Leitsatz (amtlich)
1. Wehrdienst im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a) bb) EStG 1965 leistet nicht, wer sich freiwillig zum Soldaten auf Zeit für drei Jahre verpflichtet.
2. Der Senat schließt sich der Auffassung des IV. Senats des BFH im Urteil IV R 263/66 vom 27. Februar 1969 (BFH 95, 148, BStBl II 1969, 343) an, daß die Beiladung der Ehefrau zu einem vom Ehemann betriebenen Rechtsbehelfsverfahren jedenfalls dann nicht notwendig ist, wenn die Ehegatten zwar zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, die Ehefrau aber keine eigenen Einkünfte hat und widerstreitende Interessen nicht erkennbar sind.
Normenkette
EStG 1965 § 32 Abs. 2 Nr. 2 a bb; FGO § 60 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) beantragte zusammen mit seiner Ehefrau in der Einkommensteuererklärung 1965, ihm für seinen im Jahre 1944 geborenen Sohn einen Kinderfreibetrag zu gewähren. Der Sohn hatte zu Ostern 1961 die Realschulausbildung mit der mittleren Reife abgeschlossen. Er war entschlossen, Ingenieur zu werden. Vom 1. April 1961 bis 31. März 1964 absolvierte er deshalb eine Lehre, die er mit der Gesellenprüfung abschloß. Bevor er die Ausbildung an einer Fach- oder Ingenieurschule fortsetzen konnte, wurde er am 2. April 1964 zur Ableistung des Grundwehrdienstes von 18 Monaten eingezogen. Danach verpflichtete er sich mit Wirkung vom 10. November 1964 zum "Soldaten auf Zeit" für drei Jahre. Seine Dienstzeit währte vom 1. April 1964 bis 31. März 1967. Er wurde nicht zum Offizier oder Reserveoffizier ausgebildet; er hatte sich lediglich deshalb zum Soldaten auf Zeit verpflichtet, weil er als solcher Dienstbezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz und später eine Übergangsbeihilfe erhalten würde.
Bei der Zusammenveranlagung der Eheleute versagte das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) den beantragten Kinderfreibetrag. Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb erfolglos.
Das FG wies in dem in EFG 1967, 452 veröffentlichten Urteil die Klage des Steuerpflichtigen ab, weil Wehrdienst im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) bb) EStG 1965 nur leiste, wer seiner Wehrpflicht nachkomme. Der Sohn des Steuerpflichtigen habe jedoch als Soldat auf Zeit nicht in einem Wehrdienstpflichtverhältnis gestanden.
Mit der Revision trägt der Steuerpflichtige vor: "Einberufen" im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) bb) EStG werde nicht nur derjenige, der den Grundwehrdienst ableiste, sondern auch der Soldat auf Zeit. Deshalb stehe ihm der Kinderfreibetrag für seinen Sohn zu.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Vorentscheidung ist nicht wegen fehlender notwendiger Beiladung der Ehefrau des Steuerpflichtigen von Amts wegen aufzuheben. Den Einspruch gegen den Zusammenveranlagungsbescheid hat lediglich der Steuerpflichtige eingelegt. Die Einspruchsentscheidung erging nur gegen ihn, ohne vorherige Zuziehung seiner Ehefrau. Die Klage ist ebenfalls nur vom Steuerpflichtigen eingereicht. Das FG bezeichnet im Rubrum seines Urteils auch lediglich ihn als Kläger. Eine Beiladung der Ehefrau des Steuerpflichtigen ist unterblieben. Die Beiladung zu dem vom Ehemann betriebenen Rechtsbehelfsverfahren ist aber jedenfalls dann nicht notwendig (§ 60 Abs. 3 FGO), wenn die Ehegatten zwar zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, die Ehefrau aber keine eigenen Einkünfte hat und widerstreitende Interessen nicht erkennbar sind. Dieser vom IV. Senat des BFH in dem Urteil IV R 263/66 vom 27. Februar 1969 (BFH 95, 148, BStBl II 1969, 343) vertretenen Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Er hält die vom IV. Senat gegebene Begründung für zutreffend, ist allerdings der Auffassung, daß die Beiladung des zusammen mit dem Kläger veranlagten Ehegatten in der Regel zweckmäßig sein dürfte (§ 60 Abs. 1 FGO).
2. Materiell-rechtlich stimmt der Senat dem FG zu. Nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 a) bb) EStG 1965 wird den Eltern auf Antrag ein Kinderfreibetrag gewährt für ein Kind, das im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und während dieser Zeit Wehrdienst geleistet hat, wenn die Berufsausbildung durch die Einberufung zum Wehrdienst unterbrochen worden ist und der Steuerpflichtige vor der Einberufung die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung überwiegend getragen hat.
Der Sohn des Steuerpflichtigen war im Streitjahr 1965 21 Jahre alt geworden. Sein Berufsziel hatte er mit dem Abschluß seiner Elektroinstallateurlehre noch nicht erreicht. Denn die Lehre war notwendige Voraussetzung des Fachschul-Ingenieurstudiums. Es spricht deshalb vieles dafür, daß der Steuerpflichtige seine Berufsausbildung im Streitjahr 1965 noch nicht abgeschlossen hatte. Denn in der Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (vgl. die Urteile des BFH VI 231/61 U vom 11. Mai 1962, BFH 75, 199, BStBl III 1962, 340; VI 72/63 U vom 10. Januar 1964, BFH 79, 10, BStBl III 1964, 237). Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst erkennbar, daß der Sohn des Steuerpflichtigen tatsächlich seine Ausbildung mit der Gesellenprüfung als beendet angesehen und daß er also seinerzeit die Berufsausbildung bereits abgeschlossen habe. Dennoch braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, ob der Sohn des Steuerpflichtigen seine Berufsausbildung mit dem Abschluß seiner Lehre beendet hatte; denn jedenfalls ist der Kinderfreibetrag aus den folgenden Erwägungen nicht zu gewähren:
Unter "Wehrdienst" im Sinne der wiederholt zitierten Vorschrift des EStG kann nur der Wehrpflicht dienst verstanden werden. Das ergibt sich, wie das FG zutreffend hervorgehoben hat, zunächst aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift. Zwar entsteht nach § 1 des Soldatengesetzes (BGBl I 1956, 114) sowohl auf Grund der Wehrpflicht als auch auf Grund freiwilliger Verpflichtung ein Wehrdienstverhältnis. Zur Begründung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit ist nach § 4 des Soldatengesetzes jedoch eine Ernennung (Berufung) erforderlich. Die Voraussetzungen der Berufung entsprechen dem Beamtenrecht in § 7 des Bundesbeamtengesetzes - BBG - (vgl. Brandstetter, Handbuch des Wehrrechts, Anm. zu § 37 des Soldatengesetzes). Die Berufung setzt ein Einverständnis oder Zustimmung des Berufenen voraus (vgl. Fischbach, Bundesbeamtengesetz, 3. Aufl., § 6 Anm. I 1). Der Wehrpflichtige wird dagegen einberufen (vgl. Hahnenfeld, Kommentar zum Wehrpflichtgesetz, § 4 Anm. 2). Bei ihm bedarf es deshalb keiner Ernennung oder Berufung (vgl. Brandstetter, a. a. O., Anm. zu § 4 Abs. 1 des Soldatengesetzes). Dadurch, daß in § 32 Abs. 2 Nr. 2 a) bb) EStG die "Einberufung" zum Wehrdienst gefordert wird, hat der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben, daß er nur bei Unterbrechung der Berufsausbildung wegen des Wehrpflichtdienstes den Kinderfreibetrag weiter gewähren will. Der Gesetzgeber wollte den Eltern, deren Kinder nur den Wehrsold beziehen - Wehrpflichtige (vgl. § 1 Wehrsoldgesetz) -, den Kinderfreibetrag erhalten. Die Eltern, deren Kinder jedoch eine Besoldung nach § 30 des Soldatengesetzes in Verbindung mit den Beamtengesetzen bekommen, sollen den Kinderfreibetrag nicht in Anspruch nehmen können, weil die Kinder eine einem ausgeübten Beruf entsprechende Entlohnung erhalten.
Das vorstehende Ergebnis wird durch § 36 Nr. 4 des Bundeskindergeldgesetzes bestätigt. Danach wird der Kindergeldzuschuß über das 25. Lebensjahr des Kindes hinaus gewährt, wenn die Berufsausbildung wegen der gesetzlichen Wehrpflicht unterbrochen oder verzögert wurde. Der Gesetzgeber wollte mithin die Vergünstigung des Kinderzuschusses nur denjenigen Eltern gewähren, deren Kinder aus Gründen, die nicht in ihrer Person liegen, die Berufsausbildung nicht rechtzeitig beenden konnten. Entsprechendes ergibt sich aus § 18 Abs. 4 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) für den Kinderzuschlag der Beamten. Auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 VStG wird der Kinderfreibetrag des VStG gewährt, selbst wenn das Kind das 25. Lebensjahr beendet hat, wenn der Abschluß der Berufsausbildung durch Umstände verzögert worden ist, "die weder der Steuerpflichtige, noch die Kinder zu vertreten haben. Als ein solcher Umstand ist stets die Ableistung des Wehrdienstes oder des zivilen Ersatzdienstes anzusehen". Mit dem letzten Satz kann nur der Wehrpflichtdienst gemeint sein, weil diesen weder der Steuerpflichtige noch sein Kind zu vertreten haben. Läßt sich das Kind dagegen - wie im Streitfall - als Soldat auf Zeit berufen, so hat das in seiner Person liegende Gründe. Durchgängig ist also in den Gesetzen, die einen Kinderzuschuß, -zuschlag oder -freibetrag vorsehen, die Weitergewährung der Vergünstigung davon abhängig, daß die Berufsausbildung aus nicht in der Person des Kindes liegenden Gründen unterbrochen worden ist.
Im Urteil VI 231/59 U vom 29. April 1960 (BFH 71, 51, BStBl III 1960, 268) hat der Senat ebenfalls Wehrdienst - der allerdings im Ausland ausgeübt wurde - nur angenommen, wenn er auf Grund einer Dienst pflicht geleistet und wenn dem Soldaten "Wehrsold" gezahlt worden ist. Im Streitfall ist der Sohn des Steuerpflichtigen aber - zumindest seit dem 10. November 1964 - nicht mehr auf Grund seiner Wehrpflicht als Soldat tätig.
Nach Abschn. 180 Abs. 2 Satz 5 EStR 1965 entfällt der Kinderfreibetrag allerdings nicht, wenn sich ein Kind freiwillig als Soldat auf Zeit für eine Wehrdienstzeit von insgesamt zwei Jahren verpflichtet. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob er dieser Rechtsauffassung beitreten könnte. Jedenfalls rechtfertigt eine freiwillige Verpflichtung zum Soldaten auf Zeit für drei Jahre - also 18 Monate mehr als die seinerzeitige 18monatige Grundwehrdienstzeit (§ 5 des Wehrpflichtgesetzes) - keine Weitergewährung des Kinderfreibetrages (vgl. auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 32 EStG Anm. 25; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl. II. Band, § 32 Anm. 5 S. 1839).
Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß dem Steuerpflichtigen schon für das Streitjahr 1965 der Kinderfreibetrag nicht zu gewähren ist. Der Umstand, daß der Sohn ursprünglich einberufen wurde, ändert daran nichts. Von dem Zeitpunkt an, von dem er zum Soldaten auf Zeit berufen war, ist seine Berufsausbildung nicht mehr durch die Einberufung unterbrochen. Eine andere Auslegung würde den Steuerpflichtigen, dessen Sohn sich schon nach einem Tag der Ausübung des Grundwehrdienstes zum Soldaten auf Zeit verpflichtet, demjenigen Steuerpflichtigen gegenüber besserstellen, dessen Sohn sich von vornherein - und zwar aus den gleichen Gründen - zum Soldaten auf Zeit ernennen läßt. Für eine unterschiedliche Behandlung ist aber wegen der Gleichheit der Interessenlage kein Raum.
Einem Steuerpflichtigen ist auch nicht solange der Kinderfreibetrag zu gewähren, als sein Sohn den Grundwehrdienst hätte ausüben müssen, wenn er sein Wehrdienstverhältnis nicht in ein solches als Soldat auf Zeit ungewandelt hätte. Die entgegengesetzte Ansicht verkennt, daß mit der Berufung zum Soldaten auf Zeit der Sohn seinen Wehrdienst nicht mehr infolge der Einberufung ausübt. Er hat sich nun aus persönlichen Gründen zu einer Unterbrechung der Berufsausbildung entschlossen. Finanzielle Vorteile, die er dadurch erhält, machen ihn in gewissem Umfang unabhängig vom Elternhaus, so daß für die Gewährung des Kinderfreibetrags an die Eltern kein zwingender Anlaß mehr besteht. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob ein Soldat auf Zeit, der sich für drei Jahre verpflichtet hat, sich in der Berufsausbildung oder Berufsausübung bei der Bundeswehr befindet (so Herrmann-Heuer, a. a. O.). Jedenfalls ist seine Zivilausbildung nicht mehr durch die Einberufung zum Wehrdienst unterbrochen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 68682 |
BStBl II 1969, 708 |
BFHE 1969, 306 |