Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwischenvermietung von Eigentumswohnungen
Leitsatz (NV)
Die Verlagerung des Vermieterrisikos rechtfertigt eine Zwischenvermietung von 42 Eigentumswohnungen nicht, wenn sich der Eigentümer bereits vor dem Abschluß der Zwischenvermietung gegen Mietausfälle durch eine Ausfallgarantie gegen derartige Risiken abgesichert hatte.
Normenkette
UStG 1973 § 4 Nr. 12a, §§ 9, 15 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb ideelle Miteigentumsanteile an dem Grundstück G und schloß sich mit den Erwerbern der übrigen Miteigentumsanteile zu einer Bauherrengemeinschaft zusammen. Nach § 1 Abs. 2 des Bauherrengemeinschaftsvertrages war eine bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft vereinbart worden, ,,die weder eigenes Vermögen erwirbt noch am Rechtsverkehr teilnimmt", soweit nicht etwas anderes vertraglich vereinbart worden war.
Die bisherigen Eigentümer des Baugrundstücks errichteten als Generalunternehmer aufgrund eines Generalunternehmervertrages eine Wohnanlage Block . . . mit 42 Eigentumswohnungen und 42 Kfz-Stellplätzen für einen Festpreis von . . . DM. In dem Generalunternehmervertrag, in dem stets von ,,Bauherren" die Rede ist, wurde auf eine als Anlage beigefügten Liste mit Namen und Anschriften der Bauherren Bezug genommen. Eine Teilungsvereinbarung nach § 3 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) schlossen die Bauherren mit notariellem Vertrag vom 9. März 1976.
Der Kläger - vertreten durch den Treuhänder - vermietete seine Eigentumswohnung für fünf Jahre an die A GmbH & Co. (im folgenden Zwischenmieter). Der Zwischenmieter vermietete die Wohnung an einen Endmieter weiter. Die Bauherren - einschließlich des Klägers - hatten im Jahr des Grundstückserwerbs von dem Zwischenmieter eine Garantie erhalten, daß die jeweilige Wohnung gegen einen Mindestmietzins an einen Mieter oder an einen anderen Unternehmer vermietet werde. Der Zwischenmieter verpflichtete sich, das Mietobjekt selbst zu mieten, falls der Bauherr zur ,,Mehrwertsteuer" optiert habe und falls die Vermittlung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht gelinge.
Der Kläger machte die ihm von dem Generalunternehmer berechnete Umsatzsteuer von . . . DM für seine Wohnungen in der Umsatzsteuererklärung für 1976 als Vorsteuer geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Umsatzsteuer zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) fest.
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung 1980 berücksichtigte das FA in dem Umsatzsteueränderungsbescheid für 1976 vom 13. Juli 1981 die bezeichneten Steuern nicht mehr als Vorsteuerbeträge, weil es zu der Auffassung gelangt war, nicht der Kläger, sondern die Bauherrengemeinschaft sei Empfänger der Bauleistungen für die Wohnungen gewesen.
Der Einspruch des Klägers, mit dem er geltend gemacht hatte, die Bauherrengemeinschaft habe keine Bauleistungen empfangen, weil nur Ansprüche für und gegen die einzelnen Bauherren begründet worden seien, blieb erfolglos.
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die - wie er ausführt - erst im finanzgerichtlichen Verfahren eingeführte weitere Begründung, daß der Vorsteuerabzug auch deshalb nicht gegeben sei, weil keine Zwischenvermietung, sondern eine Geschäftsbesorgung vorgelegen habe. Der Umsatzsteueränderungsbescheid müsse aufgehoben werden. Er dürfe aber mit anderer Begründung nicht mehr neu erlassen werden, weil inzwischen Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 471 veröffentlicht worden ist, wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 sowie der §§ 42, 121 Abs. 1, § 126 Abs. 2 AO 1977, § 100 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß das FA die Umsatzsteuer des Klägers für 1976 in dem Änderungsbescheid (§ 164 Abs. 2 AO 1977) vom 13. Juli 1981 festsetzen durfte, ohne die ihm für Leistungen zur Herstellung seiner Eigentumswohnungen berechneten Umsatzsteuern als Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen. Dem Vorsteuerabzug steht jedenfalls entgegen, daß der Kläger die bezogenen Leistungen für steuerfreie Umsätze verwendet hat (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 a UStG 1973).
1. Der Senat läßt im Streitfall die aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zweifelhafte Frage offen, ob die Ansicht des FG zutrifft, der Kläger als Bauherr und nicht die von den Bauherren gebildete Bauherrengemeinschaft (als Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR - mit dem Zweck, die geplante Wohnanlage zu errichten) habe die von dem Generalunternehmer berechneten Leistungen bezogen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1973). Unterstellt man zugunsten des Klägers, daß der Generalunternehmer Leistungen an ihn ausgeführt und daß die ausgeführten Leistungen auch in zutreffender Weise berechnet worden sind, besteht sein Vorsteuerabzugsbegehren gleichwohl nicht zu Recht (vgl. zu den in Betracht kommenden Leistungsbeziehungen Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Mai 1984 V R 118/82, BFHE 141, 339, BStBl II 1984, 678 unter I.2., 3. und II. vor 1.).
2. Jedenfalls hat das FG im Ergebnis zutreffend entschieden, daß dem Vorsteuerabzugsbegehren des Klägers die Verwendung seiner Eigentumswohnungen für steuerfreie Umsätze (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 a UStG 1973) entgegensteht. Eine steuerpflichtige Vermietung an den gewerblichen Zwischenmieter ist wegen Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungen (§ 42 AO 1977) bei der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung für 1976 nicht zu berücksichtigen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfüllt die Einschaltung von Zwischenmietern, d. h. von Personen, die das Mietverhältnis eingehen, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i. S. von § 42 AO 1977, wenn für die Einschaltung - abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung - wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 109/86, BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96). Zwischenvermietung einer Wohnung unter Verzicht auf die Steuerbefreiung für die Mietumsätze bezweckt die Vermeidung der Steuerbelastungswirkung, die durch Versagung des Vorsteuerabzugs bei der nach dem UStG vorausgesetzten Gestaltung eintritt (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Februar 1989 V B 60/88, BFHE 155, 503, BStBl II 1989, 396, unter II.2. c). Das UStG geht davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756, m. w. N.). Der Umsatz durch Wohnungsvermietung ist steuerbefreit nach § 4 Nr. 12 a UStG 1973, ohne daß auf die Steuerbefreiung verzichtet werden kann. Der steuerfreie Umsatz führt zur Versagung des Abzugs von Vorsteuerbeträgen im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Erwerb der Wohnung (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1973). Die steuerpflichtige Vermietung der Wohnung an einen Zwischenmieter (§ 9 Satz 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 a UStG 1973), der die Wohnung nicht zu Wohnzwecken nutzt, sondern als Unternehmer an Endmieter weitervermietet, begründet nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung eine Vermutung der Steuerumgehung (§ 42 AO 1977; vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 V R 8/86, BFHE 158, 166, BStBl II 1990, 100).
Der Kläger hat die Vermutung der Steuerumgehung im Streitfall nicht widerlegt. Ohne Bedeutung für die Angemessenheit der Gestaltung ist der Rohgewinn, den der Zwischenmieter erzielt hat. Maßgebend ist, ob der Kläger wirtschaftlich verständliche Gründe für die Einschaltung des Zwischenmieters gehabt hat (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007).
Der Kläger hat wirtschaftlich verständliche Gründe für die Einschaltung des Zwischenmieters weder geltend gemacht noch sind sie aufgrund des festgestellten Sachverhalts ersichtlich. Die Verlagerung des Vermieterrisikos rechtfertigt die Zwischenvermietung im Streitfall nicht, weil sich der Kläger bereits vor Abschluß des Zwischenmietvertrages gegen Mietausfälle durch eine Ausfallgarantie gegen derartige Risiken gesichert hatte (vgl. BFH in BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756) und weil keine konkreten Gründe vorgetragen oder ersichtlich sind, die bei vernünftiger Vorausschau einen Mietausfall erwarten ließen (BFH-Beschluß in BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96).
Die rechtsmißbräuchliche Gestaltung führt - wie das FG zu Recht entschieden hat - dazu, die Entstehung des Steueranspruchs so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Für die Beurteilung des Vorsteuerabzugsanspruchs ist davon auszugehen, daß der Kläger die Wohnungen mit Hilfe der nach außen im eigenen Namen aufgetretenen Mittelsperson für steuerfreie Umsätze verwendet hat (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388).
3. Die Vorentscheidung ist auch nicht - wie der Kläger meint - deshalb aufzuheben, weil das FA den Steueränderungsbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung während des finanzgerichtlichen Verfahrens anders als im Besteuerungsverfahren begründet hat.
a) § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 2 Nr. 2, § 366 Satz 2 AO 1977 sind nicht verletzt worden. Danach sind Steuerbescheide und Einspruchsentscheidungen zu begründen. Dies ist im Streitfall geschehen. So enthält z. B. die Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1981 die für den Entscheidungssatz maßgeblichen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Daß die Begründung den Entscheidungssatz nicht rechtfertigt, stellt keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht dar (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359; Tipke / Kruse, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 366 Tz. 5; Klein / Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 366 Anm. 4).
b) Das FG hat auch nicht gegen § 100 Abs. 1 Satz 1 oder gegen § 100 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 FGO verstoßen, indem es den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheid für 1976 und/oder die Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1981 wegen fehlerhafter Begründung nicht aufgehoben hat. Die unzutreffende Begründung eines Steuerbescheids oder einer Rechtsbehelfsentscheidung stellt keinen Mangel dar, der für sich zur Aufhebung der Entscheidung des FA verpflichtet (BFH in BFH/NV 1987, 359). Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Steuerbescheids (in der Form der Einspruchsentscheidung; § 44 Abs. 2 FGO) kommt nur in Betracht (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO), wenn der Entscheidungssatz des Steuerbescheids fehlerhaft ist (zur Bedeutung des Entscheidungssatzes für den Steuerbescheid vgl. BFH-Beschluß vom 21. Oktober 1985 GrS 2/84, BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207, unter C III.2. d). Im Streitfall trifft der Entscheidungssatz des angefochtenen Steueränderungsbescheids 1976 zu.
Fundstellen