des FA steht dem die bisherige Rechtsprechung des BFH zum Beginn einer Betriebsaufgabe nicht entgegen (vgl. BFH-Urteile vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, BStBl II 1984, 711; in BFHE 157, 355, BStBl II 1989, 874; in BFHE 171, 468, BStBl II 1993, 710; vom 9. September 1993 IV R 30/92, BFHE 172, 344, BStBl II 1994, 105, und vom 21. Oktober 1993 IV R 42/93, BFHE 173, 285, BStBl II 1994, 385). Die Entscheidungen führen die Veräußerung eines für den Betrieb unerläßlichen Wirtschaftsguts ausdrücklich nur als ein wesentliches Indiz für den Beginn des Betriebsaufgabezeitraums an. Dies schließt es nicht aus, aus anderen Umständen darauf zu schließen, daß ein Steuerpflichtiger mit der Aufgabe begonnen hat.
Solche Umstände lagen im Streitfall vor. Die Klägerin hat die Betriebsaufgabe vor der Veräußerung des Grundstücks beschlossen und dies dem FA zeitnah mitgeteilt. Dies ist -- in Verbindung mit der nachfolgenden Veräußerung des gesamten Betriebsvermögens der Klägerin innerhalb von drei Monaten -- ein hinreichendes Indiz dafür, daß das Grundstück im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußert wurde. Hinzu kommt, daß das Grundstück aufgrund der in ihm enthaltenen stillen Reserven eine wesentliche Betriebsgrundlage war (vgl. BFH- Urteile vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92, BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409, m.w.N., und vom 2. Oktober 1997 IV R 84/96, BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104, BFH/NV 1998, 386).
2. Als Teil des Aufgabegewinns unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks nicht der Gewerbesteuer. Er gehört nicht zum Gewerbeertrag i.S. von §7 des Gewerbesteuergesetzes (vgl. BFH- Urteile vom 28. Februar 1990 I R 92/86, BFHE 160, 262, BStBl II 1990, 699, und vom 3. Februar 1994 III R 23/89, BFHE 174, 372, BStBl II 1994, 709).
Fundstellen
Haufe-Index 67487 |
BFH/NV 1998, 1211 |