Entscheidungsstichwort (Thema)
Einlageverpflichtungen mit Forderungen der Kommanditisten
Normenkette
KVStG § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1, § 10 Abs. 1; HGB § 171 Abs. 1; GG Art. 3, 14; StAnpG § 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gesamtrechtsnachfolger der A-GmbH (GmbH), die am 30. August 1971 die Umwandlung auf ihn beschlossen hatte. Die GmbH war persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft B (KG).
Die Gesellschafter der KG hatten am 7. Oktober 1968 beschlossen, das "Geschäftskapital" der Gesellschaft um 20 Mio. DM zu erhöhen. Davon entfielen 17,5 Mio. DM auf die Erhöhung der Kommanditeinlagen der Kommanditisten auf 70 Mio. DM.
Von den neuen Einlagen der Kommanditisten sollten 8 750 000 DM sofort erbracht werden. Die restlichen 8 750 000 DM sollten "nach Feststellung des Jahresabschlusses per 28. Februar 1969, spätestens jedoch bis zum 15. Oktober 1969" eingezahlt werden. Entsprechend einem Beschluß der Gesellschafterversammlung der KG vom 27. Oktober 1969 erfolgte die Einzahlung der restlichen 8 750 000 DM in der Weise, daß 5 250 000 DM zu Lasten der Darlehenskonten der Kommanditisten und 3,5 Mio. DM zu Lasten der Privatkonten der Kommanditisten gebucht wurden. Auf die Privatkonten wurden die Gewinnanteile der Kommanditisten gutgeschrieben, die diese jeweils entnehmen durften. Die Gutschrift der übrigen Gewinnanteile erfolgte auf den Darlehenskonten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nahm an, daß die Kommanditisten Leistungen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959 erbracht hätten, und setzte wegen der restlichen Einlagen in Höhe von 8 750 000 DM durch Steuerbescheid vom 23. Januar 1970 Gesellschaftsteuer in Höhe von 218 750 DM gegen die GmbH fest. Der Einspruch der GmbH blieb ohne Erfolg. Die von der KG erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Die Revision der KG führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung.
Das FA erließ nunmehr eine Einspruchsentscheidung gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der GmbH. Seine auf Aufhebung des Steuerbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ist vom FG abgewiesen worden.
Rechtsgrundlage für die Besteuerung sei § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959. Die restlichen Einzahlungen auf die erhöhten Kommanditeinlagen seien von den Kommanditisten aus den Guthaben auf den Darlehens- und Privatkonten geleistet worden. Die Kapitalkraft der KG sei durch die Zuführung von Beträgen gestärkt worden, die nicht mehr gesamthänderisch gebunden gewesen seien. Unbegründet seien die Einwendungen gegen die Inanspruchnahme der GmbH. Bei gesellschaftsteuerpflichtigen Leistungen, die eine GmbH & Co. KG beträfen, sei nach § 10 Abs. 1 KVStG 1959 die Kapitalgesellschaft, die persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG sei, Steuerschuldnerin.
Der Kläger hat Revision eingelegt und seinen Klagantrag aufrechterhalten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Durch die restlichen Leistungen der Kommanditisten auf die "Kapitalerhöhung", die am 7. Oktober 1968 beschlossen wurde, ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 verwirklicht worden. Steuerschuldner i.S. des § 10 Abs. 1 KVStG 1959 war die GmbH. Deren Steuerschuld ist auf den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger übergegangen (§ 8 Abs. 1 des damals geltenden Steueranpassungsgesetzes ―StAnpG―).
1. Aufgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959, der nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 2. Oktober 1968 1 BvF 3/65 (BVerfGE 24, 174) mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar war, galten die Anteile der Kommanditisten der KG als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften. Daraus ergab sich zwingend, daß der erste Erwerb solcher Kommanditanteile gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1959 der Gesellschaftsteuer unterlag. Der Gesellschaftsteuer unterlagen aber gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 auch Leistungen, die von den Kommanditisten aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt wurden. Das war hinsichtlich der Leistungen der Kommanditisten auf das erhöhte Kommanditkapital der KG der Fall. Der abweichenden Auffassung der Revision ist nicht zuzustimmend.
Aus § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 ergab sich eindeutig, daß Kommanditanteile an einer GmbH & Co. KG als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften galten. Als Gesellschafter galten gemäß § 6 Abs. 2 KVStG 1959 die Personen, denen die Gesellschaftsrechte i.S. des Abs. 1 zustanden, also auch die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG. Galten die Kommanditisten als Gesellschafter i.S. des § 6 Abs. 2 KVStG 1959, so ist daraus weiter zu folgern, daß sie als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft anzusehen waren, auch wenn das Kapitalverkehrsteuergesetz 1959 die GmbH & Co. KG nicht als Kapitalgesellschaft bezeichnete. Daraus ergibt sich die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 auf Pflichtleistungen der Gesellschafter einer GmbH & Co. KG.
Mag es auch nicht ohne weiteres einsichtig sein, warum der Gesetzgeber einerseits die Anteile der Kommanditisten an einer GmbH & Co. KG zu den Gesellschaftsrechten an Kapitalgesellschaften rechnete und die Kommanditisten gemäß § 6 Abs. 2 KVStG 1959 mit ihren Anteilen an der GmbH & Co. KG als Gesellschafter i.S. des Kapitalverkehrsteuerrechts gelten ließ, andererseits aber die GmbH & Co. KG selbst nicht als Kapitalgesellschaft behandelte, so zeigt doch die Begründung zu dem Regierungsentwurf eines Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 25. Oktober 1921 (Reichstags-Drucksache I/2865 S. 28 zu § 5), daß der Regelung die Vorstellung zugrunde lag, die GmbH & Co. KG sei als erweiterte GmbH zu beurteilen. Die Gerichte sind an diese Entscheidung des Gesetzgebers gebunden.
Der erkennende Senat hat deshalb z.B. in der Gewährung von Darlehen seitens der Kommanditisten an eine GmbH & Co. KG keine der Gesellschaftsteuer unterliegende Leistung i.S. des § 3 Abs. 1 KVStG 1959 gesehen (vgl. das Urteil vom 21. Oktober 1969 II 210/65, BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736). Dasselbe galt für freiwillige Leistungen an eine GmbH & Co. KG (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 23. Juli 1975 II R 101/73, BFHE 116, 566, BStBl II 1976, 23). Für § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 mußte jedoch etwas anderes gelten, weil durch diese Vorschrift nicht Leistungen an eine inländische Kapitalgesellschaft erfaßt werden sollten, sondern Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt wurden. Pflichtleistungen von Kommanditisten einer GmbH & Co. KG aber sind in diesem Sinne Leistungen von Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft.
Die Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 auf Pflichtleistungen der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG führt zu einer allein sachgerechten und vertretbaren Lösung. Wurde eine GmbH & Co. KG gegründet, so konnten die Kommanditisten nur einmal erste Erwerber eines Gesellschaftsrechts an einer inländischen Kapitalgesellschaft sein. Bei Stundung von Kommanditeinlagen trat Steuerpflicht gemäß § 2 Nr. 1 KVStG 1959 zunächst nicht ein (vgl. das BFH-Urteil vom 24. Juli 1972 II R 69/71, BFHE 107, 58, BStBl II 1972, 907). In diesen Fällen konnte eine Steuer nur nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 entstehen. Wäre diese Vorschrift für die Zeit vor dem 1. Januar 1972 auf Leistungen von Kommanditisten einer GmbH & Co. KG nicht anwendbar, so wäre die unterschiedliche Behandlung der sofort beim Erwerb eines Kommanditanteils zu erbringenden Leistungen und der späteren Leistungen auf diesen Kommanditanteil die Folge, ein Ergebnis, das mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren wäre. Daß demgegenüber freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft und die Gewährung von Darlehen an eine inländische Gesellschaft durch einen Gesellschafter bei der GmbH & Co. KG vor dem 1. Januar 1972 nicht der Gesellschaftsteuer unterlagen, war angesichts des Fehlens der GmbH & Co. KG in dem Katalog der Kapitalgesellschaften des § 5 KVStG 1959 gerechtfertigt, auch wenn insoweit eine von der Behandlung der Kapitalgesellschaften abweichende steuerrechtliche Behandlung der GmbH & Co. KG eintrat.
War danach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 auf die Pflichtleistungen der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG anwendbar, so wurde dieser Tatbestand im vorliegenden Fall auch verwirklicht. Denn durch die Verrechnung der restlichen Einlageverpflichtungen in Höhe von 8 750 000 DM wurden Einlageverpflichtungen der Kommanditisten erfüllt (vgl. § 171 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB). Für die Steuerpflicht dieser Einlagen macht es keinen Unterschied, ob die Einlagen dadurch geleistet wurden, daß die Einlageverpflichtungen mit Forderungen der Kommanditisten gegen die KG verrechnet wurden, wie das FG angenommen hat, oder ob Gewinnanteile der Kommanditisten (unter Vornahme von Zwischenbuchungen über die Darlehens- und Privatkonten) zur Leistung der Einlagen verwendet wurden (vgl. in diesem Zusammenhang die Urteile des Senats vom 16. März 1977 II R 83/71, BFHE 122, 555, BStBl II 1977, 699; vom 14. Juni 1978 II R 3/71, BFHE 125, 303, BStBl II 1978, 527, und vom 27. Februar 1980 II R 48/77, BFHE 130, 83, BStBl II 1980, 404). Steuerfreiheit gemäß § 2 des Kapitalerhöhungssteuergesetzes kam nicht in Betracht (vgl. BFHE 125, 303, BStBl II 1978, 527).
2. Steuerschuldner der Gesellschaftsteuer gemäß § 10 Abs. 1 KVStG 1959 war die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der KG; denn sie und nicht die KG war eine Kapitalgesellschaft i.S. dieser Vorschrift. Von dieser Auffassung ist der Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ―RFH― (vgl. das Urteil vom 3. Mai 1927 II A 654/26, RFHE 21, 150) ständig ausgegangen (vgl. u.a. das BFH-Urteil vom 16. Juni 1970 II R 22/70, BFHE 99, 423, BStBl II 1970, 668). Hieran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest.
Die Klägerin meint, § 10 Abs. 1 KVStG 1959 sei so auszulegen, daß das Kapitalverkehrsteuergesetz 1959 für Vorgänge im Bereiche der GmbH & Co. KG mangels Aufnahme der GmbH & Co. KG in den Katalog des § 5 KVStG 1959 einen Steuerschuldner nicht bestimmt gehabt habe und deshalb Gesellschaftsteuer mangels Vorhandenseins eines Steuerschuldners nicht habe erhoben werden dürfen. Einer solchen Auslegung steht der Beschluß in BVerfGE 24, 174 entgegen. Die mit Gesetzeskraft versehene Feststellung des BVerfG, daß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 mit dem Grundgesetz vereinbar war, beinhaltet zugleich, daß die sich daraus ergebende Gesellschaftsteuer im Bereich der GmbH & Co. KG auch realisiert werden mußte. Unter diesen Umständen besteht für die Gesetzesauslegung nur die Möglichkeit, als Steuerschuldner trotz Fehlens in dem Katalog des § 5 KVStG 1959 die GmbH & Co. KG anzusehen, wie es die Auffassung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs ist (vgl. Erkenntnis vom 2. November 1964 - Z 1901/63 - Sammlung (F) Nr. 3 172), oder aber die als persönlich haftende Gesellschafterin an der GmbH & Co. KG beteiligte Kapitalgesellschaft, weil durch sie die Anteile der Kommanditisten an der GmbH & Co. KG zu Gesellschaftsanteilen an Kapitalgesellschaften wurden. Den letzteren Weg ist die Rechtsprechung des RFH und des BFH bisher gegangen. Auch das BVerfG ist von dieser Auffassung in seinem Beschluß in BVerfGE 24, 174 ausgegangen, ohne daß allerdings insoweit eine Bindung eingetreten ist (BFHE 99, 423, 424). Hieran ist festzuhalten, weil diese Auslegung den Wortlaut der §§ 5 und 10 Abs. 1 KVStG 1959 für sich hat. Als Kapitalgesellschaft i.S. des § 10 Abs. 1 KVStG 1959 kommt unter diesen Umständen nur die Kapitalgesellschaft in Betracht, die persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG ist. Soweit im Einzelfall mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sein sollten, schulden sie die Gesellschaftsteuer als Gesamtschuldner (§ 7 StAnpG).
Diese Auslegung führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem Verstoß gegen das Grundgesetz. Inwieweit Art. 3 verletzt sein sollte, ist nicht erkennbar. Auch gegen Art. 14 GG verstößt diese Auslegung nicht. Zwar kann die Gesellschaftsteuer angesichts der oft geringen Kapitalausstattung der GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin außerordentlich belastend wirken. Indessen kann dem Gesetz nicht entnommen werden, daß die persönlich haftende Gesellschafterin die Gesellschaftsteuer auch wirtschaftlich zu tragen hat. Durchweg hat die Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin einen Anspruch auf Erstattung der im Interesse der Kommanditgesellschaft gemachten Aufwendungen (vgl. im vorliegenden Fall § 9 des Gesellschaftsvertrags der KG). Dies wird regelmäßig bedeuten, daß die Kommanditgesellschaft der persönlich haftenden Gesellschafterin die von ihr entrichtete Gesellschaftsteuer zu erstatten oder die noch nicht gezahlte Steuer zur Verfügung zu stellen hat.
Fundstellen