Leitsatz (amtlich)
Werbegegenstände im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AZO können auch solche Waren sein, die dazu verwendet werden, für Waren ihrer eigenen Art und Beschaffenheit zu werben.
Normenkette
ZG § 24 Abs. 1 Nr. 1a; AZO § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 2
Tatbestand
Für die Klägerin wurden im März 1962 51 Packungen feiner Backwaren zum freien Verkehr abgefertigt. Die Packungen waren der Klägerin gratis geliefert worden und waren durch Aufschriften als „Echantillon gratuit” bezeichnet. Von den gegen Entgelt gelieferten Packungen unterschieden sie sich durch höheres Gewicht des Inhalts (300 statt 190 Gramm) und durch einfachere Aufmachung (einfachere Kartons, keine Verwendung von Fettpapier mit Stannioleinlage). Die Zollstelle erhob 13,90 DM Eingangsabgaben. Mit dem Einspruch begehrte die Klägerin, die Ware als nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) abgabenfreie Werbegegenstände zu behandeln. Das Hauptzollamt (HZA) wies den Einspruch zurück. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit folgender Begründung statt:
Bei der Prüfung der Frage, ob eine Ware als Werbegegenstand anzusehen sei und sie die Voraussetzungen des § 34 AZO erfülle, müsse auf die Ware als Ganzes abgestellt werden, im vorliegenden Falle also nicht nur auf die Backware selbst, sonder auch auf ihre Verpackung sowie auf deren Aufmachung und Beschriftung. Betrachte man hier die eingeführte Ware auf diese Weise als Sachgesamtheit, so sei, wie das HZA inzwischen auch zugestanden habe, nicht zu verkennen, daß es sich bei ihr um einen Werbegegenstand handle. Die Voraussetzungen des § 34 AZO für die Abgabenfreiheit seien dann ebenfalls eindeutig gegeben. Die eingeführten Gratispackungen unterschieden sich zumindest in der Aufmachung, Ausführung und Beschriftung von Waren des üblichen Verkehrs. Die Packungen seien durch ihre Bezeichnung als Gratisware eindeutig vom üblichen Gebrauch, nämlich vom Erwerb gegen Entgelt bei einem im Geschäftsverkehr üblichen Angebot ausgenommen. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 34 AZO, daß die Eigenschaft als Werbemittel augenscheinlich ist und daß der wesentliche Zweck der Ware darin besteht, zum Kauf im Zollausland hergestellter Waren anzuregen, seien erfüllt. Mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) V z 141/54 U vom 26. Juli 1955 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 61 S. 295 – BFH 61, 295 –, BStBl III 1955, 311, Bundeszollblatt 1955 S. 731 – BZBl 1955, 731 –) sei davon auszugehen, daß es genüge, wenn die besondere Gestaltung der Ware die Möglichkeit erkennen lasse, zum Kauf anzuregen und so zu werben. Das sei hier der Fall.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das HZA die Verletzung des § 24 (ZG) und der §§ 34, 35 AZO. Es macht geltend:
Das FG habe die Gratispackungen zu Unrecht als „Werbegegenstände” im Sinne des § 34 AZO angesehen. Es handle sich um Proben im Sinne des § 35 AZO. Außerdem seien die Voraussetzungen des § 34 AZO für die Zollfreiheit von Werbegegenständen nicht erfüllt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AZO müßten sich Werbegegenstände durch ihre Aufmachung, Beschaffenheit oder Menge von Waren des üblichen Warenverkehrs unterscheiden. Aus dem Sinn des § 34 AZO ergebe sich, daß nicht jede beliebige Unterscheidung genügen könne, sondern nur solche Unterschiede gemeint sein könnten, die die Eigenschaften der Ware gerade in Richtung auf den Werbezweck hin veränderten. Die vom FG herausgestellten Unterschiede der Gratispackungen gegenüber den handelsüblichen seien derart, daß sie mit dem Zweck der Werbung nichts zu tun hätten oder ihm geradezu entgegenstünden. Die Beschriftung der Packungen weise nur auf die unentgeltliche Abgabe hin. Sie und die einfache Verpackung seien nicht werbender Natur, also nicht geeignet, zum Kauf gerade dieser Ware anzureizen. Der im Verhältnis zu den entgeltlich gelieferten Packungen größere Inhalt widerspreche der Natur eines Werbegegenstandes. Es sei mit kaufmännischem Denken unvereinbar, als Werbegegenstände besonders große Packungen zu verschenken.
Auch die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 AZO seien nicht erfüllt, weil die Eigenschaft der Ware als Werbemittel nicht „augenscheinlich” sei. Da der Werbezweck der Ware nicht auf andere Waren, sondern auf sie selbst bezogen sei, habe Zollfreiheit allenfalls nach den Bestimmungen des § 35 AZO über Proben in Betracht kommen können, dessen Voraussetzungen aber nicht erfüllt seien.
Das HZA hat beantragt, das FG-Urteil aufzuheben.
Der Bundesminister der Finanzen – BdF – (jetzt: Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen – BMWF –) hat sich den Standpunkt des HZA zu eigen gemacht und hervorgehoben: Kekspackungen in der vorliegenden schlichteren Aufmachung und größeren Menge seien Waren des üblichen Warenverkehrs. Ein Unterschied gegenüber solchen Waren könne allenfalls darin liegen, daß die Packungen den Hinweis auf eine unentgeltliche Abgabe tragen. Aber dieser Hinweis sei für die Werbung unerheblich und beeinträchtige den üblichen Gebrauch der Packungen nicht wesentlich. Das FG habe daher die Packungen zu Unrecht als Werbegegenstände angesehen. Die Frage der Zollfreiheit sei allein nach § 35 AZO zu entscheiden und danach zu verneinen.
Der BMWF hat beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 a ZG kann der BdF (jetzt BMWF) durch Rechtsverordnung Zollfreiheit anordnen für Waren, die nicht oder nicht mehr am Güterumsatz und an der Preisbildung teilnehmen. Als Beispiele sind in dieser Vorschrift u. a. Werbemittel sowie Warenmuster und -proben erwähnt. Der BdF hat die Anordnungen über die Zollfreiheit von Werbemitteln in § 34 Abs. 1 AZO getroffen, in dem es heißt:
„Zollfrei sind folgende Werbemittel, die unentgeltlich eingeführt und nicht zur entgeltlichen Abgabe im Zollgebiet bestimmt sind:
- Werbedrucke …
- Listen und Jahrbücher ausländischer Hotels …
- Merkblätter, Broschüren oder ähnliche Drucke …,
- Werbegegenstände, die sich durch ihre Aufmachung, Beschaffenheit oder Menge von Waren des üblichen Warenverkehrs unterscheiden; eine Kennzeichnung, die den üblichen Gebrauch der Ware nicht wesentlich beeinträchtigt, genügt nicht für eine solche Unterscheidung.
Die Zollfreiheit der … Werbegegenstände (Nr. 4) hängt davon ab, daß ihre Eigenschaft als Werbemittel augenscheinlich ist und ihr wesentlicher Zweck darin besteht, zum Kauf oder zur Miete im Zollausland hergestellter Waren … anzuregen …”
Weder der Gesetzgeber noch der Verordnungsgeber hat den Begriff „Werbegegenstände” näher bestimmt. Der § 34 Abs. 1 Satz 2 AZO geht zwar davon aus, daß Werbegegenstände einen bestimmten Zweck haben, und er verlangt für die Gewährung der Zollfreiheit, daß die Eigenschaft der Werbegegenstände als Werbemittel augenscheinlich ist, bringt aber damit keine Begriffsbestimmung. Dem Wortsinne nach können unter „Werbegegenständen” alle Waren verstanden werden, die zur Werbung verwendet werden. Für den Begriff des Werbegegenstandes kann es keine Rolle spielen, wofür mit dem Gegenstand geworben wird. Werbegegenstände können daher auch solche Waren sein, die dazu verwendet werden, für Waren ihrer eigenen Art und Beschaffenheit zu werben. Das gilt besonders dann, wenn von Lebens- oder Genußmitteln „Kostproben” an Verbraucher abgegeben werden, um bestimmte, den „Proben” entsprechende Waren anzupreisen und die Verbraucher zum Kauf solcher Waren anzureizen. Das entspricht dem § 34 Abs. 1 Satz 2 AZO, der nicht verlangt, daß sich der Werbezweck auf Waren bezieht, die sich von den Werbegegenständen unterscheiden.
„Warenmuster” und „Warenproben” im Sinne des § 24 ZG sind kleine Warenmengen, die nur die Beschaffenheit einer bestimmten Handelsware kennzeichnen oder belegen sollen (vgl. § 35 Abs. 1 AZO). Ihr Hauptzweck beschränkt sich auf die objektive Vermittlung der Eigenschaften einer Handelsware, erstreckt sich also nicht wie bei „Kostproben” und sonstigen Werbegegenständen darauf, die Handelsware anzupreisen und für sie Abnehmer zu gewinnen.
Die Auffassung des HZA, in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AZO könnten nur solche Unterschiede gemeint sein, die die Beschaffenheit oder sonstige Eigenschaften der Waren gerade in Richtung auf den Werbezweck hin verändern, vermag der Senat nicht zu teilen. Durch die Begriffe „Werbemittel” und „Werbegegenstände” geht die Vorschrift zwar davon aus, daß es sich um Waren handeln muß, durch deren Verwendung ein bestimmter Zweck, nämlich die Werbung, verfügt werden soll, sie stellt aber dann im übrigen nur darauf ab, daß sich diese Waren durch ihre Aufmachung, Beschaffenheit oder Menge von Waren des üblichen Warenverkehrs unterscheiden. Es kommt demnach nur darauf an, daß in der Aufmachung, Beschaffenheit oder Menge überhaupt ein Unterschied gegenüber Waren des üblichen Warenverkehrs vorliegt. Daran ändert nichts, daß nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AZO die Eigenschaft der Werbegegenstände als Werbemittel „augenscheinlich” sein muß. Denn damit ist nur gesagt, daß die Ware nach den gesamten Umständen unschwer als Werbemittel erkennbar sein muß. Es wäre überspitzt zu fordern, daß Erkennen des Charakters als Werbemittel bereits auf den ersten oberflächlichen Blick hin möglich sein müßte (BFH-Urteil V z 141/54 U vom 26. Juli 1955, a. a. O.) Auch die Forderung des § 34 Abs. 1 Satz 2 AZO, der wesentliche Zweck der Werbegegenstände müsse darin bestehen, zum Kauf … im Zollausland hergestellter Waren … zu werben, erstreckt sich nicht darauf, daß der im Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 erwähnte Unterschied den Werbezweck erkennen lassen muß; die Forderung des § 34 Abs. 1 Satz 2 AZO nach einem bestimmten Zweck der Werbegegenstände steht vielmehr selbständig neben der Forderung des Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 nach einem bestimmten Unterschied gegenüber Waren des üblichen Warenverkehrs.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die in Rede stehende Ware die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AZO erfüllt hat. Nachdem die Klägerin Zollfreiheit nach dieser Vorschrift gefordert und das HZA unter Aufgabe seiner bisherigen Meinung, so handle sich um Warenproben, die Ware als „Werbegegenstand” anerkannt hatte, konnte sich das FG auf die Entscheidung der übrig gebliebenen Streitpunkte, insbesondere der Frage beschränken, ob sich diese Werbegegenstände „durch ihre Aufmachung, Beschaffenheit oder Menge von Waren des üblichen Warenverkehrs unterscheiden”. Die Entscheidung des FG, die als Werbegegenstände anzusehenden Packungen unterscheiden sich durch ihre Aufmachung von Waren des üblichen Warenverkehrs, läßt sich rechtlich nicht beanstanden. Denn das FG hat hierfür bestimmte Tatsachen angeführt, nämlich die auf kostenlose Abgabe hindeutenden Aufschriften und das Fehlen einer der Haltbarkeit und dem Schutz vor Witterungseinflüssen dienenden Umhüllung des Gebäcks. Es lag im Rahmen der dem FG durch § 96 Abs. 1 (FGO) zustehenden freien Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, in diesen Tatsachen einen Unterschied zwischen der Aufmachung der in Rede stehenden Ware und der Aufmachung von Waren des üblichen Warenverkehrs zu sehen. Da bereits ein Unterschied in der Aufmachung für die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AZO ausreicht, kam es nicht darauf an, ob sich die Werbegegenstände auch durch ihre Menge von Waren des üblichen Warenverkehrs unterscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 514785 |
BFHE 1972, 392 |