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BFH Urteil vom 11.07.1985 - IV R 191/84 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Erleichterung nach § 148 AO 1977 für einen buchführungspflichtig gewordenen Land- und Forstwirt

 

Leitsatz (NV)

Ist ein Landwirt (Weinbauer) zum 1. Juli 1978 buchführungspflichtig geworden, so hatte die vom Finanzamt gemäß § 148 AO 1977 gewährte Erleichterung, die Anfangsbilanz tatsächlich erst zum 1. Juli 1979 aufzustellen, nicht zur Folge, daß der Wechsel der Gewinnermittlungsart erst zum 1. Juli 1979 als eingetreten angesehen werden konnte und demzufolge durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart etwa erforderliche Korrekturen erst zum 1. Juli 1979 anzusetzen waren.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 141, 148; EStG § 4 Abs. 1, § 13a

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Winzer und Landwirt. Im Wirtschaftsjahr 1978/79 gehörten zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb ca. 6 ha landwirtschaftliche Nutzflächen.

Mit Bescheid vom 10. März 1978 teilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dem Kläger mit, daß er ab 1. Juli 1978 buchführungspflichtig sei. Auf Antrag der Buchstelle vom 15. August 1978 gestattete das FA mit Bescheid vom 5. September 1978 dem Kläger, mit der Einrichtung der Buchführung erst am 1. Juli 1979 zu beginnen.

Dem lagen folgende Vorgänge zugrunde: Im Anschluß an eine Prüfung des Rechnungshofes hatte das FA in einer Vielzahl von Fällen Landwirte gemäß § 141 der Abgabenordnung (AO 1977) zur Buchführung aufgefordert. Dadurch hatte allein die Buchstelle 385 Neuzugänge zu verzeichnen. Die Vertreter der steuerberatenden Berufe waren außerstande, bis zum vorgesehenen Termin des 1. Juli 1978 für die von der Maßnahme betroffenen Landwirte Buchführungen einzurichten. Um den plötzlich auftretenden Arbeitsanfall bewältigen zu können, kamen die Vertreter der steuerberatenden Berufe und das FA überein, daß

a) ein Teil ihrer Mandanten erst zum 1. Juli 1979 zur Buchführung übergehen könne,

b) daß für die Vorlage der Eröffnungsbilanz eine Frist gewährt werden könne und

c) daß in Einzelfällen auf die Durchsetzung der Verpflichtung zur Buchführung verzichtet werden könne, wenn z. B. die Buchführungsgrenze nur vorübergehend überschritten werde.

Für das Kalenderjahr 1978 gab der Kläger Einkünfte von ca. 30 000 DM an. Demgegenüber ging das FA bei der Veranlagung für 1978 für das Wirtschaftsjahr 1978/79 von erheblich höheren Gewinnen aus. Dabei setzte das FA beim Gewinn aus Landwirtschaft auf den Ausgangswert für die Durchschnittsgewinnermittlung von 9 441 DM statt des im Berechnungsbogen vorgedruckten Divisors 12 den Divisor 4,5 an. Dadurch ergab sich ein Grundbetrag von 4 248 DM. Bei der Berechnung des Zuschlags für den Gewinn aus dem Weinbau gemäß § 13a Abs. 6 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat das FA zwar die Einnahmeüberschußrechnung des Klägers übernommen, aber neben Korrekturen bei den erklärten Einnahmen und Ausgaben beim Weinbestand einen Bestandsvergleich vorgenommen und die sich dabei ergebende Bestandsmehrung dem Gewinn hinzugerechnet. Außerdem hat es wegen des bisher nicht berücksichtigten Weinbestandes beim Übergang zum Bestandsvergleich zum 1. Juli 1978 einen Korrektivposten von 5 880 DM angesetzt, aber nur 1/3 dieses Betrages dem Gewinn des Streitjahres 1978 hinzugerechnet.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, der Gesetzgeber habe mit § 13a EStG die Möglichkeit geschaffen, für einen nichtbuchführenden Betrieb der Land- und Forstwirtschaft den Gewinn nach Durchschnittsätzen zu ermitteln. Wenn das FA § 13a EStG zur Gewinnermittlung anwende, sei es an die Durchschnittsgewinnermittlung, wie sie § 13a EStG vorsehe, gebunden. Es könne nicht anstelle des gesetzlich vorgesehenen Divisors 12 den Divisor 4,5 setzen.

Das Finanzgericht (FG) hielt zwar die Klage im Streitpunkt für unbegründet, gab jedoch der Klage aus anderen Gründen statt. Es führte aus, mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 10. März 1978 habe das FA dem Kläger mitgeteilt, daß er ab 1. Juli 1978 buchführungspflichtig sei, und ihn zugleich aufgefordert, zu diesem Zeitpunkt eine Eröffnungsbilanz vorzulegen. Durch diesen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt habe die Buchführungspflicht des Klägers mit dem 1. Juli 1978 begonnen. Die Buchführungspflicht wurde durch den späteren Bescheid vom 5. September 1978, durch den das FA dem Kläger gestattet habe, mit der Einrichtung der Buchführung erst am 1. Juli 1979 zu beginnen, nicht wieder aufgehoben. Diese Verfügung des FA hätten die Beteiligten übereinstimmend dahin verstanden, daß der Kläger für die Einrichtung der Buchführung Aufschub bis zum 1. Juli 1979 erhalten solle, die Buchführungspflicht davon jedoch unberührt bleibe. Diese Auslegung der Erklärung des FA entspreche auch der beiderseitigen Interessenlage, denn der Fall, daß ein Landwirt buchführungspflichtig sei, jedoch keine Bücher führe, sei in der Praxis nicht ungewöhnlich.

Der Kläger sei daher ab 1. Juli 1978 ein sog. Schätzungslandwirt geworden. Der Gewinn aus Landwirtschaft könne bei solchen Schätzungslandwirten in Anlehnung an die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen geschätzt werden. Eine Gewinnschätzung in Anlehnung an die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen bedeute jedoch nicht, daß diese Schätzungsmethode in allen Punkten der Vorschrift des § 13a EStG a. F. entsprechen müsse. Da bei Schätzungslandwirten an sich die tatsächlichen Gewinne eines Besteuerungszeitraums aufgrund eines Bestandsvergleichs zu erfassen wären, die Besteuerung nach Durchschnittsätzen jedoch dieses Ziel nicht erreiche, sei es geboten, bei einer Schätzung in Anlehnung an die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen von den Besteuerungsgrundlagen nach oben abzuweichen. Schätzungslandwirte wären anderenfalls gegenüber den buchführenden Landwirten ungewöhnlich begünstigt. Es stelle eine solche zulässige Abweichung nach oben dar, wenn anstelle des in § 13a Abs. 3 EStG angegebenen Divisors 12 der Divisor 4,5 verwendet werde.

Das FG vertrat jedoch die Auffassung, daß das FA wegen des Übergangs von der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nicht berechtigt gewesen wäre, dem laufenden Gewinn einen Zuschlag von 1 960 DM zuzurechnen. Denn bei diesem Übergang von der Durchschnittsgewinnermittlung zum Bestandsvergleich handle es sich um keinen Wechsel der Gewinnermittlungsart von § 4 Abs. 3 zu § 4 Abs. 1 EStG. Zwar würden bei der Durchschnittsgewinnermittlung die Gewinne aus Weinbau methodisch als Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben ermittelt. Jedoch würden dabei die Betriebsausgaben zum überwiegenden Teil durch pauschalierte Anbaukosten abgegolten. Der so ermittelte Gewinn aus Weinbau sei Teil der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen. Gewinnkorrekturen, wie sie Abschn. 19 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) für den Wechsel der Gewinnermittlungsart von der Überschußrechnung zum Bestandsvergleich vorsähen, seien beim Wechsel von der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ausgeschlossen. Zwar bleibe dann bei diesem Wechsel der Gewinnermittlungsart der Gewinn aus dem Verkauf der Warenbestände, d. h. also hier des Weinlagers, unversteuert. Diese Folge der gesetzlichen Regelung zu beseitigen, sei jedoch nicht Aufgabe eines Gerichts.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung vom erkennenden Senat zugelassenen Revision trägt das FA vor, das Urteil des FG verletze § 4 Abs. 1 und 3 EStG im Zusammenhang mit § 13a EStG. Beim Übergang von der Gewinnermittlung der Landwirte nach Durchschnittsätzen zum Bestandsvergleich müßten Zu- und Abrechnungen nach Abschn. 19 EStR vorgenommen werden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

1. Gegenstand der Revision ist nur der Zuschlag, den das FA beim Gewinn des Klägers aus Weinbau zum 1. Juli 1978 zur Berücksichtigung der Weinbestände vorgenommen hat, weil es davon ausging, daß der Kläger zum 1. Juli 1978 beim Gewinn aus Weinbau von der Einnahmeüberschußrechnung zum Bestandsvergleich übergegangen ist.

Einschließlich des Wirtschaftsjahres 1977/78, d. h. also bis zum 30. Juni 1978, hat der Kläger seinen Gewinn aus Landwirtschaft zulässigerweise nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG a. F. ermittelt. Dabei wurden die Gewinne aus dem Weinbau gemäß § 13a Abs. 6 EStG a. F. durch Zuschläge zum Durchschnittsgewinn seiner kleinen Landwirtschaft ermittelt, und zwar entsprechend § 4 Abs. 3 EStG durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben. Wenn dabei die Betriebsausgaben (sachliche Bebauungskosten) aus Gründen der Erleichterung pauschaliert angesetzt wurden, so ändert das nicht die Art der Gewinnermittlung als Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Ab 1. Juli 1978 wäre der Kläger unstreitig verpflichtet gewesen, zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen. Durch die auf § 148 AO 1977 gestützte Gewährung der Erleichterung, die Eröffnungsbilanz erst zum 1. Juli 1979 zu erstellen, wurde die Buchführungspflicht des Klägers nicht um ein Jahr hinausgeschoben. Vielmehr ist die Erleichterung mit den Beteiligten darin zu sehen, daß sich der Kläger für das Wirtschaftsjahr 1978/79 als buchführungspflichtiger, aber nicht buchführender Schätzungslandwirt behandeln lassen konnte bzw. mußte. Das bedeutet, daß der Kläger ab 1. Juli 1978 als Schätzungslandwirt zu behandeln war und deshalb nicht nur sein Gewinn aus der Landwirtschaft (Ackerbau) in Anlehnung an die Durchschnittsgewinnermittlung nach § 13a EStG oder in anderer Weise nach Art eines Bestandsvergleichs zu schätzen war, sondern auch der Gewinn aus dem Weinbau nach dem Bestandsvergleich geschätzt werden mußte.

Das FA ist auch tatsächlich so verfahren. Es hat nicht nur den Gewinn aus der Landwirtschaft in Anlehnung an die Durchschnittsgewinnermittlung geschätzt, sondern ist auch bei der Gewinnermittlung für den Weinbau zum Bestandsvergleich übergegangen. Es hat zwar die Einnahmeüberschußrechnung des Klägers für den Weinbau unter Vornahme von Korrekturen bei Einnahmen und Ausgaben übernommen. Daneben hat es aber den Weinbestand zum 1. Juli 1978 ermittelt, im Wege des Bestandsvergleichs die Bestandsmehrung im Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 1978 bis 30. Juni 1979 festgestellt und diese Mehrung dem Gewinn des Wirtschaftsjahres 1978/79 zugeschlagen. Da andere bei der Einnahmeüberschußrechnung nicht berücksichtigte Bestandsmehrungen oder Bestandsminderungen (bzw. der Warenforderungen und Warenschulden) nicht feststellbar sind, stellt diese einfache Bestandsrechnung einen Übergang zum Bestandsvergleich dar.

Danach war der Kläger so zu behandeln, als wäre er zum 1. Juli 1978 zum Bestandsvergleich übergegangen und hätte dementsprechend eine Anfangsbilanz aufgestellt. Die vom FA gemäß § 148 AO 1977 gewährte Erleichterung, die Anfangsbilanz tatsächlich erst zum 1. Juli 1979 aufzustellen, hatte also nicht zur Folge, daß der Wechsel der Gewinnermittlungsart erst zum 1. Juli 1979 als eingetreten angesehen werden konnte und demzufolge durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart etwa erforderliche Korrekturen erst zum 1. Juli 1979 anzusetzen waren.

2. Nach der dargelegten Rechtslage war das FA berechtigt, zum 1. Juli 1978 wegen eines Wechsels der Gewinnermittlungsart von der Einnahmeüberschußrechnung zum Bestandsvergleich beim Weinbau Korrektivposten in Gestalt von Zuschlägen zu dem nach einem einfachen Bestandsvergleich ermittelten Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1978/79 anzusetzen.

Der Senat gelangt zu diesem Ergebnis aufgrund folgender Überlegungen: . . .

 

Fundstellen

Haufe-Index 414040

BFH/NV 1987, 216

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