Entscheidungsstichwort (Thema)
(Mahngebühren als Teil des Entgelts für Inkassotätigkeit - Einziehung von Forderungen durch Inkassounternehmen nicht umsatzsteuerfrei)
Leitsatz (amtlich)
1. Mahngebühren, die eine ärztliche Verrechnungsstelle im Rahmen der treuhänderischen Einziehung der Honorare für die Ärzte von den Honorarschuldnern erhebt und behält, gehören bei ihr zum Entgelt für die Einziehungsleistung.
2. Einziehung von Forderungen durch Inkassounternehmer war auch vor der Regelung in § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG in der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung kein steuerfreier Umsatz.
Normenkette
UStG 1980 § 10 Abs. 1 S. 2, § 4 Nr. 8 Buchst. c Fassung: 1990-07-01
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener Verein, der als berufsständische Einrichtung von Ärzten die Honorarforderungen seiner Mitglieder bearbeitet und einzieht. Zu diesem Zweck treten die Mitglieder ihre Honorarforderungen treuhänderisch an den Kläger ab. Dieser erhält nach seiner Geschäftsordnung für seine gesamte Tätigkeit, einschließlich der Mahnungen, einen Anteil an den eingezogenen Honorarforderungen.
Im Rahmen seiner Einzugstätigkeit versendet der Kläger an säumige Schuldner bis zu drei Mahnungen, bei denen er ihnen neben den einzuziehenden Honoraren 2 DM Mahnkosten je Mahnung in Rechnung stellt. Die von den Schuldnern erstatteten Mahnkosten verbleiben beim Kläger.
Nachdem der Kläger die erstatteten Mahnkosten in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1981) angegeben hatte, beantragte er im Rahmen einer das Streitjahr betreffenden Außenprüfung, die Mahnkosten "steuerfrei" zu belassen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht und setzte die Umsatzsteuer 1981 unter Berücksichtigung der Feststellungen der Außenprüfung entsprechend fest.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß im Streitfall nicht das Leistungsverhältnis zwischen Arzt und Patient, sondern das zwischen dem Kläger und den Ärzten maßgeblich sei. Der Kläger ziehe die Honorare gegen einen bestimmten Anteil an diesen als festes Entgelt ein. Die Mahngebühren seien nicht zusätzliches Entgelt, sondern Schadensersatz für den Zahlungsverzug der Schuldner.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 10 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1980). Es ist der Ansicht, die vom Kläger erhobenen Mahnkosten seien keine Schadensersatzleistungen, sondern Entgelt für seine Tätigkeit. Der Kläger werde gegenüber den Patienten nicht aus eigenem Recht tätig, sondern als Treuhänder. Er könne daher gegenüber den Patienten auch nur für den Arzt Ansprüche geltend machen. Eigene Schadensersatzansprüche gegenüber den Patienten seien ausgeschlossen. Wenn der Kläger die Patienten für die Kosten der Mahnung in Anspruch nehme, obwohl seine Mehrtätigkeit durch die ihm zufließende Vergütung habe abgegolten sein sollen, so stehe der Aufwendungsersatz den Ärzten zu. Soweit die Ärzte damit einverstanden seien, daß der Kläger die Erstattung der Mahnkosten behalte, werde ihm von den Ärzten ein zusätzliches Entgelt für seine Leistungen ihnen gegenüber gewährt.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Entgegen der Auffassung des FG gehören die vom Kläger erhobenen Mahnkosten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 zum Entgelt für die Leistungen an seine Mitglieder durch Forderungseinzug.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 ist Entgelt alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung (Leistungsempfänger) aufwendet, um die Leistung zu erhalten.
Auch wenn die Vertragsparteien für eine Leistung einen bestimmten "Festpreis" vereinbart haben, können darüber hinausgehende Aufwendungen des Leistungsempfängers zusätzliches Entgelt "für die Leistung" sein, wenn insoweit kein anderer Zuwendungsgrund ersichtlich ist (vgl. Senatsurteile vom 31. August 1992 V R 47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046, unter II. 2. a; vom 6. Oktober 1988 V R 124/83, BFH/NV 1989, 469).
Unabhängig von einer umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Erstattung von Mahnkosten als Schadensersatz im Verhältnis der Patienten als Honorarschuldner gegenüber dem Kläger gehörten die Mahnkosten, was das Leistungsverhältnis des Klägers zu den Ärzten betrifft, zu dem von den Ärzten an den Kläger für seine Leistungen aufgewendeten Entgelt.
a) Die vom Kläger erhobenen Mahngebühren standen im Verhältnis Arzt - Kläger den Ärzten als Auftraggebern des Klägers zu.
Zwischen dem Kläger und den Ärzten bestand ein entgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis i.S. des § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), dessen Vertragsgegenstand die Einziehung der Honorarforderungen durch den Kläger --einschließlich der Mahntätigkeit-- war. Als Beauftragter war der Kläger gemäß §§ 667, 675 BGB verpflichtet, seinen Auftraggebern alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangte; auch Schadensersatzansprüche und Schadensersatzleistungen wegen vertragswidrigen Verhaltens Dritter zählten hierzu (vgl. Thomas in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 54. Aufl., § 667 Anm. 3; Ehmann in Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Aufl., § 667 Rz. 2). Die vereinnahmten Mahnkosten standen den Ärzten mithin selbst insoweit zu, als der Kläger sie auf Grund eigener Schadensersatzansprüche gegen die Patienten erhoben haben sollte.
b) Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend machte, die Regelungen in §§ 667, 675 BGB seien durch seine Geschäftsordnung stillschweigend ausgeschlossen worden, weil die Ärzte die Auszahlung der vereinnahmten Mahnkosten nicht forderten, folgt ihm der Senat nicht. Der Senat sieht lediglich die Abkürzung des Zahlungswegs als stillschweigend vereinbart an. Denn die Mahntätigkeit war ausdrücklich Gegenstand der Geschäftsbesorgung. Das Anfallen von Mahnkosten wurde nicht abbedungen. Verzichtet wurde nur auf die Rechtsfolge der Herausgabe.
c) Die Ärzte beließen dem Kläger die vereinnahmten Mahnkosten ausschließlich aufgrund seiner Inkassotätigkeit. Eine andere Grundlage greift nicht ein. Gründe für einen Verzicht auf Auszahlung der vereinnahmten Mahnkosten, die nicht auf der Tätigkeit des Klägers für die Ärzte beruhen, sind nicht erkennbar. Die erforderliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung lag daher auch hinsichtlich der als zusätzliches Entgelt überlassenen Mahnkosten vor.
2. Die Beteiligten und das FG sind --ohne Stellungnahme-- zutreffend von der Steuerpflicht der Inkassotätigkeit des Klägers ausgegangen. Zwar enthielt die im Streitjahr geltende Fassung des § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG 1980 für "die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Geldforderungen" noch nicht den mit Wirkung vom 1. Juli 1990 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (BGBl I 1990, 597) eingefügten Zusatz "ausgenommen die Einziehung von Forderungen". Wie der Senat aber bereits im Factoring-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 75/76 (BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200, unter II. 3. a.E.) dargelegt hat, war nach den vorherigen Fassungen des UStG (1951/1967) zwar das bankübliche Inkasso von Forderungen, nicht aber der Einzug fremder Forderungen, die nur zum Zweck des Einzugs abgetreten waren, gemäß § 4 Nr. 8 UStG befreit.
Dies gilt auch für die im Streitjahr geltende Fassung des UStG 1980; der mit Wirkung vom 1. Juli 1990 eingefügten Ergänzung des § 4 Nr. 8 UStG 1980 kommt insoweit nur klarstellende Bedeutung zu. Der Einzug fremder Forderungen, hinsichtlich derer der Einziehende aufgrund der treuhänderischen Abtretung nur eine beschränkte Gläubigerstellung erlangt, erfolgt --im Gegensatz zum Einzug von Forderungen, die auch wirtschaftlich auf den Einziehenden übergegangen sind (z.B. echtes Factoring)-- nicht im eigenen Interesse des Einziehenden. Die Inkassotätigkeit ist vielmehr als sonstige Leistung des Einziehenden gegenüber seinem Auftraggeber steuerbar. Diese Leistung ist auch nicht als "Umsatz von Geldforderungen" i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG 1980 steuerfrei. Die Geldforderung selbst verbleibt wirtschaftlich beim Auftraggeber des Einziehenden und ist mithin nicht Gegenstand der Leistung. Der Einziehende ist an Geschäften mit der Geldforderung nicht beteiligt, sondern besorgt lediglich deren Realisierung.
3. Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil sie auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das FA die vereinnahmten Mahnkosten zu Recht als zusätzliches Entgelt angesehen hat, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65670 |
BStBl II 1995, 613 |
BFHE 177, 563 |
BFHE 1996, 563 |
BB 1995, 1682 |
BB 1995, 1729 |
BB 1995, 1729-1730 (LT) |
DB 1995, 1895-1896 (LT) |
DStR 1996, 821-822 (KT) |
DStZ 1995, 666 (KT) |
HFR 1995, 663-664 (LT) |
StE 1995, 513 (K) |