Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 316 AO fest, daß einem Rechtsanwalt, der im finanzgerichtlichen Verfahren in eigener Sache obgesiegt hat, ein Anspruch auf Erstattung eigener Gebühren nicht zusteht.
Normenkette
GG Art. 3; AO § 316 a. F
Tatbestand
Gegenstand des Streites ist die Frage, ob einem Rechtsanwalt, der im finanzgerichtlichen Verfahren in eigener Sache mit endgültigem Erfolg tätig geworden ist, nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957, hier Artikel X § 3 (BGBl 1957 I S. 861, 931), durch den § 91 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) geändert wurde, ein Anspruch auf Erstattung eigener Gebühren zusteht.
Die Vorinstanz hat die Frage unter ausdrücklicher Ablehnung der sie verneinenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) VII 178/60 U vom 29. März 1961 (BStBl 1961 III S. 247, Slg. Bd. 72 S. 680) bejaht.
Hiergegen richtet sich die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassene, nunmehr als Revision zu behandelnde Rb. der Oberfinanzdirektion (OFD), die unter Hinweis auf das erwähnte BFH-Urteil Aufhebung der Vorentscheidung beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) ist der Auffassung, daß § 316 Abs. 2 AO nur die Kostenerstattung für die Zuziehung eines Rechtsanwalts regle und daß daher für die hier zu entscheidende Frage, ob § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO, wonach einem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte, anwendbar sei, nicht von § 316 Abs. 2 AO, sondern allein von Abs. 1 auszugehen sei. Dieser aber werde durch § 316 Abs. 3 AO in Verbindung mit § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO für den in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt ergänzt bzw. dahin erweitert, daß er anstelle der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen -- das seien nur die anteiligen Praxisunkosten -- die Gebühren verlangen könne, die ihm als zugezogenem Anwalt gegen einen Mandanten nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) zustehen würden. Der Auffassung des BFH in seinem oben erwähnten Urteil vom 29. März 1961, daß es einer Änderung des § 316 AO bedurft hätte, wenn § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO auch für die AO hätte Anwendung finden sollen, sei entgegenzuhalten, daß umgekehrt § 316 AO geändert und die Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO ausdrücklich hätte ausgeschlossen werden müssen, wenn diese Bestimmung nicht hätte Anwendung finden sollen. Der rechtliche Inhalt des § 316 AO habe sich durch die Überführung des § 7 BRAGebO in den § 91 Abs. 2 ZPO geändert; denn § 316 Abs. 3 AO erkläre nicht den § 7 BRAGebO für anwendbar, wohl aber den § 91 Abs. 2 ZPO.
Der Senat vermag dieser Argumentation nicht zu folgen. Es ist nach seiner Auffassung unrichtig, den Abs. 1 des § 316 AO losgelöst von Abs. 2 zu lesen. Grundsätzlich werden in einem Steuerprozeß dem Steuerpflichtigen als unmittelbarem Verfahrensbeteiligten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen erstattet. Diese Vorschrift wurde in Abs. 2 lediglich dahin ergänzt, daß in Verfahren vor den FGen für einen zugezogenen Bevollmächtigten oder Beistand die von diesem erhobenen Gebühren, bei Rechtsanwälten die vollen Gebühren nach der BRAGebO, erstattungsfähig sind. Damit regelte § 316 Abs. 1 und 2 AO das materielle Kostenerstattungsrecht des Steuerprozesses abschließend. Die unverändert gebliebene Bezugnahme in § 316 Abs. 3 AO auf § 91 ZPO konnte sich daher nur auf die dort enthaltenen ergänzenden Bestimmungen beziehen, soweit sie den in § 316 Abs. 1 und 2 AO abschließend geregelten Kostenerstattungsanspruch im Steuerprozeß nicht materiell erweitern.
Wollte man eine andere Auffassung vertreten, dann hätte der das materielle Kostenerstattungsrecht der ZPO insoweit ergänzende § 7 BRAGebO auch schon früher Anwendung finden müssen, da der § 316 Abs. 3 AO eine entsprechende Anwendung des Kostenerstattungsrechts des § 91 ZPO vorsah, eine Ansicht, die auch schon im Schrifttum vertreten worden war (siehe hierzu Boeker, Kostenrecht im steuerlichen Rechtsmittelverfahren, 2. Aufl., S. 115).
Der Senat vermag jedoch aus den vorgenannten Gründen weder für die Zeit vor noch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 die Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu bejahen.
Der Senat vermag auch nicht der in den Vorinstanzen vorgetragenen Auffassung des Revisionsbeklagten zu folgen, daß die Regelung in § 316 Abs. 2 AO mit Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Widerspruch stehe. Denn der Rechtsanwalt führte seinen eigenen Steuerprozeß als Steuerpflichtiger selbst und § 316 AO behandelte ihn insoweit nicht schlechter als alle anderen Steuerpflichtigen, die nicht Rechtsanwälte sind.
Nach allem hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 316 AO fest, daß einem Rechtsanwalt, der im finanzgerichtlichen Verfahren in eigener Sache obgesiegt hat, ein Anspruch auf Erstattung eigener Gebühren nicht zustand.
Auf die Revision der OFD war daher die Vorentscheidung aufzuheben und in der spruchreifen Sache die nunmehr als Klage zu behandelnde Berufung abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411927 |
BStBl III 1966, 211 |
BFHE 1966, 582 |