Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer /Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Ordnungsmäßigkeit der Buchführung eines Arztes.
Normenkette
EStG § 4; AO §§ 160, 162
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist praktischer Arzt. Er ist bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit für den streitigen Veranlagungszeitraum von der überschußrechnung zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) übergegangen.
Bei einer Betriebsprüfung war festgestellt worden, daß
eine ordnungsmäßige Kassenführung nicht vorliege, weil der Kassenanfangsbestand geschätzt worden sei;
über die tatsächlichen Privatentnahmen keine Aufzeichnungen vorlägen, diese vielmehr monatlich pauschaliert worden seien;
der ausgewiesene Endbestand der buchmäßige, nicht der tatsächliche Endbestand sei.
Das Finanzamt hat infolgedessen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verneint und die Gewährung der Vergünstigung des § 10a EStG 1950 abgelehnt. Der Stpfl. bestreitet, daß seine Buchführung nicht ordnungsmäßig sei. Das Finanzamt habe sich genau an den buchmäßig ermittelten Gewinn gehalten, nachdem die Prüfung der Aufzeichnungen mit der Kartei und den Ausgabebelegen zu keiner Beanstandung geführt habe. Einige vom Prüfer angeführte kleinere Mängel müßten als unwesentlich außer Betracht bleiben. Außerdem sei es unbillig, von einem Arzt so weitgehende Aufzeichnungen zu verlangen. Es sei bei ärzten selbstverständlich, keine besondere Kasse zu führen. Der Stpfl. habe seine gesamten Einnahmen laufend aufgezeichnet und dann "am Ende des Monats aus der Differenz zwischen den Einnahmen und den Unkosten seine Privatentnahmen ermittelt".
Das Finanzgericht ist der Rechtsauffassung des Finanzamts beigetreten. Es hat ausgeführt, daß die Inanspruchnahme der Vergünstigung des § 10a EStG 1950 einen Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG voraussetze. Dazu gehöre die Erfassung der Entnahmen und der Einlagen, die im § 4 Abs. 1 EStG ausdrücklich aufgeführt seien. Ohne diese Aufzeichnungen könne der Kassenbestand und damit das Betriebsvermögen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermittelt werden. Das sei aber für die Ermittlung des nichtentnommenen Gewinns von wesentlicher Bedeutung. Deshalb stelle es z. B. § 8 Abs. 2 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) 1950 bei der Vergünstigung des nichtentnommenen Gewinns aus selbständiger Arbeit auf den Bestandsvergleich, also auf die erschöpfende Ermittlung des Betriebsvermögens ab, während es bei den Steuerermäßigungen der sogenannten Siebener-Gruppe genüge, daß der Gewinn aus § 4 Abs. 3 EStG im Rahmen der Buchführungsverordnung ermittelt wird. Hiernach komme es nach dem Zweck dieser Vorschriften auf die Ermittlung des richtigen Gewinns an. Eine Entnahme wirke sich zwar auf den Bestand des Betriebsvermögens, jedoch nicht auf den Gewinn aus, so daß man in den Fällen der Siebener-Gruppe auf die genaue Ermittlung der Entnahmen verzichten könne. Im Gegensatz hierzu sei die Ermittlung der Entnahmen für § 10a EStG von ausschlaggebender Bedeutung.
Der Stpfl. könne sich auch nicht auf die von ihm angeführte Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 27. März 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl. - Teil III S. 122) berufen. In dieser Entscheidung werde die Frage behandelt, wie die Nichtverbuchung oder die unsachgemäße Aufzeichnung von unbaren Geschäftsvorfällen zu beurteilen sei, also von Vorgängen, die das Geschäftsergebnis, d. h. den Gewinn berühren. Im Streitfall handle es sich nicht um die Frage, ob Mängel bei der Verbuchung von Geschäftsvorfällen auf den Gewinn Einfluß haben. Hier sei vielmehr von Bedeutung, daß die Entnahmen aus dem bereits erzielten Gewinn nicht tatsächlich ermittelt, und daß der Kassenbestand zu Beginn und am Ende des Wirtschaftsjahres nur rechnerisch angesetzt und in die Vermögensübersicht aufgenommen worden seien.
Der Stpfl. habe ausgeführt, daß die Entnahmen rechnerisch am Ende des Monats aus dem Unterschiedsbetrag von Einnahmen und Unkosten ermittelt worden seien. Daraus gehe hervor, daß die Entnahmen nicht im Vermögens- also in ihrem Istbestand ermittelt worden sind. Hierin liege aber eine grundsätzliche Abkehr von der bestandsmäßigen Erfassung der Entnahmen und damit des Kassen- Istbestandes, nicht etwa nur eine Fehlbuchung im Einzelfall. Daß es aber jederzeit möglich sein müsse, den Sollbestand nach dem Kassenbuch mit dem inventurmäßigen Istbestand der Kasse auf die Richtigkeit zu prüfen, habe der Bundesfinanzhof in dem Urteil IV 244/52 vom 9. Oktober 1952 ("Der Betrieb", 1952 S. 963) zum Ausdruck gebracht.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) weist erneut darauf hin, daß es sich nicht um einen Gewerbebetrieb, sondern um eine ärztliche Praxis handle. Man könne einem Arzt nicht zumuten, eine Geschäftskasse zu führen. Der Beschwerdeführer (Bf.) beruft sich weiterhin auf § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und wiederholt im wesentlichen seine bisheriges Vorbringen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben, da die Rechtsausführungen der Vorentscheidung in diesem Punkt frei von Rechtsirrtum sind. Wenn der von dem Stpfl. in Bezug genommene Kommentar zum EStG von Blümich-Falk (6. Aufl. Anm. 10 zu § 4 EStG) unter Berufung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 292/27 vom 7. Dezember 1927 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1928 S. 92) ausführt, daß bei freien Berufen die Grundsätze der Buchführung nicht in gleicher Strenge anzuwenden seien wie bei Vollkaufleuten, so trifft das in dieser Allgemeinheit nicht zu.
Das Urteil betrifft eine Sondervorschrift des EStG 1925 (§ 11 Abs. 2). Seine Grundsätze können auf das geltende Recht nicht übertragen werden. Selbst wenn man an die Buchführung der freien Berufe nicht denselben strengen Maßstab anlegen wollte wie bei Vollkaufleuten, so müssen in jedem Falle die Grundsätze erfüllt werden, ohne die von einer ordnungsmäßigen Buchführung im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG nicht mehr gesprochen werden kann. Diese Grenze hat der Stpfl. überschritten, indem er, wie die Vorbehörde zutreffend ausgeführt hat, die Entnahmen am Schlusse eines Monats nur rechnerisch ermittelt hat. Die Berufung des Stpfl. auf das Urteil IV 356/51 U vom 27. März 1952 (BStBl. 1952 S. 122) geht fehl, weil es sich im Streitfall nicht um einen Formfehler, sondern, wie sich das Finanzgericht ausdrückt, um eine grundsätzliche Abkehr von der bestandsmäßigen Erfassung der Entnahmen und damit des Kassenbestandes handelt. Der erkennende Senat hat in dem oben angeführten Urteil IV 244/52 hierzu folgendes ausgeführt: "Die kaufmännische Buchführung verlangt, daß die Kasseneingänge und Kassenausgänge mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalles in einem Kassenbuch aufgezeichnet werden, so daß es jederzeit möglich ist, den Sollbestand nach dem Kassenbuch mit dem inventurmäßigen Istbestand der Kasse auf die Richtigkeit nachzuprüfen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 597/37 vom 24. November 1937, RStBl. 1938 S. 355). Ein Kassenbuch, das grundsätzlich auf diese Vergleichsmöglichkeit verzichtet, das also die Geschäftsvorfälle nicht laufend verbucht und deshalb keine Kontrolle ermöglicht, kann nicht mehr als eine kaufmännische Buchführung in diesem Sinne angesehen werden. Es ist denkbar, daß Kassendifferenzen durch Buchungsfehler vorkommen. über derartige Mängel kann hinweggesehen werden, wenn sie das Prinzip der Kassenführung nicht berühren. Wird aber allgemein bei der Buchführung in den Grundbüchern der oben dargestellte Grundsatz verlassen, so kann die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinns nicht gewährt werden".
An dieser Auffassung wird festgehalten. Die Entwicklung der Verhältnisse hat an dem hier zur Erörterung stehenden Problem einer ordnungsmäßigen Buchführung nichts geändert. Ebensowenig hat sich die Volksanschauung geändert. Die Berufung des Stpfl. auf § 1 StAnpG geht daher fehl.
Fundstellen
Haufe-Index 407825 |
BStBl III 1954, 82 |
BFHE 1954, 448 |
BFHE 58, 448 |
BB 1953, 182 |