Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Steuersäumniszuschläge sind keine Schuldzinsen im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1; StSäumG §§ 1, 3 Abs. 1, § 1/1, § 3/2, §§ 2, 9
Tatbestand
Strittig ist, ob Säumniszuschläge zur Einkommensteuer als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähig sind.
Das Finanzamt hat den vom Beschwerdegegner (Bg.) begehrten Abzug von 1.448 DM Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer unter Hinweis auf Abschnitt 123 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1950 abgelehnt. Das Finanzgericht hat den Abzug jedoch zugelassen. Es führt aus: Der Säumniszuschlag sei zu den Schuldzinsen zu rechnen. Dieser Begriff sei weit zu fassen und gehe über den der Darlehnszinsen hinaus; jede Vergütung für die Vorenthaltung eines Kapitals sei dazu zu rechnen. Hinsichtlich der früher erhobenen Verzugszinsen habe der Reichsfinanzhof in der Entscheidung vom 20. Oktober 1932 (Reichssteuerblatt 1932 S. 1006) ausdrücklich anerkannt, daß sie Kapitalzinscharakter trügen. Wenn auch nach § 9 des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG) und vorher schon nach § 20 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) Verzugszinsen nicht mehr erhoben werden sollten, so bestehe doch zwischen den durch das StSäumG eingeführten Säumniszuschlägen und den Verzugszinsen kein großer Unterschied. Das müsse insbesondere für die Zeit ab 1949 gelten, weil seitdem der Säumniszuschlag sich um monatlich je 1 v. H. erhöhe. Er stehe mithin den Verzugszinsen tatsächlich gleich. Daß der Säumniszuschlag, wie aus der amtlichen Begründung zum StSäumG (Reichssteuerblatt 1934 S. 1693) zu entnehmen sei, gleichzeitig ein Druckmittel für pünktliche Zahlung bilde, sei nur ein unwesentlicher Nebenzweck. Mit den besonders festzusetzenden Ungehorsamsfolgen könne der Säumniszuschlag nicht gleichgesetzt werden. Auch aus der Sondervorschrift des § 12 Ziff. 3 EStG könne eine Nichtabzugsfähigkeit nicht gefolgert werden. Der Säumniszuschlag sei kein unselbständiger Teil der betreffenden Hauptsteuer, teile also nicht das Schicksal der Einkommensteuer. Dies sei aus den Sonderregelungen in §§ 5 und 6 StSäumG für das Zwangsvollstreckungs- und Konkursverfahren sowie für das steuerliche Rechtsmittelverfahren zu entnehmen. Auf selbständige Nebenforderungen könne jedenfalls das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 3 EStG nicht erstreckt werden.
Der Vorsteher des Finanzamts beharrt in seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) auf dem gegenteiligen Standpunkt. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Er führt zur Begründung der in Abschnitt 123 EStR ausgesprochenen Nichtabzugsfähigkeit des Säumniszuschlags bei den Personensteuern im wesentlichen folgendes aus:
Die ursprünglich im § 104 der Reichsabgabenordnung (AO) 1919 (ß 126 AO 1931) vorgesehene Verzinsung im Falle nicht rechtzeitiger Entrichtung von Steuerzahlungen sei durch § 20 StAnpG beseitigt worden. Der durch das StSäumG vom 24. Dezember 1934 eingeführte Steuersäumniszuschlag trage keinen Zinscharakter mehr. Sein Zweck sei vielmehr, als Druckmittel auf die rechtzeitige Entrichtung der Steuer hinzuwirken. Die Tatsache, daß der Zuschlag gleichzeitig eine Art Vergütung für die Vorenthaltung der Steuerzahlung darstelle, sei lediglich eine das Wesen des Säumniszuschlags nicht berührende Nebenwirkung. Das überwiegen der Eigenschaft eines Druckmittels sei auch an den verschiedenen Ausnahmen von der Zuschlagspflicht erkennbar, die für nicht böswillige Steuerpflichtige im Falle einer kurzfristigen Säumnis gleichzeitig mit dem StSäumG durch Erlaß des Reichsministers der Finanzen eingeführt worden seien und noch jetzt angewendet würden. Der auf Grund von Art. XVIII § 1 der II. Steuernotverordnung zeitweilig erhobene "Steuerzuschlag", der neben den Zinsen eingeführt worden sei, bilde bereits einen Vorläufer des Steuersäumniszuschlags. Für ihn werde die Eigenschaft als Schuldzins und damit die Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe bereits von Strutz (Anm. 10 a. E. zu § 15 EStG 1925) und Mrozek (Anm. 5 zu § 15 EStG 1925) abgelehnt. Die Erhöhung des zunächst 2 v. H. betragenden Säumniszuschlags um monatlich 1 v. H. ab 1949 habe lediglich bezweckt, die erzieherische Wirkung des Zuschlags zu verstärken, nicht aber, dem Zuschlag einen Zinscharakter zu verleihen. Wenn Abschnitt 123 EStR 1950 die Säumniszuschläge hinsichtlich der Frage der Abzugsfähigkeit ebenso wie Verspätungszuschläge nach § 168 Abs. 2 AO, Erzwingungsstrafen nach § 202 AO und Reue- und Strafzuschläge nach § 18 Abs. 4 Ziff. 1 a und 2 b des Soforthilfegesetzes behandelt wissen wolle, so bedeute dies nicht etwa eine volle Gleichsetzung des Säumniszuschlags mit den Ungehorsamsfolgen, die erst einer besonderen Festsetzung bedürften, während der Säumniszuschlag an sich automatisch anfalle. Da der Steuersäumniszuschlag zur Einkommensteuer demnach nicht zu den Schuldzinsen des § 10 EStG zu rechnen sei und auch weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten darstelle, brauche für die Frage seiner Abzugsfähigkeit nicht weiter untersucht zu werden, ob diese auch nach § 12 Ziff. 3 EStG aus dem Grunde zu verneinen wäre, weil der Zuschlag ebenfalls einkommensteuerlichen Charakter trage.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der Senat tritt der Auffassung des Bundesministers der Finanzen bei. Bereits aus dem StSäumG selbst sowie aus dessen Entstehungsgeschichte ist zu entnehmen, daß der Zweck des Steuersäumniszuschlags nicht darin bestehen soll, dem Steuergläubiger eine wirtschaftliche Entschädigung für die Vorenthaltung des ihm zu einem bestimmten Zeitpunkt zustehenden Steuerbetrags zu gewähren. Es war gerade Sinn und Zweck des StSäumG, wie aus dessen §§ 9 bis 12 hervorgeht, das Steuerzinswesen bis auf gewisse im § 10 Abs. 2 bezeichnete Fälle grundsätzlich abzuschaffen, und zwar mit Wirkung nach beiden Seiten, das heißt auch für die Fälle von Erstattungen oder von Vergütungen, die Steuerpflichtigen gegenüber dem Steuergläubiger zustehen. Daß der Steuersäumniszuschlag in seiner ursprünglichen, von 1935 bis 1949 geltenden starren Höhe von 2 v. H. des rückständigen Steuerbetrags in keiner Weise dem Gedanken einer Vergütung für eine zeitliche Kapitalnutzung entspricht, kann nicht zweifelhaft sein. Hier tritt vielmehr das Wesen als Druckmittel eindeutig zutage. Wenn durch das Zweite Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 (Neufassung des § 3 Abs. 1 StSäumG) eine nach der zeitlichen Dauer des Rückstandes gestaffelte zusätzliche Belastung des Steuerpflichtigen eingeführt worden ist, so kann dies nach Auffassung des Senats nicht die Bedeutung haben, daß dadurch das Wesen des Säumniszuschlags geändert und der Gedanke der Verzinsung, der vom Gesetzgeber in den erhalten gebliebenen §§ 9 bis 12 ausdrücklich weiter abgelehnt wurde, erneut eingeführt werden sollte. Die Staffelung des Säumniszuschlags je nach der Dauer des Rückstands bedeutet vielmehr auch wirtschaftlich gesehen nur einen erhöhten Druck zur alsbaldigen Entrichtung der rückständigen Steuer.
Wenn der Bg. in seiner Erwiderung zur Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen darauf hinweist, daß der Zinscharakter des Steuersäumniszuschlags auch aus dessen Erhebung für rückliegende Zeiträume im Falle eines Steuervergehens zu folgern sei, weil die Erhebung hierbei kein Druckmittel mehr bilden könne, so greift diese Erwägung schon deshalb nicht durch, weil bei Veranlagungssteuern wie der Einkommensteuer nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 55/54 U vom 21. Juli 1955, Bundessteuerblatt 1955 III S. 298, die Erhebung des Säumniszuschlags vor der Fälligkeit der jeweiligen Abschlußzahlungen auch im Falle einer Berichtigungsveranlagung bei Steuerverkürzungen nicht mehr mit der Vorschrift des § 1 StSäumG zu vereinbaren ist. Im übrigen würde aber auch selbst eine etwaige rückwirkende Erhebung das Wesen der Zuschläge nicht grundlegend zu beeinflussen vermögen, weil bereits die gesetzliche Drohung mit dem Druckmittel das Entscheidende ist.
Wenn weiter nach der Behauptung des Bg. die Steuerpflichtigen die Begleichung des Steuersäumniszuschlags im allgemeinen ebenso wie eine Erhebung von Verzugszinsen empfinden, so könnte diese subjektive Einstellung im Hinblick auf die ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen und auf das besonders bei nur kurzfristigen Zuschlägen erhebliche Mißverhältnisse zu den üblichen Verzugszinssätzen nicht maßgeblich für die Rechtsfindung sein.
Das besondere Wesen der Säumniszuschläge als Druckmittel im Unterschied zu den Verzugszinsen hebt schließlich auch das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Urteil des Umsatzsteuersenats V 90/55 S vom 8. November 1955 hervor (es verneint die Haftung des Erwerbers eines Unternehmens für Säumniszuschläge wegen rückständiger Umsatzsteuer des Rechtsvorgängers gemäß § 116 AO).
Aus allen diesen Erwägungen vermag der Senat der Vorentscheidung und dem ihr gleichgerichteten Teil des Schrifttums (vgl. insbesondere Herrmann-Heuer, Anm. 5 Abs. 2 zu § 10 EStG; ferner Finanz-Rundschau 1952 S. 30) nicht zuzustimmen.
Hiernach braucht nicht näher zu der von der Vorentscheidung aufgeworfenen weiteren Frage Stellung genommen zu werden, ob der Steuersäumniszuschlag im Sinne von § 12 Ziff. 3 EStG als Teil der Einkommensteuer zu betrachten und auch aus diesem Grunde bei der Einkommensermittlung nicht abzugsfähig ist.
Die Vorentscheidung war somit aufzuheben und die Berufung des Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408322 |
BStBl III 1956, 26 |
BFHE 1956, 67 |
BFHE 62, 67 |