Leitsatz (amtlich)
Ist einer GmbH unwiderruflich Vollmacht zum Verkauf von unerschlossenem Grundbesitz erteilt worden, hat sich die GmbH dem Eigentümer gegenüber zur Erschließung verpflichtet und ist sie darüber hinaus von der Gemeinde mit der Erschließung beauftragt worden, so gehört bei einem Verkauf von Teilflächen durch die GmbH als Bevollmächtigte des bisherigen Eigentümers auch die Übernahme der der GmbH entstandenen bzw. entstehenden Erschließungskosten durch den Käufer jedenfalls dann zur Gegenleistung, wenn der Käufer in Erfüllung des Kaufvertrages ein erschlossenes Grundstück erhält (Fortentwicklung der Urteile vom 16. November 1976 II R 111/72, BFHE 121, 208, BStBl II 1977, 327 und vom 9. Mai 1979 II R 56/74, BFHE 128, 92, BStBl II 1979, 577).
Normenkette
GrEStG 1940 § 11 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Eigentümer eines Grundstücks in A hatten der Forderungs-GmbH des Landkreises B (GmbH) durch notariell beurkundeten Vertrag vom 14. August 1972 unwiderruflich Vollmacht erteilt, das Grundstück ganz oder teilweise an Dritte oder an sich selbst für Gewerbeansiedlungen zu veräußern. Die GmbH hatte sich in diesem Vertrag verpflichtet, den Verkauf unverzüglich für 17, 50 DM je qm vorzunehmen, wobei sie berechtigt war, Teilstücke kostenlos auf die Gemeinde A oder den Landkreis B als Straßenfläche zu übertragen. Den bisherigen Eigentümern allerdings hatte die GmbH wegen dieser Straßenflächen einen allgemeinen Kostenbeitrag von 17, 50 DM je qm zu zahlen.
Der jeweilige Kaufpreis sollte von den Käufern über die GmbH an die bisherigen Eigentümer gezahlt werden. Die GmbH hatte vorab jedoch ... DM nach Eintragung der Auflassungsvormerkung für sie und Genehmigung des Bebauungsplanes zu zahlen. Der Restkaufpreis war zur Hälfte sechs Monate nach Genehmigung des Bebauungsplanes und zur weiteren Hälfte nach weiteren sechs Monaten von der GmbH an die bisherigen Eigentümer zu entrichten.
Die GmbH hatte sich darüber hinaus verpflichtet, die ordnungsgemäße Erschließung des Grundstückes sicherzustellen, mit der Erschließung unverzüglich nach der behördlichen Genehmigung zu beginnen und sie in angemessener Zeit zu beenden. Der von der Gemeinde A aufgestellte Bebauungsplan wurde zum Vertragsinhalt gemacht.
Am 6. August 1973 beauftragte die Gemeinde A die GmbH mit der Durchführung der Erschließung.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10. August 1973 kaufte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) von den bisherigen Eigentümern ein Teilstück zum Preise von 17, 50 DM je qm. Für die bisherigen Eigentümer handelte die GmbH aufgrund der unwiderruflichen Vollmacht. Nach dem Kaufvertrag war der Kaufgegenstand dem Kläger am Tage der Auflassung zum Besitz zu übergeben. Die Auflassung wiederum war abhängig von der Zahlung des Kaufpreises und von der Zahlung von 16, 80 DM je qm an die GmbH u. a. für die Durchführung der Erschließungsmaßnahmen, zu denen sich die GmbH in dem Kaufvertrag auch dem Käufer gegenüber verpflichtete. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete den von dem Kläger an die GmbH für Erschließungsmaßnahmen zu zahlenden Betrag von 16, 80 DM je qm zur Gegenleistung für den Kauf des Grundstücks. Er setzte durch Bescheid vom 5. Februar 1974 Grunderwerbsteuer fest.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte der Kläger die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer mit der Begründung, die an die GmbH zu zahlenden 16, 80 DM je qm gehörten nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Zur Gegenleistung gehörten auch die von dem Kläger an die GmbH für die Erschließung und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwandes zu zahlenden Beträge. Ohne Bedeutung sei, daß die Erschließung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht durchgeführt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers, mit der er seinen Klageantrag weiter verfolgt, ist unbegründet. Die von dem Kläger an die GmbH gezahlten Beträge für die Erschließung des erworbenen Grundstücks und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands gehören zur Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks.
Zur Gegenleistung gehört gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1940 bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Die sonstigen Leistungen sind u. a. dann Teil der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, wenn der Erwerber sie als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt (vgl. u. a. die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1968 II 112/64, BFHE 93, 183, 185, BStBl II 1968, 690; vom 21. November 1974 II R 61/71, BFHE 114, 507, 509, BStBl II 1975, 362 und vom 9. Mai 1979 II R 56/74, BFHE 128, 92, 93, BStBl II 1979, 577).
Ist die sonstige Leistung Äquivalent für eine Werterhöhung des zu erwerbenden Grundstücks, so hängt die Entscheidung, ob sie Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks ist, davon ab, in welchem Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorganges gemacht wird. Ob auch in Fällen der vorliegenden Art gilt, daß Grundstücke regelmäßig in dem Zustand verkauft werden, in dem sie sich im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs befinden (vgl. die BFH-Urteile vom 28. April 1970 II 109/65, BFHE 99, 250, 254, BStBl II 1970, 600 und in BFHE 128, 92, 93, BStBl II 1979, 577), kann im Streitfall offenbleiben (vgl. hierzu auch das Urteil vom 12. März 1980 II R 52/77, BFHE 130, 341, 343, BStBl II 1980, 472). Denn aus dem Kaufvertrag ergibt sich eindeutig, daß Gegenstand des Kaufvertrages das erschlossene Grundstück war.
Im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages hatte die GmbH ausweislich der Erklärungen in § 6 des Kaufvertrages vom 10. August 1973 mit Erschließungsmaßnahmen bereits begonnen. Sie verpflichtete sich, die Erschließung ohne Verzögerung zu beenden. Das Grundstück sollte Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises und der Beträge für die Erschließung des Grundstücks aufgelassen werden. Der Besitz sollte am Tage der Auflassung auf den Kläger übergehen. Für den Kläger bestand keine Möglichkeit, das Grundstück unerschlossen zu erwerben, da die GmbH der von der Gemeinde beauftragte Erschließungsträger war und sich auch vor Abschluß des Erschließungsvertrages den bisherigen Grundstückseigentümern gegenüber zur Erschließung des Grundstücks verpflichtet hatte. Der Kläger war unter diesen Umständen nicht in der Lage, das Grundstück unerschlossen zu erwerben oder irgendeinen Einfluß auf die Art der Erschließung zu nehmen. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß die GmbH nicht bereit war, von ihrer unwiderruflichen Verkaufsvollmacht zugunsten des Klägers Gebrauch zu machen, wenn dieser nicht seinerseits die Zahlung der anfallenden Erschließungskosten übernahm. Denn die GmbH hatte andernfalls keine rechtlichen Möglichkeiten gehabt, von dem Käufer eine Erstattung der ihr entstandenen Erschließungskosten zu erzwingen (vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1973 VII ZR 246/72, BGHZ 61, 359).
Unter diesen Umständen bleibt kein Raum für die Annahme, die bisherigen Eigentümer hätten, vertreten durch die GmbH, das unerschlossene Grundstück verkauft und die GmbH und der Kläger hatten sich unabhängig davon geeinigt, daß letzterer die GmbH mit der Erschließung beauftragte und die Kosten für diese Erschließung übernahm. Der Kläger mußte vielmehr die an die GmbH zu zahlenden Beträge aufwenden, um das Grundstück im erschlossenen Zustand zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Erschließung bereits im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs beendet war oder noch nicht. Denn Gegenstand des Erwerbsvorgangs war ein erschlossenes Grundstück.
Fundstellen
Haufe-Index 413595 |
BStBl II 1981, 537 |
BFHE 1981, 230 |