Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Gewerbetreibender ein Darlehen gerade deshalb auf, um seinem Betrieb Mittel zuzuführen, so ist die Darlehensaufnahme als Betriebsvorgang anzusehen. Die Darlehensschuld stellt in einem solchen Fall notwendiges (passives) Betriebsvermögen dar.
Normenkette
LAG § 163 Abs. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat am 1. Februar 1947 einen Tabakwarengroßhandel eröffnet. Anläßlich der Geschäftsgründung stellten ihm seine Schwester ... 9.400 RM, sein Bruder ... 8.900 RM zur Verfügung, die der Bf. in das Geschäft einlegte. Streitig ist im gegenwärtigen Verfahren zur Kreditgewinnabgabe, ob aus diesem Vorgang am 20. Juni bzw. 21. Juni 1948 eine Rückzahlungsverpflichtung des Bf. bestand und ob, wenn diese Frage zu bejahen ist, insoweit Betriebsschulden (Darlehensschulden betrieblicher Art) vorlagen, die zur Entstehung von Schuldnergewinnen nach § 163 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) führten. über die beiden Beträge wurden Schuldscheine ausgestellt. Eine Verzinsung war nicht ausbedungen, der Bf. hat auch keine Zinsen bezahlt. Auch über den Zeitpunkt der Rückzahlung wurden keine Abmachungen getroffen. In seiner Eröffnungsbilanz zum 1. Februar 1947 hat der Bf. die Beträge nicht als Schulden an seine Geschwister ausgewiesen; sie sind in dem Eigenkapital von 30.000 RM enthalten. In gleicher Weise ist er in der Bilanz zum 31. Dezember 1947 verfahren. Erstmalig in der RM-Schlußbilanz zum 20. Juni 1948 hat der Bf. die beiden Beträge als Darlehensschulden an seine Geschwister bezeichnet und sie als solche - unter entsprechender Verringerung seines Eigenkapitals - unter die Passiven dieser Bilanz aufgenommen. In der DM-Eröffnungsbilanz erscheinen die beiden Posten ebenfalls unter der Bezeichnung als Darlehen an die Geschwister im Verhältnis 10 : 1 umgestellt mit 940 DM und 890 DM. In der Erklärung und Selbstberechnung der Kreditgewinnabgabe hat der Bf. bei der Gegenüberstellung der Verbindlichkeiten laut RM-Schlußbilanz und laut DM-Eröffnungsbilanz zwecks Ermittlung der Schuldnergewinne nach § 163 Abs. 1 LAG die beiden Beträge nicht aufgenommen und dazu ausgeführt, bei derartigen Verwandtenzuschüssen sei zweifelhaft, ob sie eine Schuld im üblichen Sinn darstellten. Nachdem die beiden Geschwister erklärt hätten, daß eine Rückforderung niemals beabsichtigt gewesen sei, könnten die Beträge nicht als Darlehen angesehen werden. Die RM-Schlußbilanz und die DM-Eröffnungsbilanz seien daher objektiv unrichtig und müßten berichtigt werden. Entsprechend berichtigte Bilanzen zum 20. Juni 1948 und 21. Juni 1948 wurden dem Finanzamt mit Schreiben vom 16. Januar 1954 vorgelegt.
Das Finanzamt hat die strittigen Beträge entgegen der Darstellung des Bf. als am 20. Juni bzw. 21. Juni 1948 bestehende, zum Betriebsvermögen gehörige Schulden angesehen und durch Vorauszahlungsbescheid vom 21. März 1953 entsprechende Vorauszahlungen auf die Kreditgewinnabgabe angefordert. Beschwerde an die Oberfinanzdirektion und Berufung an das Finanzgericht waren erfolglos. Das Finanzgericht untersuchte lediglich, ob die beiden Beträge an den Stichtagen der RM-Schlußbilanz bzw. der DM-Eröffnungsbilanz noch geschuldet wurden oder ob eine Schuld des Bf. - sei es infolge einer Schenkung von Anfang an, sei es infolge eines nachträglichen, vor dem 21. Juni 1948 erklärten Verzichts auf Rückforderung - an diesen Tagen nicht mehr bestand.
In der Rechtsbeschwerde legte der Bf. zum Beweis dafür, daß die strittigen Beträge ihm noch vor der Währungsreform geschenkt worden seien, je eine Erklärung seiner beiden Geschwister vor.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Die Ausführungen des Finanzgerichts, die eine Schenkung der strittigen Beträge von Anfang an oder vor der Währungsreform verneinen, bewegen sich auf dem der Nachprüfung durch den Bundesfinanzhof entzogenen Gebiet der Tatsachen- und Beweiswürdigung und sind, da sie weder einen Rechtsirrtum noch einen Verstoß wider den klaren Akteninhalt erkennen lassen, mit der Rechtsbeschwerde nicht angreifbar. Auch die erst mit der Rechtsbeschwerde vorgelegten Erklärungen der Geschwister können als in der Revisionsinstanz vorgebrachte neue Beweismittel der Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht zugrunde gelegt werden.
Hiernach ist im folgenden davon auszugehen, daß dem Bf. anläßlich der Eröffnung seines Tabakwarengroßhandels am 1. Februar 1947 von seinen Geschwistern 9.400 RM und 8.900 RM als Darlehen zur Verfügung gestellt und diese Beträge in das Geschäft eingebracht wurden, und daß die so begründeten Darlehensschulden am Währungsstichtag noch bestanden. Auf dieser Grundlage erhebt sich hinsichtlich der Kreditgewinnabgabe die weitere Frage, ob diese Darlehensschulden notwendige Betriebsschulden waren oder ob sie vom Bf. nach Wahl als Privatschulden oder als gewillkürte Betriebsschulden behandelt werden durften. Diese Frage ist im Streitfall deshalb von Bedeutung, weil man bei Anerkennung eines Wahlrechts dem Bf. die Rückkehr zu der in der Geschäftseröffnungsbilanz zum 1. Februar 1947 getroffenen Wahl - Behandlung der Darlehen als Privatschulden - in der RM-Schlußbilanz und der DM-Eröffnungsbilanz wohl nicht verwehren könnte. Mit der Frage, ob ein Gewerbetreibender, der sich im Wege der Darlehensaufnahme Mittel beschafft hat, die Verwendung dieser Mittel in seinem Betrieb als Einlagen (Zuführung von Eigenkapital) behandeln kann, beschäftigten sich die Einkommensteuer-Richtlinien im Zusammenhang mit der Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns. Die Richtlinien für II/1948 und 1949 (Abschn. 108 Abs. 1), für 1950 (Abschn. 116 d Abs. 1) und für 1951 (Abschn. 245 Abs. 2) könnten nach ihrer Fassung, die Verrechnung der Entnahmen mit den Einlagen sei auch für solche Einlagen vorzunehmen, die aus privater Darlehensaufnahme stammten, dahin ausgelegt werden, daß es grundsätzlich möglich sein sollte, ein Darlehen privat aufzunehmen und die so beschafften Mittel dem Betrieb als Einlagen zuzuführen. Daß diese Auffassung nicht vertreten oder jedenfalls an ihr nicht festgehalten werden sollte, ergibt sich aus der geänderten Fassung der betreffenden Stelle in den Einkommensteuer-Richtlinien 1953 (Abschn. 93 Abs. 1), die eine Prüfung vorschreibt, ob durch das Darlehen eine betriebliche Schuld begründet worden ist, oder ob es sich um eine private Darlehensaufnahme handelt, wobei nur im letzteren Fall die durch das Darlehen beschafften Mittel als Einlage angesehen werden sollten. Der Senat ist der Auffassung, daß jedenfalls dann, wenn ein Gewerbetreibender ein Darlehen gerade deshalb aufnimmt, um seinem Betrieb Mittel zuzuführen, die Darlehnsaufnahme als betrieblicher Vorgang anzusehen ist und die Darlehnsschuld notwendiges (passives) Betriebsvermögen darstellt. Dabei kommt es - anders als im Fall der Darlehensgewährung aus Mitteln des Betriebs hinsichtlich der Person des Darlehensnehmers - auf die Person des Darlehensgebers und dessen Beweggründe nicht an, so daß auch bei einem Gefälligkeitsdarlehen unter Verwandten allein der vom Darlehensnehmer mit der Darlehensaufnahme verfolgte Zweck entscheidend ist (vgl. Lenski, Deutsche Steuer-Zeitung 1942 S. 561; Peters-Herrmann, Anm. 45 zu § 4 des Einkommensteuergesetzes). Hiernach stellte die vom Bf. anläßlich der Eröffnung seines Betriebs zum Zwecke der Beschaffung von Mitteln für diesen Betrieb erfolgte Darlehensaufnahme einen Betriebsvorgang dar; die Darlehensschulden belasten als Betriebsschulden das Betriebsvermögen. Die Behandlung der Darlehensmittel als Einlagen in der Eröffnungsbilanz zum 1. Februar 1947 war somit falsch, die Richtigstellung in der RM-Schlußbilanz und in der DM-Eröffnungsbilanz stellte eine echte Bilanzberichtigung dar, deren Rückgängigmachung nicht in Frage kommt.
Hiernach erweist sich die Heranziehung des Unterschiedsbetrags der beiden Darlehen in der RM-Schlußbilanz und der DM-Eröffnungsbilanz zur Kreditgewinnabgabe als Schuldnergewinn als zutreffend. Die Rechtsbeschwerde mußte daher mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408126 |
BStBl III 1955, 119 |
BFHE 1955, 311 |
BFHE 60, 311 |