Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Eine Tatsache ist nicht "neu" im Sinne von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO, wenn sie dem Sachgebietsleiter oder dem Sachbearbeiter der zuständigen Veranlagungsdienststelle bereits im Zeitpunkt der zu berichtigenden Veranlagung bekannt war.
Normenkette
AO § 92 Abs. 3, § 92/2, § 222 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist
die Zulässigkeit einer Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO),
die Behandlung der übergabe einer Gastwirtschaft nebst Lichtspieltheater als Betriebsveräußerung gemäß § 16 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Beschwerdeführer (Bf.) war Inhaber einer Gastwirtschaft mit Lichtspielhaus. Durch notariellen Vertrag vom 13. April 1951 übertrug er mit Wirkung vom 1. April 1951 die Gastwirtschaft mit Wohngebäude und das Lichtspieltheater seinem Sohn. Als übergabepreis wurden 62.000 DM angesetzt; die übernommenen Schulden in Höhe von ca. 43.000 DM wurden darauf angerechnet. Der danach verbleibende Restbetrag war mit jährlich 4 % zu verzinsen. Außer der übernahme des Lastenausgleichs verpflichtete sich der Sohn, dem Bf. ab 1. April 1951 auf die Dauer von fünf Jahren eine monatliche Rente von 300 DM zu bezahlen.
Die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts leitete am 9. Januar 1952 der für den Bf. zuständigen Veranlagungsdienststelle eine Veräußerungsmitteilung zu, die von dem Sachbearbeiter zu den Einheitswert- und Vermögensteuer-Akten genommen wurde. Diese Veräußerungsmitteilung enthält die folgenden Angaben: übergabe am 1. April 1951; beurkundet von Notar .... am 13. April 1951, Gesch. Z. 381; übergabepreis 62.000 DM; übernahme des Lastenausgleichs; Barzahlung einer monatlichen Rente an seinen Vater in Höhe von 300 DM, unter Anrechnung der 62.000 DM übernahme der bestehenden Hypotheken.
Der Bf. erhielt von seinem Sohn für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1951 einen Betrag von 2.700 DM als Rente für neun Monate und 600 DM als Zinsen für einen Restbetrag von 20.000 DM. Diese Beträge setzte der Sohn bei seiner Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1951 als Sonderausgabe ab. Der Bf. führte die Zahlungen in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1951 nicht auf. Dementsprechend wurde der Bf. mit einem Einkommen von 2.695 DM (Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.895 DM abzüglich eines Pauschbetrages von 200 DM für Sonderausgaben) zur Einkommensteuer für 1951 herangezogen. Diese Veranlagung wurde von Obersteuerinspektor A. als Sachbearbeiter vorbereitet und von dem Sachgebietsleiter (Vorsteher des Finanzamts) am 26. Februar 1953 abschließend gezeichnet. Der Steuerbescheid trägt das Datum vom 21. April 1953. Im Mai 1953 fand eine Prüfung des Landesrechnungshofes statt, die sich auch mit der übergabe der Gastwirtschaft und des Lichtspieltheaters durch den Bf. an seinen Sohn befaßte. Den Prüfungsunterlagen ist folgendes zu entnehmen:
"a) Der Gasthof" ...." ist ab 1. April 1951 von dem Vater .... auf seinen Sohn .... übergegangen. Unterlagen, aus denen ersichtlich wäre, unter welchen Bedingungen der Sohn den Gasthof erworben hat, sind nicht bei den Steuerakten. Der Rechnungshof bittet, die zur Klärung erforderlichen Unterlagen einzufordern und den Vorgang auf seine steuerliche Auswirkung hin zu überprüfen.
Bei der Veranlagung des Sohnes für den VZ 1951 sind als Sonderausgaben u. a. abgesetzt worden: ----------------- 2.700 DM Rente und ------------------- 600 DM Schuldzinsen an den Vater. Da der Vater als Empfänger dieser Beträge für den VZ 1951 nur mit 2.895 DM veranlagt ist (1.300 DM Gewinn aus dem Betrieb des Gasthofs" .... " und 1.595 DM Gewinn aus dem Betrieb einer Pension) bittet der Rechnungshof, im Rahmen der Nachprüfung zu a) auch diesen Sachverhalt zu prüfen." Diese Prüfungsbemerkungen gingen dem Finanzamt durch die Oberfinanzdirektion am 31. Juli 1953 zu.
Danach wurde eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO durchgeführt, mit der der Bf. außer seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb nunmehr mit sonstigen Einkünften in Höhe von 3.300 DM - 200 DM = 3.100 DM zur Einkommensteuer herangezogen wurde. Diese Berichtigungsveranlagung wurde von Steuersekretär B. als Sachbearbeiter vorbereitet und wiederum wie die ursprüngliche Veranlagung von dem Vorsteher des Finanzamts am 12. November 1953 abschließend gezeichnet. In den Erläuterungen zum Steuerbescheid wurde vermerkt: "Die Berichtigung war veranlaßt, weil Sie die Renteneinkünfte aus dem Verkauf des Anwesens "......" in Höhe von 3.300 DM nicht angegeben haben." Der berichtigte Steuerbescheid wurde am 27. November 1953 zur Post gegeben.
Diese Berichtigungsveranlagung wurde durch eine erneute Berichtigungsveranlagung, nunmehr nach § 92 Abs. 3 AO, ersetzt. Zu den gewerblichen Einkünften 2.895 DM traten nunmehr ein Veräußerungsgewinn von 50.935 DM und Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 600 DM. Dieser Bescheid wurde von Steueranwärter C. und Obersteuerinspektor A. vorbereitet. Auch diese Veranlagung wurde wie die bisherigen von dem Vorsteher des Finanzamts am 28. April 1954 abschließend gezeichnet. Der Bescheid wurde am 10. Mai 1954 zur Post gegeben. In den Erläuterungen zum Steuerbescheid ist unter anderem vermerkt: "Die änderung erfolgte, weil der Veräußerungsgewinn bisher noch nicht erfaßt war. Die Veräußerungsrente unterliegt nicht der Einkommensteuer."
Hiergegen legte der Bf. Einspruch ein, mit dem er sich sowohl gegen die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung als auch gegen die Erfassung des Veräußerungsgewinnes wendete. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der von dem Vorsteher des Finanzamts unterzeichneten Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 1954 wird ausgeführt, daß die Berichtigung unter dem Gesichtspunkt des § 92 Abs. 3 AO rechtlich unzulässig, jedoch nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO zulässig sei. In der späteren (erstmaligen), erst nach dem Ergehen der ersten Berichtigungsveranlagung vom 27. November 1953 erfolgten Durcharbeitung des notariellen Vertrages sei ein Bekanntwerden neuer Tatsachen zu erblicken. Daß die Veranlagungsstelle es unterlassen habe, vor der Berichtigungsveranlagung nähere Erkundigungen bei der Grunderwerbsteuerstelle einzuziehen, stehe einer Anwendung des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO nicht entgegen. Nach dem Inhalt des Vertrages liege eine Betriebsveräußerung vor. Der Veräußerungsgewinn sei daher gemäß § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG der Einkommensteuer zu unterwerfen.
Auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ließ sich im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:
Das Vorliegen einer neuen Tatsache sei in dem Bekanntwerden des übergabevertrages vom 13. April 1951 zu erblicken. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Bf. die ihm aus der übergabe zufließenden Erlöse dem Finanzamt in seiner Einkommensteuererklärung 1951 nicht angegeben und auch in der dieser Erklärung beigefügten Bilanz keine Angaben gemacht habe, die die Veräußerung des Betriebes, gleichviel in welcher Form, hätten erkennen lassen. Erst die zufällig aus den Akten des übernehmers nach Durchführung der ersten Veranlagung des Bf. gewonnene Kenntnis habe das Finanzamt in die Lage versetzt, die Folgerungen zu ziehen, die sich jedem unbefangenen Bearbeiter hinsichtlich des Abzuges der Rentenzahlungen zunächst ohne Kenntnis der Einzelheiten hätten aufdrängen müssen. Von dem eigentlichen Sachverhalt und den Unterlagen der übergabe bzw. der daraus hergeleiteten Rente habe das Finanzamt aber erst bei der zweiten Berichtigungsveranlagung, die es zu Unrecht auf § 92 Abs. 3 AO gestützt habe, Kenntnis erhalten. Es handle sich um eine zweite Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO, die, da der Bf. das Finanzamt über den wahren Sachverhalt im Unklaren gelassen habe, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben möglich sei. Der Bf. müsse nunmehr die Folgen dieses Versäumnisses tragen und könne sich nicht auf die Rechtskraft und auf Formalitäten bei der Durchführung der Berichtigungsveranlagung berufen. Nach dem übergabevertrag vom 13. April 1951, der der zweiten Berichtigungsveranlagung zugrunde zu legen sei, liege eine Betriebsveräußerung vor. Bei den Zahlungen des Sohnes handle es sich nicht um eine Versorgungs-, sondern um eine Kaufpreisrente, wie sie bei Betriebsveräußerungen üblich sei. Aus diesem Grunde sei der Bf. nach § 16 Abs. 1 EStG in der vom Finanzamt im Steuerbescheid vom 10. Mai 1954 errechneten Weise zu besteuern.
Hiergegen wendet sich der Bf. in der Rechtsbeschwerde (Rb.) unter Wiederholung seines Vorbringens. Erneut bestreitet er die Zulässigkeit der zweiten Berichtigungsveranlagung sowie die Annahme einer Betriebsveräußerung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO ist eine Berichtigungsveranlagung nur zulässig, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist neue Tatsachen oder Beweismittel bekanntwerden, die eine höhere Veranlagung rechtfertigen. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn sich aus den Unterlagen der Veranlagungsstelle kein Anhalt dafür ergibt, daß die Steuererklärung unrichtig ist, nachträglich aber Umstände bekannt werden, nach denen eine höhere Steuerfestsetzung begründet erscheint. Als dem Finanzamt bekannt gelten, wie der Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhof bereits wiederholt ausgesprochen haben, nur die Tatsachen, die der für die Veranlagung der betreffenden Steuer zuständigen Dienststelle bekannt sind. Finanzamt in diesem Sinne ist nicht die (zuständige) Behörde oder die Finanzverwaltung als Einheit, sondern die zur Bearbeitung des betreffenden Steuerfalles berufene Dienststelle innerhalb des (zuständigen) Finanzamts, also beispielsweise die Veranlagungsstelle als die zur Bearbeitung von Einkommensteuerfällen berufene Dienststelle (vgl. unter anderem Urteil des Reichsfinanzhofs I A 246/34 vom 19. Dezember 1935, Reichssteuerblatt - RStBl - 1936 S. 58; auch Kühn, Kommentar zur AO, 4. Auflage, Anmerkung 5 b zu § 222 AO; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur AO, Anmerkung 7 zu § 222 AO). Die von den Vorinstanzen als "neu" im Sinne von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO angesehenen Tatsachen, nämlich der wesentliche Inhalt des übergabevertrages vom 13. April 1951, muß also der für die Einkommensbesteuerung des Bf. zuständigen Veranlagungsdienststelle, zumindest im Zeitpunkt des Ergehens der ersten Berichtigungsveranlagung vom 27. November 1953, unbekannt gewesen sein, das heißt diese Tatsache darf weder dem jeweiligen Sachbearbeiter noch dem diesem übergeordneten Sachgebietsleiter zu dem genannten Zeitpunkt bekannt gewesen sein. Die beiden Bearbeiter zusammen bilden die für die Einkommensbesteuerung des Bf. zuständige Veranlagungsdienststelle. Hat daher der Sachgebietsleiter bereits im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung oder der ersten Berichtigungsveranlagung eine ausreichende Kenntnis vom wesentlichen Inhalt des übergabevertrages vom 13. April 1951 gehabt, so kann diese Tatsache selbst dann nicht mehr als "neu" im Sinne von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO angesehen werden, wenn der Sachbearbeiter erst im Zeitpunkt der zweiten Berichtigungsveranlagung von dieser Tatsache hinreichende Kenntnis erhalten haben sollte. Zu Unrecht sind die Vorinstanzen deshalb bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeit der zweiten Berichtigungsveranlagung allein von dem Wissen der jeweiligen Sachbearbeiter um den Inhalt des übergabevertrages ausgegangen. In der von der Vorinstanz durchgeführten Beweisaufnahme wurden nur die Sachbearbeiter A. und B. über ihre Kenntnis der umstrittenen Vorgänge gehört. Ihre Bekundungen, mit denen sie ihr Wissen um den Inhalt des Vertrages verneint haben, sind für die Entscheidung jedoch nur dann erheblich, wenn auch der Sachgebietsleiter den Inhalt des Vertrages im Zeitpunkt der ersten Berichtigungsveranlagung noch nicht gekannt hat. Offensichtlich hat die Vorinstanz diese Frage nicht für rechtserheblich gehalten, obwohl in der von dem Sachgebietsleiter unterzeichneten Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 1954 ausgeführt ist, daß die Veranlagungsstelle bei der ersten Veranlagung des Bf. vom 21. April 1953 von der Veräußerungsmitteilung der Grunderwerbsteuerstelle, abgelegt in der Einheitswertakte, und der Erklärung des Bf. als einzigen Unterlagen ausgegangen ist. Dieser Sachverhalt wird noch durch die Feststellung in der gleichzeitig in der Einkommensteuersache 1951 des Sohnes des Bf. ergangenen vom gleichen Sachgebietsleiter unterzeichneten Einspruchsentscheidung ergänzt, daß die Veranlagungsstelle im August 1953, also vor der ersten Berichtigungsveranlagung vom 27. November 1953, bereits Kenntnis von dem Inhalt des notariellen Vertrages erhalten hatte. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ferner, daß der Sachgebietsleiter sämtliche Veranlagung des Bf. und des Sohnes des Bf., die von der gleichen Veranlagungsstelle bearbeitet worden sind, abschließend gezeichnet hat. Es unterliegt damit keinem Zweifel, daß sich die in den beiden Einspruchsentscheidungen getroffenen Feststellungen zumindest auf die Kenntnis des Sachgebietsleiters von dem Inhalt der Veräußerungsmitteilung der Grunderwerbsteuerstelle und dem Inhalt des notariellen Vertrages vom 13. April 1951 beziehen müssen. Damit hat aber die zuständige Veranlagungsdienststelle in der Person ihres Sachgebietsleiters schon im Zeitpunkt der ersten Berichtigungsveranlagung vom 27. November 1953 von dem übergabevertrag und seinen näheren Bedingungen Kenntnis gehabt.
Bereits der Inhalt der Veräußerungsmitteilung der Grunderwerbsteuerstelle reicht allein aus, um der zuständigen Veranlagungsdienststelle die erforderliche Kenntnis vom wesentlichen Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Bf. und seinem Sohn zu verschaffen. In dieser Mitteilung ist der übergabepreis mit 62.000 DM genannt, im übrigen von der übernahme des Lastenausgleichs, der bestehenden Hypotheken unter Anrechnung auf den übergabepreis sowie von der Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von 300 DM die Rede. Damit aber sind aus der Veräußerungsmitteilung der Veranlagungsdienststelle bereits die wesentlichen Elemente des notariellen Vertrages in hinreichendem Maße bekanntgeworden. Hieraus folgt die Unzulässigkeit der angefochtenen Berichtigungsveranlagung im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO, ohne daß es noch der im August 1953 hinzutretenden Kenntnis der einzelnen Vertragsbestimmungen überhaupt bedurft hätte. Die Vorentscheidung muß hiernach aufgehoben werden. Die Aufhebung der Vorentscheidung ist aber noch aus einem weiteren Grunde erforderlich. Eine Tatsache ist auch dann nicht neu im Sinne des § 222 AO, wenn sie dem Finanzamt zwar nicht bekannt war, wenn das Finanzamt aber bei ausreichender Erfüllung der amtlichen Ermittlungspflicht davon Kenntnis hätte erlangen können. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Finanzamt trotz ersichtlicher Unklarheiten auf weitere Ermittlungen verzichtet (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 313/32 vom 15. Mai 1934, RStBl 1934 S. 677; auch Enno Becker in Steuer und Wirtschaft 1935 Spalte 1321; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., Anmerkung 8 zu § 222 AO). Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt. Auf Grund der Prüfung des Rechnungshofes wurde das Finanzamt veranlaßt, die zur Klärung des übergabevorganges erforderlichen Unterlagen einzufordern und den Erwerb sowohl beim Bf. als auch bei dessen Sohn auf seine steuerliche Auswirkung hin zu überprüfen. Von dem Prüfungsergebnis des Rechnungshofes hat der damalige Sachbearbeiter Obersteuerinspektor A. nach den Feststellungen der Vorinstanz spätestens im September 1953 Kenntnis erhalten. Er hat die Prüfungserinnerungen Mitte Oktober in einem gesonderten Aktenstück seinem Nachfolger, Steuersekretär B., mit dem Bemerken übergeben, daß ein Teil bereits erledigt, ein anderer noch unerledigt sei. Die für die Besteuerung des Bf. und seines Sohnes zuständige Veranlagungsdienststelle hat damit von dem Prüfungsergebnis noch vor dem Ergehen der ersten Berichtigungsveranlagung im November 1953 Kenntnis erhalten. Damit hätte aber die Veranlagungsdienststelle bei ausreichender Erfüllung der ihr gemäß § 204 AO obliegenden amtlichen Ermittlungspflicht auch Kenntnis vom Inhalt des Vertrages erlangt und diese Kenntnis bereits bei der Durchführung der ersten Berichtigungsveranlagung verwerten können. Keinesfalls kann die etwa mangelnde Kenntnis der einzelnen vertraglichen Vereinbarungen die angefochtene zweite Berichtigungsveranlagung vom 10. Mai 1954 rechtfertigen. Wenn die Veranlagungsdienststelle ungeachtet der Kenntnis des Prüfungsergebnisses auf die weitere Ermittlung des Vertragsinhalts pflichtwidrig verzichtet hat, so kann eine hierauf beruhende Unkenntnis nicht zu einer Berichtigung der ersten Berichtigungsveranlagung führen.
Die Sache ist spruchreif. Da die angefochtene Berichtigungsveranlagung vom 10. Mai 1954 mangels Vorliegens einer neuen Tatsache im Sinne von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO unzulässig ist, muß sie bei gleichzeitiger Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 1954 ersatzlos aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 409132 |
BStBl III 1958, 365 |
BFHE 1959, 239 |
BFHE 67, 239 |