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BFH Urteil vom 10.10.1963 - IV 435/61 S

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Soweit Wegebaukosten eines buchführenden Forstwirts laufende Betriebsausgaben sind, müssen sie bei Inanspruchnahme der Tarifvergünstigung des § 34 b EStG in der Regel als "andere Betriebsausgaben" (ß 34 b Abs. 2 Ziff. 2 EStG) auf alle Holznutzungsarten verteilt werden.

 

Normenkette

EStG § 34b/2/1; EStG § 34b/2/2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Wegebaukosten eines buchführenden Forstwirts zu den festen Verwaltungskosten im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes 1955 (EStG) oder zu den anderen Betriebsausgaben im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 2 EStG gehören.

Die Bfin. - eine Erbengemeinschaft - ist buchführender Land- und Forstwirt. Im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren 1955 stellte das Finanzamt auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung die Einkünfte aus Holznutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzungen) innerhalb des Nutzungssatzes auf 49.704 DM und die außerhalb des Nutzungssatzes auf 47.348 DM fest. Die im Wirtschaftsjahr 1954/55 in Höhe von 9.501 DM und im Wirtschaftsjahr 1955/56 in Höhe von 10.110 DM entstandenen und als laufende Betriebsausgaben angesehenen Wegebaukosten verteilte es bei Ermittlung dieser Einkünfte nach § 34 b Abs. 2 Ziff. 2 EStG entsprechend der Höhe der Einnahmen aus allen Holznutzungsarten auf diese. Dabei beachtete das Finanzamt, daß diese Vorschrift erstmals vom Veranlagungszeitraum 1955 an anzuwenden ist.

Die Bfin. ist der Ansicht, unter den persönlichen und sachlichen Verwaltungskosten im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 1 EStG seien die Generalunkosten zu verstehen, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil IV 154/57 U vom 20. März 1958, BStBl 1958 III S. 225, Slg. Bd. 66 S. 583) unter der Geltung des § 34 Abs. 3 EStG 1953 nur bei den ordentlichen Nutzungen, d. h. den Nutzungen innerhalb des Nutzungssatzes, nicht aber bei den außerordentlichen Nutzungen zu berücksichtigen gewesen seien. Die Wegebaukosten gehörten zu den festen Betriebsausgaben und damit zu den Generalunkosten. Bei den außerordentlichen Holznutzungen könnten nur die Betriebsausgaben abgezogen werden, die mit ihnen in unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. § 34 b Abs. 2 EStG habe insoweit gegenüber der früheren Rechtsauffassung keine änderung erfahren. Im Streitfalle stünden die Wegebaukosten in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Kalamitätsnutzungen. Die Wegebaukosten stellten keine Unkosten der im gleichen Jahr erzielten Holzeinschläge dar, sondern dienten der Zukunft.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1961 S. 305 Nr. 354 veröffentlicht ist, hielt die Auffassung des Finanzamt für zutreffend. Es begründete seine Ansicht im wesentlichen wie folgt. Unter den festen Verwaltungskosten im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 1 EStG könnten nur solche im engeren Sinne verstanden werden, weil es sonst der Aufzählung der verschiedenen Ausgaben (u. a. Steuern und Zwangsbeiträge) nicht bedurft hätte. Zu den Verwaltungskosten im engeren Sinne gehörten die Wegebaukosten nicht. Der Streit über die Auslegung, was zu den festen Verwaltungskosten rechne, rühre nur davon her, daß die Forstwirtschaft zu den festen Verwaltungskosten alle Ausgaben außer den Holzwerbungs- und Kulturkosten rechne. Aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes ergebe sich, daß die Wegebaukosten wie Kulturkosten zu behandeln seien. Sie rechneten zu den veränderlichen Kosten im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 2 EStG.

Mit der Rb. hält die Bfin. an ihrer Ansicht fest, daß die Wegebaukosten zu den festen Verwaltungskosten gehörten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Es kann zweifelhaft sein, ob Wegebaukosten als Betriebsausgaben sofort abzugsfähig sind. Der Senat hätte Bedenken, dies zu bejahen, wenn es sich um Erstanlagekosten von Forstwegen handeln würde. Der Senat geht davon aus, daß die Wegebaukosten hier der laufenden Unterhaltung dienten.

Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß die Wegebaukosten zu den "anderen Betriebsausgaben" im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 2 EStG gehören. Es ist der Bfin. zuzugeben, daß aus dem Wortlaut des § 34 b Abs. 2 EStG, der außer Zwangsbeiträgen und der Grundsteuer keine bestimmten Kostenarten anführt, nicht ohne weiteres entnommen werden kann, zu welcher Gruppe von Betriebsausgaben die Wegebaukosten gehören. Die Entscheidung läßt sich aber aus Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Unterscheidung und aus der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Kostenabgrenzung herleiten. Nach dem Aufbau des § 34 b Abs. 2 EStG sollen bei der Ermittlung der Einkünfte aus den einzelnen Holznutzungsarten bei den ordentlichen Holznutzungen und den Holznutzungen infolge höherer Gewalt innerhalb des Nutzungssatzes (Kalamitätsnutzungen) nur die festen persönlichen und sachlichen Verwaltungskosten entsprechend der Höhe der Einnahmen aus diesen beiden Holznutzungsarten berücksichtigt werden. Alle anderen Betriebsausgaben sind entsprechend der Höhe der Einnahmen aus allen Holznutzungsarten (ordentliche, außerordentliche Holznutzungen und Kalamitätsnutzungen) auf diese zu verteilen. Diese Aufteilung läßt deutlich erkennen, daß der Gesetzgeber auf eine Zuordnung der einzelnen Betriebsausgaben zu den Holznutzungsarten, mit denen sie in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, wohl aus Vereinfachungsgründen verzichtete. Er stellte mit dieser Unterscheidung die festen Verwaltungskosten den Herstellungs- und Vertriebskosten, mithin den Kostenarten gegenüber, die der Erzeugung und dem Absatz dienen. Diese Erwägungen führen zu dem Ergebnis, daß im allgemeinen zu den festen Verwaltungskosten alle Kosten gehören, die nicht so sehr mit der Produktion und dem Vertrieb des Wirtschaftsgutes "stehendes Holz" in Zusammenhang stehen, als vielmehr für die allgemeine laufende Erhaltung der normalen forstwirtschaftlichen Betriebsverwaltung aufgewendet werden müssen. Hierzu sind besonders die Kosten zu rechnen, die regelmäßig wiederkehren und ungefähr in gleicher Höhe für die laufende Betriebsverwaltung anfallen. Auch einmalige Kosten können dazu gehören, wenn sie ihrer Natur nach nur mit der allgemeinen Verwaltung zusammenhängen. Alle anderen Kosten, die der Herstellung, Pflege und dem Vertrieb des Wirtschaftsgutes "stehendes Holz" dienen und förderlich sind, sind dann "andere Betriebsausgaben" im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 2 EStG. Hierzu rechnen auch die Wegebaukosten. Denn sie ermöglichen in erster Linie den Zugang zu den Forstflächen und die Begehung des Waldes. Sie dienen damit allen Arbeitsvorgängen, die für die Erzeugung, Pflege und den Abtrieb sowie Vertrieb des Holzes im Rahmen eines forstwirtschaftlichen Betriebs notwendig werden. Da sie in der Regel mit dem Werdegang des Holzes von seiner Entstehung bis zum Verkauf in Zusammenhang stehen, so sind sie Kostenbestandteile der Gesamtnutzung, d. h. sämtlicher Holznutzungsarten. Ihre Verteilung auf alle Holznutzungsarten entsprechend der Höhe der Einnahmen ist daher sachlich gerechtfertigt.

Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man die Entstehungsgeschichte des § 34 b EStG, der erstmals vom Veranlagungszeitraum 1955 ab anwendbar ist, verfolgt. Die bis zum Veranlagungszeitraum 1954 geltende Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG 1953 enthielt keine Regelung über die Verteilung der Betriebsausgaben auf die verschiedenen Nutzungsarten. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs folgte im wesentlichen der forstbetriebswirtschaftlichen Auffassung, wonach die sogenannten Generalunkosten (fixen Kosten), das sind die den Forstbetrieb allgemein belastenden Betriebsausgaben, nur bei den sogenannten ordentlichen Nutzungen verrechnet werden durften, weil sie den allgemeinen Hiebsatz belasteten. Von den Einnahmen aus außerordentlichen Waldnutzungen und Kalamitätsnutzungen konnten nur die diese unmittelbar betreffenden Kosten, z. B. Holzfäller- und Abfuhrlöhne, als Betriebsausgaben abgezogen werden. Es handelte sich insoweit um variable Kosten, die mit der Holzproduktion und damit mit der alljährlichen Gesamtnutzung in Zusammenhang standen (vgl. Urteil des Senats IV 154/57 U und die dort angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs). Der Senat ließ in dieser Entscheidung durchblicken, daß an diesen Grundsätzen nur bis zur Neuregelung der Verteilung der Betriebsausgaben in Abs. 2 des § 34 b EStG 1955 festgehalten werde.

Der Gesetzgeber schloß sich bei der Verteilung der Betriebsausgaben in § 34 b Abs. 2 EStG der Auffassung, daß die Generalunkosten in vollem Umfang nur bei den Einnahmen aus ordentlichen Nutzungen abgezogen werden könnten, nicht an, weil mindestens ein Teil der Generalunkosten, z. B. Kultur- und Wegebaukosten, alle Holznutzungsarten, auch die außerordentlichen Nutzungen und die Kalamitätsnutzungen beträfen (vgl. Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern, Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Bundestags-Drucksache Nr. 481 Anm. zu Artikel 1, Ziff. 26 zu "ß 34 a Abs. 2", S. 95). Der betriebswirtschaftlichen Unterscheidung zwischen Generalunkosten (fixen Kosten) und veränderlichen (variablen) Kosten trägt die Vorschrift des § 34 b Abs. 2 EStG allerdings nur zum Teil Rechnung (vgl. Eckhardt, Die Besteuerung der Forstwirtschaft nach § 34 b EStG, S. 50), weil sie zwischen den festen (persönlichen und sachlichen) Verwaltungskosten die "anderen" Betriebsausgaben gegenüberstellt. Zu den festen Kosten gehören nach den Darlegungen der Bundesregierung in der Stellungnahme zu den änderungsvorschlägen und Empfehlungen des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes über die Neuordnung von Steuern (vgl. Anlage C zur Amtlichen Begründung zu Ziff. 19, S. 146) die Generalunkosten, die durch die inneren Verhältnisse des einzelnen Forstbetriebs bedingt sind (Betriebsgröße, Holz- und Betriebsart, Intensität der Wirtschaft u. a. m.). Das gilt besonders für die Verwaltungskosten im engeren Sinne, deren Höhe im wesentlichen gleichbleibt, auch wenn in dem einen oder anderen Jahre der Nutzungsanfall aus situationsbedingten Gründen den Nutzungssatz mehr oder weniger wesentlich über- oder unterschreitet. Der feste Betriebskostenanteil (Generalunkosten) soll nur bei dem Erlös aus der ordentlichen Nutzung berücksichtigt werden, weil er auch dann entsteht, wenn keine außerordentlichen Nutzungen oder Kalamitätsnutzungen vorliegen.

Zu den "anderen Betriebsausgaben" im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 2 EStG rechnete der Gesetzesentwurf einmal die variablen Kosten (das sind die Kosten, die von der Gesamtnutzung abhängen) und andere feste Betriebsausgaben, die nicht zu den persönlichen und sachlichen Verwaltungskosten im Sinn von § 34 b Abs. 2 Ziff. 1 EStG gehören (vgl. Amtliche Begründung a. a. O. S. 95 und 146). Zu den variablen Kosten gehören nach der Amtlichen Begründung auch die Wegebau- und Kulturkosten. Daraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber des § 34 b Abs. 2 EStG den Begriff der festen Verwaltungskosten einengen wollte.

Die zu dem Bereich der Kulturkosten gehörenden Erstaufforstungskosten rechnete der Senat bereits im Urteil IV 268/59 S vom 19. Dezember 1962 (BStBl 1963 III S. 357) zu den anderen Betriebsausgaben. Nichts anderes kann für die Wegebaukosten gelten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Kosten im Einzelfall in allen oder nur in vereinzelten Forstrevieren anfallen und nur mit bestimmten Holznutzungsarten wirtschaftlich zusammenhängen. Entscheidend ist die Tatsache, daß Wegebaukosten ihrer Natur nach mit allen Holznutzungsarten in Zusammenhang stehen. Die EStR 1958 bis 1962, die in Abschn. 209 Abs. 2 die Wegebaukosten nicht zu den festen Verwaltungskosten rechnen, stellen eine zutreffende Auslegung des Gesetzes dar. Die Ausführungen der Vorinstanz sind rechtlich daher nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410970

BStBl III 1964, 60

BFHE 1964, 151

BFHE 78, 151

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