Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung des Begriffs „Händler” im Sinne des Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 3 HSG vom 20. Dezember 1965 (BGBl I, 2065, GVBl Berlin. 2056).
Normenkette
HSG Art. 21 § 2 Abs. 1, 4; GG Art. 3, 14
Tatbestand
Der bei der Spirituosengroßhandlung N. als Geschäftsführer tätige Kläger kaufte im Hinblick auf die zum 1. Januar 1966 zu erwartende Erhöhung der Branntweinsteuer von seinem Arbeitgeber in der Zeit vom 3. bis 31. Dezember 1965 eine größere Spirituosenmenge in der Absicht, sie später mit Gewinn weiterzuverkaufen. Er lagerte die gekauften 8 790 Stück 0,7-Liter-Flaschen und 120 Stück 0,35-Liter-Flaschen Spirituosen verschiedener Sorten in einem Keller des Einfamilienhauses seiner Mutter. Der Kaufpreis, den der Kläger bar bezahlte, lag einige Prozente unter dem üblichen Großhandelspreis, Er wurde nach der Behauptung des Klägers mit 9 000 DM Eigenkapital und 31 462,70 DM aus Krediten finanziert. In der Zeit von Januar bis zum 20. April 1966 will der Kläger 894 Stück 0,7-Liter-Flaschen Spirituosen an sechs bis acht Personen ohne Gewinn weiterverkauft bzw. einen geringen Teil an seine Kreditgeber verschenkt haben. Das Hauptzollamt (HZA) forderte mit Steuerbescheid vom 23. September 1966 von dem Kläger eine Branntweinnachsteuer von 22 052,35 DM mit der Begründung, er habe als Händler im Sinne des Haushaltssicherungsgesetzes (HSG) vom 20. Dezember 1965 (BGBl I, 2065, GVBl Berlin, 2056, BZBl 1965, 1146) am 1. Januar 1966 Branntwein mit einer Weingeistmenge von abgerundet 2 321,3 l in Besitz gehabt.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision wird beantragt, unter Änderung der Vorentscheidung die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid vom 23. September 1966 aufzuheben.
Es wird geltend gemacht, daß Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 3 HSG verletzt sei. Der Kläger sei nicht Händler im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Das HSG selbst erläutere den Begriff des Händlers nicht. Auch in sonstigen Steuergesetzen werde dieser Begriff weder verwendet noch erläutert. Auszugehen sei daher von dem Sprachgebrauch. Zur Auffassung des Finanzgerichts (FG), Händler sei, wer Kaufgeschäfte mache, sei zu bemerken, daß man darunter sowohl den Ankauf als auch den Verkauf verstehe. Bei der einzelnen Person des Händlers müßten mehrere Kaufgeschäfte, mehrere Ankäufe und mehrere Verkäufe vorliegen. Der Kläger habe aber nur einen einzigen Ankauf, wenn auch mehrere Verkäufe vorgenommen. Meist werde für den Händlerbegriff Gewerbsmäßigkeit vorausgesetzt. Dazu gehöre nach hergekommener Auffassung ebenfalls immer eine Mehrzahl von Ankaufs- und Verkaufsgeschäften. § 1 HGB gehe davon aus, daß ein Handel immer eine Wiederholung von Geschälten darstellen müsse, daß der Begriff aber niemals bei einem Einzelgeschäft oder einem einzelnen Ankauf erfüllt sein könne. Auch die Reichsabgabenordnung (AO) verwende den Begriff immer nur bei gewerbsmäßig betriebenem Handel, so insbesondere in § 200. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Gewerbsmäßigkeit Voraussetzung für die Anwendung des Begriffs Handel im Zivilrecht oder im Steuerrecht sei, denn Gewerbsmäßigkeit liege hier nicht vor. Auch sonst fänden sich nirgends Auslegungen des Begriffs „Handel” oder „Händler”, wie sie das HZA und das FG vornähmen. Deren Auffassung lasse sich auch nicht aus § 1 StAnpG rechtfertigen.
Im Streitfalle handle es sich um ein Spekulationsgeschäft. Solche Spekulationsgeschäfte kämen in allen Branchen und auf allen Gebieten vor. Sie seien durchaus nicht auf „Händler” beschränkt.
Das HSG hätte auf den vorliegenden Fall überhaupt nicht angewendet werden dürfen. Der darin verwendete Händlerbegriff werde auf den Beginn des 1. Januar 1966 abgestellt. Zu diesem Zeitpunkt und später habe der Kläger sich im Sinne eines Ankaufs überhaupt nicht betätigt. Die gesamte in Rede stehende Ware sei von ihm vorher käuflich erworben worden und sei auch vor dem 1. Januar 1966 in seinen Besitz gelangt. Er sei also am 1. Januar 1966 als Privatperson Besitzer der Ware gewesen. Durch die späteren Verkäufe allein habe der Kläger nicht „Händler” werden können, denn zum Händlerbegriff gehöre auch immer der Ankauf von Ware. Eine Rückwirkung des Händlerbegriffs auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des HSG würde mit Art. 14 des Grundgesetzes (GG) und schlechthin mit den Grundsätzen der Rechtlichkeit unvereinbar sein.
Der Kläger stelle nicht in Abrede, daß er beim Ankauf der Spirituosen die Absicht der Gewinnerzielung durch Weiterverkauf gehabt habe. Diese Absicht habe jedoch mit dem Begriff „Händler” im Sinne des HSG nichts zu tun. Gewinne würden nicht nur vom „Händler” erstrebt, sondern laufend im täglichen Leben auch von Personen, die zweifelsfrei nicht als Händler anzusprechen seien. Bei dem auf Veranlassung des HZA vorgenommenen Weiterverkauf könne sich der Kläger auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. Es sei unvertretbar, daß das HZA den Kläger auf der einen Seite zwinge, Verkäufe vorzunehmen und Erlöse abzuführen, um dann auf der anderen Seite aus diesen erzwungenen Geschälten die Auffassung herzuleiten, der Kläger sei Händler im Sinne des HSG.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Durch den Erwerb der Branntweinerzeugnisse mit dem Ziele der Weiterveräußerung an Endverbraucher sei der Kläger in den Kreis der Branntweinhändler im Sinne des HSG eingetreten. Als Händler im Sinne des Art. 21 § 2 Abs. 1 HSG könne nicht nur angesehen werden, wer fortgesetzt oder gewerblich mit Branntwein handle. Es sei allein darauf abgestellt, ob der am 1. Januar 1966 vorhandene Bestand zum Handel, also zum Verkauf bestimmt gewesen sei. Das seien aber Warenbestände auch dann, wenn es sich beim An- und Verkauf der Waren lediglich um ein einmaliges Spekulationsgeschäft handle. Auch im übrigen Branntweinmonopolrecht werde unter Branntweinhandel jedes Kaufen oder Verkaufen verstanden, wobei es nicht darauf ankomme, daß diese Tätigkeit im Rahmen eines Handelsgewerbes ausgeübt werde. Zweck der Nachversteuerung sei es gewesen, als einmalige Übergangsmaßnahme alle Branntweinvorräte, die sich bei Inkrafttreten der durch Art. 21 § 1 HSG erhöhten Branntweinsteuersätze bereits im Handel befunden hätten, zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen der Nachsteuer zu unterwerfen. Lediglich die nicht mehr im Handel befindlichen Bestände seien nicht erfaßt worden. Verbrauchsteuerpflichtige Waren seien aber erst dann nicht mehr im Handel, wenn sie bereits in die Hände eines Endverbrauchers übergegangen seien. Die Ausrichtung des Begriffs „Händler” nach § 1 HGB sei zu formalistisch und werde der damaligen Wettbewerbssituation nicht gerecht. Wer Waren ankaufe und horte, um sie nach dem Stichtag mit Gewinn zu verkaufen, trete in eine Händlerfunktion ein und nehme am Wettbewerb teil. Er sei nicht als Endverbraucher anzusehen.
Auch die Steuergerechtigkeit gebiete es, den Begriff „Händler” weit auszulegen. Unter die Nachversteuerungspflicht könne nicht nur fallen, wer Kaufmann nach § 1 HGB sei, sondern auch, wer praktisch am Wettbewerb teilnehme.
Das HSG wirke auch nicht zurück, da es für die Erhebung der Steuer auf den Besitz in einem Zeitpunkt nach der Verkündung abstelle. Der Besteuerungsvorgang selbst sei in diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen; denn Steuerträger sei der Verbraucher, der die Branntweinerzeugnisse noch nicht erworben gehabt habe.
Die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung des Art. 3 GG sei nicht begründet.
Der Kreis der Nachsteuerpflichtigen, bei denen die Steuer habe erhoben werden sollen, sei unter Berücksichtigung der in ihrem Besitz befindlichen Menge an nachsteuerpflichtigen Erzeugnissen begrenzt worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Der Kläger ist als Händler im Sinne des Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 3 HSG anzusehen.
Durch das HSG wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1966 die Branntweinsteuer für Branntwein zu Trinkzwecken für 1 hl Weingeist von 1 000 DM auf 1 200 DM erhöht, in Berlin von 250 DM auf 1 200 DM (Art. 21 § 1 Nr. 2). Außerdem wurden Branntwein zu Trinkzwecken und die hieraus hergestellten Erzeugnisse, die sich zu Beginn des 1. Januar 1966 im freien Verkehr befanden, einer Nachsteuer unterworfen (Art. 21 § 2 Abs. 1 HSG). Die Nachsteuer betrug für 1 hl Weingeist 200 DM, in Berlin 950 DM. Die Nachsteuerschuld entstand mit Beginn des 1. Januar 1966. Steuerschuldner wurde der Hersteller oder Händler, der die nachsteuerpflichtigen Waren im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz hatte (Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 2 HSG). Außerdem war in Art. 21 § 2 Abs. 4 HSG bestimmt, daß von der Nachsteuer befreit ist, wer zu Beginn des 1. Januar 1966 nicht mehr als den Inhalt von 1 000 0,7-Liter-Flaschen Trinkbranntwein im Besitz hat.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger im Dezember 1965 größere Mengen Spirituosen gekauft, um diese nach der Branntweinsteuererhöhung am 1. Januar 1966 mit Gewinn weiterzuverkaufen. Im HSG selbst ist der Begriff „Händler” nicht definiert. Da es im Streitfall um Branntweinsteuer geht, erhebt sich die Frage, ob der Begriff „Händler” sich im Branntweinmonopolgesetz (BrMonG) oder seinen Ausführungsbestimmungen findet und dort definiert ist oder sich aus den dortigen Vorschriften auslegen läßt.
Im BrMonG ist in § 1 Nr. 5 vom „Branntweinhandel”, in § 45 vom „Handel mit Branntwein” die Rede, desgleichen in § 106. In § 96 BrMonG wird der Begriff „Wiederverkäufer” verwendet für Personen, die sich gewerbsmäßig mit dem Verkauf von Trinkbranntwein an Verbraucher befassen. In § 91 Abs. 1 der Branntweinverwertungsordnung (VwO) ist bestimmt, daß, wer mit vollständig vergälltem Branntwein „handeln” will, dies der Zollstelle anzuzeigen und dabei die Verkaufsstelle anzugeben hat. In Abs. 4 a. a. O. wird eine solche Person als „Gewerbetreibender” bezeichnet. § 92 VwO verwendet die Begriffe „Kleinhandel”, „Kleinhändler” und „Händler”. § 108 Abs. 1 VwO schreibt vor, daß der Antrag, unvollständig vergällten Branntwein verkaufen zu dürfen, beim HZA zu stellen ist. Im Abs. 2 a. a. O. ist gesagt, daß der „Händler” den Branntwein nicht in kleineren Mengen als 1 l Weingeist abgeben darf.
Auch das BrMonG, die Grundbestimmungen und die VwO geben, wie ersichtlich, keine Definition für den Begriff „Handel” und „Händler”. Auch der Begriff „Vertreiben” von Branntweinerzeugnissen im Sinne des § 43 BrMonG besagt nichts anderes als „Handel”. Es ist daher für die Auslegung dieser Begriffe auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch abzustellen. Unter „Handel” ist im normalen Sprachgebrauch für den Regelfall das Kaufen und Wiederverkaufen von Waren zu verstehen. Händler ist demnach eine Person, die Waren einkauft, um sie für den Normalfall mit Gewinn weiterzuverkaufen.
Es fragt sich, ob zum Begriff „Handel” im Sinne des BrMonG und damit zum Begriff des „Händlers” im Sinne des HSG Gewerbsmäßigkeit gehört. Gewerbsmäßigkeit bedeutet eine auf Dauer angelegte Tätigkeit, d. h. es muß eine Vielzahl von Geschäften als Ganzes gewollt sein, nicht nur eine Mehrzahl einzelner Gelegenheitsgeschäfte, Das Gewerbe muß außerdem auf laufende Gewinnerzielung gerichtet sein (vgl. Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 19. Aufl., Anm. 1 zu § 1). Der erkennende Senat sieht Gewerbsmäßigkeit nicht als notwendiges Merkmal des Handels mit Branntwein oder Branntweinerzeugnissen an. Wenn im BrMonG in § 96 gesagt ist, daß die „Monopolerzeugnisse” an jeden, der sich gewerbsmäßig mit dem Verkauf von Trinkbranntwein befaßt – dort als Wiederverkäufer bezeichnet –, nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Bestände zu liefern sind, so kann hieraus nicht gefolgert werden, daß der Handel mit Branntwein und Branntweinerzeugnissen stets Gewerbsmäßigkeit voraussetzt, mag die Gewerbsmäßigkeit auch der Normalfall sein. Lediglich für Monopolerzeugnisse im Sinne des § 95 BrMonG – sie werden heute nicht mehr hergestellt – war die Abgabe an gewerbsmäßige Verkäufer vorgesehen. Gerade aus der Tatsache, daß das Gesetz nur an dieser Stelle von Gewerbsmäßigkeit spricht, geht hervor, daß sonst der Handel mit Branntwein und Branntweinerzeugnissen nicht gewerbsmäßig zu sein braucht. Nur der Handel mit Monopolerzeugnissen im Sinne des § 106 Abs. 2 Nr. 2 BrMonG beinhaltet demnach Gewerbsmäßigkeit. Wenn in § 91 Abs. 4 VwO im Zusammenhang mit dem Handel mit vollständig vergälltem Branntwein von „Gewerbetreibenden” die Rede ist, so offensichtlich deswegen, weil der Verordnungsgeber vom Normalfall ausgeht, daß ein Gewerbebetrieb besteht oder eröffnet werden soll.
Unter „Handel mit Branntwein” ist also für den Regelfall das gewerbsmäßige oder nicht gewerbsmäßige Kaufen und Verkaufen von Branntwein zu verstehen (vgl. auch Hoppe-Heinricht, Kommentar zum Gesetz über das Branntweinmonopol Bd. I Anm. 1 zu § 106). Würde man unter Handel mit Branntwein nur den gewerbsmäßigen Handel verstehen, würde nur dieser der amtlichen Steueraufsicht unterliegen, denn das „Vertreiben” von Branntwein im Sinne des § 43 BrMonG ist gleichbedeutend mit Handel mit Branntwein, wie schon erwähnt wurde. Das würde jedoch den Aufgaben und Zielen der Steueraufsicht im Rahmen des Branntweinmonopols nicht gerecht werden. Hieraus geht hervor, daß unter Handel mit Branntwein und Branntweinerzeugnissen im Sinne des BrMonG nicht nur eine Tätigkeit im Rahmen eines Handelsgewerbes im Sinne des § 1 HGB verstanden werden kann (vgl. auch Müller in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1964 S. 323).
Für den Streitfall kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger gewerbsmäßig oder nicht gewerbsmäßig gehandelt hat. Da er am 1. Januar 1966 im mittelbaren Besitz von Spirituosen war, die er gekauft hatte, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen, war er Händler im Sinne des Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 3 HSG. Weil es auf ein gewerbsmäßiges Handeln nicht ankommt, kann auch nicht entscheidend sein, ob der Kläger die Ware en bloc gekauft hat und ebenso wieder veräußern wollte. Es genügt, daß sich der Kläger – auch als Berufsfremder – in den wirtschaftlichen Vorgang des Absatzes von Spirituosen in der Kette vom Hersteller zum Endverbraucher eingeschaltet hat. Er hat die Spirituosen nicht zum eigenen Verbrauch, sondern zum Weiterverkauf an andere erworben. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob es in anderen Bereichen Spekulationsgeschäfte gibt und ob solche auch von Nichthändlern vorgenommen werden können. Im Streitfalle spricht jedenfalls schon die eingekaufte Menge der Spirituosen dafür, daß der Kläger als „Händler” im Sinne des HSG anzusehen ist.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Ankauf vor dem 1. Januar 1966, dem Tage des Inkrafttretens des HSG, abgeschlossen gewesen sei und er durch die späteren Verkäufe allein nicht habe „Händler” werden können, da zum Händlerbegriff immer auch der Ankauf der Ware gehöre. Wie schon ausgeführt, gehört im Regelfall zum Begriff des „Händlers”, daß er die Waren ankauft und wieder verkauft. Es gibt aber auch Fälle, in denen es allein auf den Verkauf ankommt, so wenn der Verkäufer die Ware geerbt oder geschenkt erhalten hat. In diesen Fällen wird er durch den Verkauf allein zum Händler. Die Auffassung des Klägers würde dazu führen, daß es hinsichtlich der nachzuversteuernden Waren überhaupt keine Händler gäbe, da die Spirituosen in jedem Falle vor dem 1. Januar 1966 in den Besitz der Nachsteuerschuldner gelangt sein müssen. Zum Einwand des Klägers, daß man, wenn man seiner Auffassung nicht folge, zu einer Rückwirkung des Händlerbegriffs für die Zeit vor dem Inkrafttreten des HSG gelange, wird auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerf) vom 28. Januar 1970, 1 BvL 4/67 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 27 S. 375, 385 – BVerfGE 27, 375, 385 –) verwiesen, wo entschieden ist, daß eine nachträgliche Änderung abgewickelter, der Vergangenheit angehörender Sachverhalte – sogenannte echte Rückwirkung – nicht vorliegt (vgl auch Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – VII R 93/67 vom 16. Dezember 1969, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 97 S. 579 – BFH 97, 579 –, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1970 S. 156 – HFR 1970, 156 –). Ein Verstoß gegen Art. 14 GG kann daher nicht in Betracht kommen.
Für die Richtigkeit der vorstehenden Auslegung des Begriffs „Händler” i. S. des HSG sprechen auch Sinn und Zweck dieses Gesetzes. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist für die Auslegung einer Vorschrift nicht nur der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, sondern in gleicher Weise der systematische Zusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift maßgebend. Der Gesetzgeber befürchtete eine Minderung des ursprünglich am 1. Januar 1966 zu erwartenden Steueraufkommens durch umfangreiche Hortungskäufe. Dem wollte er mit der Nachsteuer entgegenwirken (vgl. den erwähnten Beschluß des BVerfG vom 28. Januar 1970). Sie sollte außerdem Wettbewerbsverschiebungen zugunsten der Unternehmer vermeiden, die zu alten Steuersätzen große Vorräte horten konnten. Sollte dieses Ziel des Gesetzgebers erreicht werden, mußten auch Privatpersonen von der Nachsteuer erfaßt werden, die Spirituosen aufkauften und horteten, um sie nach dem Stichtag mit Gewinn weiterzuverkaufen. Richtig weist das HZA darauf hin, daß solche Personen in eine Händlerfunktion eintreten und am Wettbewerb teilnehmen, ohne Rücksicht darauf, ob sie Kaufleute im Sinne des HGB sind.
Da das HSG auf den Besitz der Ware am 1. Januar 1966 abstellt, der Absatz der Ware im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld also noch nicht begonnen haben kann, kann der Kläger sich auch nicht auf die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch das HZA berufen, weil es veranlaßt habe, daß zur Abdeckung der Nachsteuerschuld die von der Pfändung freigegebenen Waren weiterverkauft wurden. Im übrigen ist aus den Akten nicht ersichtlich, daß sich das HZA für seine Auffassung auf die Verkäufe der von ihm freigegebenen Waren berufen hätte. Der Tatbestand der Nachsteuerschuld war am 1. Januar 1966 erfüllt. Der Kläger war an diesem Tage im mittelbaren Besitz von Spirituosen, die er gekauft hatte, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. Es kann daher auch nicht entscheidend sein, wenn der Kläger nach diesem Zeitpunkt einzelne Partien kostenlos oder ohne Gewinn abgegeben haben sollte. Die Freigrenze des Art. 21 § 2 Abs. 4 HSG war überschritten.
Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 GG) könnte nicht dadurch verletzt sein, wenn nur der Kläger, nicht aber andere Steuerpflichtige bei der gleichen Sachlage vom HZA wegen der Branntweinsteuer in Anspruch genommen worden wäre, denn es gibt keine Gleichbehandlung im Unrecht. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Heranziehung des Klägers zur Nachsteuer mit den Grundsätzen der Zumutbarkeit im Steuerrecht unvereinbar sein sollte, wie er meint.
Aus dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 23. Dezember 1971 (BGBl I, 2137), durch das ab 1. Januar 1972 die Branntweinsteuer erhöht wurde und ebenfalls eine Nachsteuer erhoben wird, kann für den Streitfall nichts hergeleitet werden, da auch in diesem Gesetz der Begriff „Händler” nicht erläutert wird.
Da die Abgabenberechnung keine Fehler zum Nachteil des Klägers erkennen läßt, war nach allem die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514793 |
BFHE 1972, 399 |