Entscheidungsstichwort (Thema)
Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags für Grundbesitz verwaltende Unternehmen
Leitsatz (NV)
Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für Grundbesitz verwaltende Unternehmen, die daneben Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen errichten und veräußern, kann nur gewährt werden, wenn sich die Verkaufstätigkeit als Nebentätigkeit zur Nutzung eigenen Grundbesitzes darstellt. Ob es sich um eine Nebentätigkeit handelt, wird in erster Linie nach dem Verhältnis beurteilt, in dem der Reinertrag aus der Veräußerungstätigkeit zum Gesamtertrag des Betriebs steht.
Normenkette
GewStG i.d.F. des StÄndG v. 18. 7. 1958 (BGBl I 473, BStBl I 412) § 9 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, beschäftigte sich entsprechend ihrem Gesellschaftsvertrag mit dem Bau von Wohnungen und deren Verwaltung, außerdem aber mit der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen. Im November 1975 wurde der Gesellschaftsvertrag geändert; Geschäftsgegenstand sollte nunmehr nur noch der Bau von Wohnungen und deren Verwaltung sein. Ende 1970 hatte die Klägerin 286 selbstverwaltete Wohnungseinheiten nebst Garagen fertiggestellt, während sich 50 Wohneinheiten in der Vorbereitung und Planung befanden; Ende 1977 waren 646 Wohneinheiten fertiggestellt, während sich 53 Einheiten in Vorbereitung und Planung befanden. Außerdem hat die Klägerin in den Jahren 1971 bis 1977 in größerem Umfang Eigenheime errichtet und verkauft. Im einzelnen stellt sich ihre Geschäftstätigkeit nach den Ausführungen des Finanzgerichts (FG) wie folgt dar:
a) Eigen- fertiggestellt angeboten verkauft Umsatz Rohgewinn
heime Stck Stck Stck Mio DM Mio DM
1971 15 73 9 1,05 0,16
1972 13 56 19 3,03 0,19
1973 13 50 13 3,25 0,19
1974 2 37 3 0,83 0,04
1975 10 33 15 2,89 0,07
1976 11 12 6 1,40 ./. 0,01
1977 - 6 5 1,51 ./. 0,01
b) eigener Umsatz Rohgewinn
Wohnbesitz Mio DM Mio DM
1971 1,25 0,07
1972 1,28 0,13
1973 1,38 0,09
1974 1,56 0,08
1975 2,09 0,11
1976 2,26 0,13
1977 2,30 0,24
Die Klägerin beantragte, bei Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge für die Erträge aus beiden Tätigkeiten die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorzunehmen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte diesem Antrag nicht.
Die Klage blieb erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung der Gewerbesteuermeßbescheide 1971 bis 1977 den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf null DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. In § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG war von jeher eine Steuerbegünstigung für Kapitalgesellschaften vorgesehen, die von Gesetzes wegen einen Gewerbebetrieb i.S. des GewStG unterhalten, sich in diesem Betrieb aber mit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes beschäftigen; solche Unternehmen durften den hierauf entfallenden Gewerbeertrag bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags absetzen, auch wenn sie daneben noch eigenes Kapitalvermögen verwalteten.
Diese Steuerbegünstigung berücksichtigte, daß die Nutzung eigenen Grundbesitzes sonst nicht als Gewerbebetrieb anzusehen ist und daß sich eine Doppelbelastung der Grundbesitzerträge mit Grundsteuer und Gewerbesteuer ergeben konnte.
a) Aufgrund des Steueränderungsgesetzes vom 18. Juli 1958 (BGBl I, 473, BStBl I, 412) wurde die Kürzungsmöglichkeit u.a. auf die Erträge aus der Veräußerung von Kaufeigenheimen und Eigentumswohnungen ausgedehnt und Unternehmen in jeder Rechtsform gewährt. Die uneingeschränkte Anwendung dieser Begünstigung hätte bedeutet, daß Wohnungsunternehmen, die auch Kaufeigenheime veräußern, einen gewerbesteuerlichen Vorteil gegenüber solchen Unternehmen erlangen, die sich ausschließlich mit der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen und Eigentumswohnungen beschäftigen. Im Hinblick auch auf den Gesetzeswortlaut, der von einer Verkaufstätigkeit neben der Nutzung eigenen Grundbesitzes spricht, hat der Bundesfinanzhof (BFH) daher entschieden, daß die Steuerbefreiung nur gewährt werden könne, wenn sich die Verkaufstätigkeit als Nebentätigkeit zur Nutzung eigenen Grundbesitzes darstelle (Urteil vom 7. April 1967 VI 294/65, BFHE 89, 130, BStBl III 1967, 559). Diese Auffassung ist in einer Vielzahl späterer Entscheidungen bestätigt worden (z. B. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1967 IV 183/65, BFHE 90, 180, BStBl II 1968, 16; vom 25. Februar 1970 I R 146/67, BFHE 98, 265, BStBl II 1970, 387; vom 13. September 1972 I R 185/70, BFHE 106, 546, BStBl II 1972, 887; vom 1. Februar 1973 I R 87/71, BFHE 108, 366, BStBl II 1973, 410; vom 25. Februar 1976 I R 77/74, BFHE 118, 361, BStBl II 1976, 431; vom 12. März 1980 I R 99/78, BFHE 130, 332, BStBl II 1980, 470; vom 31. Juli 1980 I R 30/77, BFHE 130, 543, BStBl II 1980, 662; vom 12. September 1985 VIII R 241/81, BFHE 145, 71). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Rechtsprechung aus verfassungsrechtlicher Sicht gebilligt (Beschlüsse vom 20. März 1969 1 BvR 568/67, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 9, Rechtsspruch 25, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1969, 348; vom 29. August 1974 1 BvR 157/73, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 9, Rechtsspruch 49, HFR 1974, 459).
b) Ob es sich um eine Nebentätigkeit handelt, wird in erster Linie nach dem Verhältnis beurteilt, in dem der Reinertrag (Teilgewinn) aus der Veräußerungstätigkeit zum Gesamtertrag (Gesamtgewinn) des Betriebes steht. Dabei ist zunächst ein Anteil von mehr als 25 v.H., zuletzt ein Anteil von mehr als 10 v.H., als nicht mehr unbedeutend bezeichnet worden (Urteile in BFHE 118, 361, BStBl II 1976, 431; in BFHE 145, 71).
Daneben hat die Rechtsprechung aber auch dem absoluten Umfang der Verkaufstätigkeit Bedeutung beigemessen. Danach sollte eine Bau- und Veräußerungstätigkeit, die über den Zeitraum von mehreren aufeinanderfolgenden Jahren hinweg in ihrem Umfang derjenigen eines eigenständigen Bauunternehmens entspricht, nicht mehr als Nebentätigkeit anzusehen sein (vgl. BFHE 130, 332, BStBl II 1980, 470).
2. Der erkennende Senat tritt dieser Rechtsprechung bei.
a) Die Revision will sie mit dem Hinweis in Frage stellen, daß die Verkaufstätigkeit deshalb in die Steuervergünstigung aufgenommen worden sei, weil die steuerbefreiten gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in großem Umfang Bau- und Verkaufstätigkeit betrieben hätten, so daß es auf das Verhältnis zwischen den Erträgen aus der Nutzung eigenen Grundbesitzes und aus der Verkaufstätigkeit nicht ankommen könne. Dieser Auffassung ist aber bereits das Urteil in BFHE 118, 361, BStBl II 1976, 431 nicht gefolgt, weil die genannten Erwägungen sich nicht im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hätten. Eine etwa gegenüber der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft bestehende Ungleichheit kann zudem nicht dadurch beseitigt werden, daß eine neue Ungleichheit gegenüber solchen Unternehmen geschaffen wird, die sich ausschließlich dem Bau und Verkauf von Eigenheimen und Eigentumswohnungen widmen; hierzu würde sich vielmehr eine Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts anbieten.
Der Klägerin ist einzuräumen, daß die gewerbesteuerliche Begünstigung der Bau- und Verkaufstätigkeit unter den von der Rechtsprechung genannten Bedingungen nur geringe Bedeutung erlangen kann und daß eine Härte darin gesehen werden kann, daß bei einer Überschreitung des als zulässig angesehenen Umfangs auch die Erträge aus dem eigenen Grundbesitz die gewerbesteuerliche Begünstigung verlieren. Doch lassen sich diese Folgen angesichts der geschilderten Gesetzeslage nicht vermeiden, die auch nicht die Ermittlung eines gesonderten Gewerbeertrags für beide Tätigkeitsbereiche vorsieht. Ein betroffenes Wohnungsunternehmen konnte diesen Nachteilen jedoch dadurch entgehen, daß es die Bau- und Verkaufstätigkeit in ein eigenes, dann in vollem Umfang gewerbesteuerpflichtiges Unternehmen ausgliederte.
Durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1523, BStBl I, 235) ist § 9 Nr. 1 GewStG dahin abgeändert worden, daß im Falle gleichzeitiger Bau- und Verkaufstätigkeit nur noch die Gewinne aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes vom Gewerbeertrag gekürzt werden dürfen, die Begünstigung der Verkaufstätigkeit also entfallen ist. Ob im Hinblick hierauf noch verlangt werden kann, daß die Verkaufstätigkeit lediglich Nebenbedeutung hat, kann auf sich beruhen. Denn die gesetzliche Neuordnung gilt erstmals für den Erhebungszeitraum 1982 (§ 36 GewStG i.d.F. des 2. HStruktG), hat für die Streitjahre also keine Bedeutung.
b) Der Senat hält auch die in der Rechtsprechung genannten Größenmerkmale zur Abgrenzung der Nebentätigkeit für zutreffend. Dabei erweist sich auch eine absolute Betrachtungsweise als erforderlich, weil eine nur relative Betrachtung dazu führen kann, daß eine sehr umfangreiche Bau- und Verkaufstätigkeit als steuerbegünstigt angesehen und dadurch der im Gleichheitsinteresse zu vermeidende Wettbewerbsvorteil an Wohnungsunternehmen gewährt wird.
3. Im Streitfall stellt sich die Bau- und Verkaufstätigkeit der Klägerin nicht als Nebentätigkeit zur Verwaltung und Nutzung eigenen Wohnbesitzes dar.
a) Das ergibt sich für die Jahre 1971 bis 1975 bereits bei Anwendung der relativen Betrachtungsweise. Das FG hat in diesem Zusammenhang die von der Klägerin in ihren Bilanzberichten selbst ermittelten Umsätze und Rohgewinne aus beiden Sparten vor Abzug der gemeinsamen Verwaltungskosten gegenübergestellt. Danach machten die Umsätze und Gewinne aus der Verkaufstätigkeit stets erheblich mehr als 10 v.H. der Gesamtsumme aus.
Die Klägerin will hingegen dem Rohgewinn aus der Bewirtschaftung eigenen Grundbesitzes die gezahlten Dauerschuldzinsen hinzurechnen und von dieser Summe die nach den Umsätzen in beiden Bereichen verteilten Verwaltungskosten absetzen; sie kommt dadurch zu erheblich höheren Erträgen für den Bereich der Grundbesitzverwaltung und einem erheblich niedrigeren Anteil der Erträge aus der Verkaufstätigkeit. Eine derartige Rechnung gibt das Gewicht beider Betätigungsbereiche aber nicht zutreffend wieder. Die Rechtsprechung ist nicht in dieser Weise verfahren, sondern hat auf das Verhältnis der betrieblichen Gewinne abgestellt (vgl. Urteile in BFHE 106, 546, BStBl II 1972, 887; in BFHE 130, 543, BStBl II 1980, 662). Die Klägerin ist deswegen nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, daß das FG auf ihre Berechnung nicht eingegangen ist. Ebensowenig kann sie beanspruchen, daß bei den Mieterträgen nur eine Absetzung für Abnutzung von 1 v.H. berücksichtigt wird. Mit diesem Betrag mag kalkulatorisch bei der Bemessung der preisrechtlich gebundenen Mieten gerechnet worden sein. Für die Streitfrage ist jedoch der bilanzielle Aufwand maßgebend, den die Klägerin, wie auch sonst üblich, mit 2 v.H. angenommen hat.
1b) Eine abweichende Beurteilung ist auch für die Jahre 1976 und 1977 nicht erforderlich. In diesen Jahren haben sich aus der Verkaufstätigkeit zwar negative Rohgewinne ergeben, doch führt in diesen Jahren die absolute Betrachtungsweise zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Verkaufstätigkeit nicht um eine Nebentätigkeit handelte. Die Klägerin hat während dieser Jahre noch immer eine nicht unerhebliche Anzahl von Kaufeigenheimen am Markt angeboten und in diesem Bereich tatsächlich auch Umsätze erzielt, die mit denen in den Vorjahren vergleichbar waren. Daß sich in einigen Jahren aus der Verkaufstätigkeit Verluste ergeben haben, muß, wie sich aus der Entscheidung in BFHE 130, 332, BStBl II 1980, 470 ergibt, außer Betracht bleiben; zu derartigen Entwicklungen kann es vor allem im Hinblick auf den Konjunkturablauf auch bei Unternehmen kommen, die sich nur der Verkaufstätigkeit widmen. Im Streitfall stehen die Verluste ersichtlich in Zusammenhang mit der Abwicklung der Verkaufstätigkeit. Auch diese Phase gehört aber in die Entwicklung eines Unternehmens und unterliegt der Gewerbesteuer. Sie kann im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht unbeachtet bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 415499 |
BFH/NV 1988, 732 |