Leitsatz (amtlich)
1. Wenn ein FG die Klage, mit der die Steuer auf einen Veräußerungsgewinn nach Grund und Höhe des Steuersatzes bestritten wird, als unbegründet zurückweist, ohne auf das Vorbringen gegen die Höhe der Steuer einzugehen, so liegt ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 119 Nr. 6 FGO vor, weil die Entscheidungsgründe insofern unvollständig sind, als sie ein selbständiges Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergehen.
2. In einem solchen Falle ist die Revision gleichwohl unbegründet, wenn das Vorbringen gegen die Höhe des Steuersatzes eine Änderung der Vorentscheidung im Ergebnis nicht rechtfertigt und nur zu einer Wiederholung des vorinstanzlichen Urteils führen könnte.
Normenkette
FGO § 119 Nr. 6, § 126 Abs. 4
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige) hat im Oktober 1962 seinen zum Privatvermögen gehörenden Anteil an einer GmbH für 1 285 700 DM an seine Mitgesellschafterin veräußert. Der veräußerte Anteil betrug 42,8 % des Stammkapitals. Streitig ist, ob der der Höhe nach unstreitige Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG der Besteuerung vom Einkommen unterliegt.
Der Revisionsbeklagte (FA) hat bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1962 den Gewinn als gewerblichen Veräußerungsgewinn angesehen und ihn gemäß § 17 EStG in Verbindung mit § 34 EStG der Besteuerung vom Einkommen unterworfen. Hiergegen machte der Steuerpflichtige mit der Sprungberufung geltend, § 17 EStG sei verfassungswidrig.
Wenn aber schon der Steuerpflichtige aufgrund einer unternehmerähnlichen Stellung zur Steuer herangezogen werden solle, so müsse dieser verschärften Doppelbesteuerung durch Anwendung eines besonders ermäßigten Steuersatzes Rechnung getragen werden.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da es § 17 EStG für verfassungsgemäß hält.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige, das FG habe über seinen Antrag auf Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes nicht entschieden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Zutreffend rügt der Steuerpflichtige, daß die Vorinstanz über seinen Antrag auf Herabsetzung des Steuersatzes nicht entschieden hat. Das FG hat auf die Anträge in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich Bezug genommen, zum Steuersatz aber keine Ausführungen gemacht. Hierin liegt ein Mangel in der Urteilsfindung und ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 119 Nr. 6 FGO; denn die Entscheidungsgründe sind insofern unvollständig, als sie einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergehen (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 8 zu § 116 FGO). Bei den absoluten Revisionsgründen wird die Ursächlichkeit des Verstoßes für die Entscheidung unwiderleglich als bestehend angesehen. Gleichwohl ist die Revision unbegründet, wenn das übergangene Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Begründung oder zur Abwehr des Angriffs ungeeignet war (vgl. Urteile des Reichsgerichts VII 22/37 vom 12. November 1937, RGZ 156, 113 [119], und II 200/38 vom 17. Mai 1939, RGZ 160, 338 [343]). In diesem Falle erweist sich trotz Verletzung des bestehenden Rechts die Vorentscheidung als richtig, was nach § 126 Abs. 4 FGO zur Zurückweisung der Revision führt (vgl. BFH-Urteil III 343/63 vom 20. Dezember 1967, BFH 90, 519, BStBl II 1968, 208). Denn die Aufhebung und Zurückverweisung würde nur zur Wiederholung des aufgehobenen Urteils führen können (in diesem Sinne auch Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 140 III 3c, und Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., § 551, Anm. 8 A). Auch im vorliegenden Falle erübrigt sich die Zurückverweisung, da die Sache auch in diesem Punkt spruchreif ist und das Ergebnis der Vorentscheidung durch den Verfahrensmangel nicht beeinflußt wird. Denn dem Antrag, einen niedrigeren als den vom FA festgesetzten Steuersatz anzuwenden, kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt entsprochen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 68571 |
BStBl II 1969, 492 |
BFHE 1969, 529 |