Leitsatz (amtlich)

1. Für die Großreparatur an einem inländischen Seeschiff darf einer im Inland liegenden Werft Umsatzsteuer-Vergütung nur gewährt werden, wenn die Großreparatur im Ausland übergeben worden ist. Die Übergabe kann nicht durch eine im Inland getroffene Vereinbarung ersetzt werden, wonach die Verfügungsmacht erst im umsatzsteuerrechtlichen Ausland übergehen soll.

2. Gegenstände im Sinne des § 71 Abs. 1 Nr. 8 UStDB 1951 müssen im Verhältnis zum Schiff selbständige Gegenstände sein. An dieser Selbständigkeit fehlt es bei Gegenständen, die im Rahmen einer Großreparatur in das Schiff eingebaut worden sind.

 

Normenkette

UStG 1951 § 16 Abs. 1; UStDB 1951 i. d. Fassung der 8. UStDBÄndVO § 70 Abs. 1 Nr. 2; UStDB 1951 i.d.F. der 8. UStDBÄndVO § 71 Abs. 1 Nr. 5; UStDB 1951 i.d.F. der 8. UStDBÄndVO § 71 Abs. 1 Nr. 8; UStG 1951 i. d. Fassung des 15. UStGÄndG § 17 Nr. 5; UStG 1951 i.d.F. des 15. UStGÄndG § 17 Nr. 8

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Antragstellerin), eine Werft im Inland, führte an Seeschiffen Großreparaturen aus. Zum Nachweis der Übergabe im Ausland fertigte sie Protokolle an, wonach die auf den Schiffen ausgeführten Großreparaturen auf See übergeben sein sollten. Tatsächlich wurden diese Protokolle von den Vertretern der Werft und des jeweiligen Abnehmers im Inland unterzeichnet. Das FA gewährte der Antragstellerin für die Großreparaturen die beantragten Umsatzsteuervergütungen. Nach einer Prüfung forderte es etwa die Hälfte der gewährten Vergütungen zurück, weil die Großreparaturen im Inland übergeben worden seien und es deshalb an Werklieferungen im Ausland fehle. Die andere Hälfte der gewährten Vergütungen beließ das FA der Antragstellerin gemäß § 76 Abs. 3 Satz 2 UStDB, weil die Abnehmer insoweit unstreitig Vergütungsansprüche nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Nr. 8 UStDB gehabt hätten und die Antragsfrist für die Abnehmer bereits abgelaufen gewesen sei. Der Einspruch gegen den Rückforderungsbescheid blieb ohne Erfolg.

Auf die Berufung der Antragstellerin hob das FG den Rückforderungsbescheid durch das Urteil III 35-58/64 vom 26. November 1964 (EFG 1965, 148) ersatzlos auf. Das FG kam zwar wie das FA zu dem Ergebnis, daß der Antragstellerin wegen der Übergabe der Großreparaturen im Inland keine Ausfuhrvergütung zustehe. Das FG meinte jedoch, die Rückforderung der gezahlten Vergütungen entfalle in vollem Umfang gemäß § 76 Abs. 3 Satz 2 UStDB, weil die Großreparatur eines Seeschiffes als Gegenstand im Sinne des § 71 Abs. 1 Nr. 8 UStDB betrachtet werden müsse und den Abnehmern aus diesem Grunde Vergütungsansprüche zustünden.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt das FA die unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Es folgt zwar dem Urteil des FG im Ergebnis insoweit, als es einen unmittelbaren Anspruch der Werft auf Ausfuhrvergütung verneint. Den Verzicht auf die Rückforderung hält das FA jedoch für ungerechtfertigt, weil die Auftraggeber keine eigenen Vergütungsansprüche in voller Höhe hätten geltend machen können. Es seien zwar in den Großreparaturen auch Beträge für Gebrauchsgegenstände im Sinne des § 71 Abs. 1 Nr. 8 UStDB 1951 enthalten gewesen. Um diese Beträge habe das FA aber bereits die Rückforderungsansprüche gekürzt. Im übrigen könnten die Reeder jedoch keine Vergütungsansprüche wegen der Großreparaturen stellen, weil keine Gebrauchsgegenstände entstanden seien. Der Begriff "Gebrauch" setze eine gewisse Selbständigkeit des genutzten Gegenstandes voraus. Dieses Erfordernis werde besonders aus den Worten des § 71 Abs. 1 Nr. 8 UStDB deutlich, der ausgeführte Gegenstand müsse "auf einem Schiff" gebraucht werden. Das FA beantragt deshalb, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Demgegenüber beantragt die Antragstellerin, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie wendet sich insbesondere gegen die Auffassung des FG, ihr stehe für die streitigen Großreparaturen keine Umsatzsteuervergütung zu, weil die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Nr. 5 UStDB 1951 nicht erfüllt seien. Es sei den beteiligten Wirtschaftskreisen bekannt, daß für die Großreparaturen inländischer Seeschiffe Ausfuhrvergütungen gewährt würden. Deshalb könne man aus dem Inhalt der Protokolle den Willen entnehmen, die Verfügungsmacht erst übergehen zu lassen, wenn die Schiffe umsatzsteuerrechtliches Ausland erreicht hätten. Entsprechend dem wirklichen Willen der Beteiligten sei bei den streitigen Großreparaturen die Verschaffung der Verfügungsmacht aufschiebend befristet bzw. aufschiebend bedingt vereinbart worden. Im übrigen habe das FG zu Recht davon abgesehen, die - nach seiner Ansicht - zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuervergütungen zurückzufordern. Es müsse davon ausgegangen werden, daß der Verordnungsgeber in § 71 Abs. 1 Nr. 8 UStDB 1951 die eingebauten Großreparaturen habe erfassen wollen. Die Rechtspraxis bestätige, daß als ausgeführte Gegenstände nicht nur selbständige körperliche Sachen, sondern auch Werklieferungen in Form "eingebauter Großreparaturen" in Betracht kämen. Die "eingebauten Großreparaturen" dienten auch dem Gebrauch auf Seeschiffen. Sie seien als anerkannte Werklieferungen Gegenstände des Anlagevermögens, die nach betriebswirtschaftlichem und steuerrechtlichem Sprachgebrauch nicht dem Verbrauch, sondern dem Gebrauch unterlägen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die nach Einführung der FGO als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Neufestsetzung des zurückzufordernden Betrages, weil das FG zu Unrecht von der Rückforderung abgesehen hat.

1. Dem FG ist zuzustimmen, wenn es selbständige Vergütungsansprüche der Antragstellerin nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Nr. 5 UStDB 1951 verneint. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 71 Abs. 1 Nr. 5 UStDB darf für eine im Inland ausgeführte Großreparatur an einem inländischen Seeschiff Umsatzsteuervergütung nur gewährt werden, wenn sie eine Werklieferung im Ausland ist.

Der Verordnungsgeber ist dabei davon ausgegangen, daß bei Schiffsneubauten und Großreparaturen an Seeschiffen üblicherweise die Schiffe anläßlich einer Probefahrt auf hoher See, also im umsatzsteuerrechtlichen Ausland übergeben werden. An diese Übung haben bereits auch die früheren Runderlasse angeknüpft, die für die nunmehr in § 71 Abs. 1 Nr. 5 UStDB geregelten Fälle Vergütung im Verwaltungsweg gewährt haben.

Eine solche Übergabe im Ausland hat nicht stattgefunden, so daß die Antragstellerin die vorgeschriebene Voraussetzung für die Vergütung nicht erfüllt hat.

Zwar sind nach den Übergabeprotokollen die Schiffe im umsatzsteuerrechtlichen Ausland auf der Reede von X von den Reedern übernommen worden. Diese Protokolle sind aber unrichtig, wie die Antragstellerin selbst vorgetragen hat. Sie können also nicht zum Beweis dafür dienen, daß die Übergabe tatsächlich im Ausland stattgefunden hat.

Die Antragstellerin will allerdings den Wortlaut der Übergabeprotokolle unter Berücksichtigung des tatsächlichen Willens der Beteiligten dahin verstanden wissen, daß die Verfügungsmacht erst verschafft werden sollte, sobald das Schiff umsatzsteuerrechtliches Ausland auf der Reede von X erreicht haben würde. Die Verschaffung der Verfügungsmacht sei entsprechend dem wirklichen Willen der Beteiligten aufschiebend befristet, bzw. aufschiebend bedingt vereinbart gewesen.

Bei dieser Auffassung berücksichtigt die Antragstellerin aber nicht, daß Bedingungen und Befristungen Nebenbestimmungen eines Rechtsgeschäftes sind, dessen Wirkungen von einem zukünftigen ungewissen oder gewissen Ereignis abhängig sein sollen. Demgegenüber stellt die Verschaffung der Verfügungsmacht einen tatsächlichen Vorgang dar. Sie wird in dem Augenblick verschafft, in dem der Abnehmer über den gelieferten Gegenstand tatsächlich verfügen kann, gleichgültig ob die Verschaffung der Verfügungsmacht auf einer rechtlichen Grundlage beruht oder nicht, insbesondere gleichzeitig auch das Eigentum übertragen wird oder nicht. Als tatsächlicher Vorgang ist die Verschaffung der Verfügungsmacht ihrer Natur nach einer Bedingung oder Befristung deshalb nicht zugänglich.

Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Werftbeauftragte befugt war, die Übergabeprotokolle im Inland zu unterzeichnen oder die Verfügungsmacht über die Großreparatur im Inland zu übertragen. Denn die Verfügungsmacht geht nur durch tatsächliche Handlungen über. Diese tatsächlichen Handlungen entfalten ihre umsatzsteuerliche Wirkung ohne Rücksicht auf die Befugnis der Beteiligten zu ihrer Vornahme.

Das FG hat deshalb im vorliegenden Falle mit Recht angenommen, daß der Antragstellerin keine Umsatzsteuervergütung nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Nr. 5 UStDB 1951 zusteht, weil die streitigen Großreparaturen nicht als Werklieferungen im Ausland angesehen werden können.

2. Nicht folgen kann der Senat dem angefochtenen Urteil, soweit es die Rückforderung mit der Begründung verneint, den Abnehmern stünden Vergütungsansprüche zu, die sie wegen Fristablaufs nicht mehr geltend machen könnten (§ 76 Abs. 3 Satz 2 UStDB 1951). Das FG stützt sein Urteil darauf, daß der Verordnungsgeber in § 71 Abs. 1 Nr. 5 UStDB 1951 die Großreparatur eines Seeschiffes, ungeachtet der Rechtslage nach bürgerlichem Recht, als "Gegenstand" angesehen habe und kein innerer Grund bestehe, die vergütungsrechtliche Frage, ob die Großreparatur an einem Seeschiff ein besonderer Gegenstand sei, bei dem Reeder anders zu beantworten als bei der Werft. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Nr. 5 und Nr. 8 des § 71 Abs. 1 UStDB 1951 enthalten unterschiedliche Vergütungstatbestände; Nr. 5 gewährt Vergütungsmöglichkeiten im Regelfall für Werften, weil nur diese Seeschiffe herstellen oder Großreparaturen an solchen ausführen. Demgegenüber gewährt Nr. 8 eine Vergütung für den Gebrauch oder Verbrauch ausgeführter Gegenstände auf Seeschiffen, mit denen der Antragsteller See-Schiffahrt oder Fischfang betreibt. Als Antragsberechtigte kommen deshalb bei dem Tatbestand der Nr. 8 im Regelfall Reeder in Betracht. Nach dem eindeutigen Wortsinn muß es sich um ge- oder verbrauchsfähige Gegenstände handeln. Das können aber, entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht abstrakte, sondern nur körperliche Gegenstände sein, die auch eine gewisse Selbständigkeit besitzen. Die Auffassung, daß eine Großreparatur ein ge- oder verbrauchsfähiger Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift sei, widerspricht dem natürlichen Wortsinn und auch der im Umsatzsteuerrecht üblichen Bedeutung des Begriffs "Gegenstand". Mit dem Begriff "Gegenstand" verbindet sich im Umsatzsteuerrecht die Vorstellung einer gewissen Selbständigkeit. Er hat insoweit etwa die gleiche Bedeutung wie das Wort "Sache" in § 90 BGB, die ein "für sich bestehender, im Verkehrsleben besonders bezeichneter und bewerteter körperlicher Gegenstand" ist (Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 21. Aufl., § 90, Anm. 1; siehe auch das Urteil des RFH V 109/40 vom 21. September 1941, RStBl 1942, 285). An dieser Selbständigkeit fehlt es bei den streitigen "eingebauten" Großreparaturen, weil durch die Großreparaturen keine im Verhältnis zum Schiff selbständigen Gegenstände geschaffen worden sind.

Zu Unrecht meint die Antragstellerin, die "eingebauten Großreparaturen" unterlägen dem Gebrauch auf einem Seeschiff. Sie sind vielmehr Teile des Seeschiffs geworden. Es mag sein, daß die Großreparaturen - wie die Antragstellerin angibt - als anerkannte Werklieferungen Gegenstände des Anlagevermögens sind. Der Begriff "Anlagevermögen" gehört zum Bilanzsteuerrecht und nicht zum Umsatzsteuerrecht.

Im übrigen ist nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 UStDB 1951 auch erforderlich, daß ein Gegenstand auf einem Schiff geoder verbraucht wird. Hieran fehlt es bei den "eingebauten Großreparaturen", weil durch sie unselbständige Bestandteile des Schiffes geschaffen werden.

Das angefochtene Urteil war daher wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Unter diesen Umständen kommt es auf die vom FA erhobenen weiteren Rügen (Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten, Verfahrensverstöße) nicht an.

Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO in der Sache selbst, weil die Höhe der zurückzufordernden Vergütungen unstreitig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68200

BStBl II 1968, 789

BFHE 1968, 355

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