Leitsatz (amtlich)
1. Zu den im Rahmen einer einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977 zu erfassenden Einkünften einer Steuerberater-Sozietät gehören auch solche Einkünfte, die ein Mitglied der Sozietät zwar im eigenen Namen, aber mit Unterstützung des von der Sozietät angestellten Personals erzielt.
2. In einem nach § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977 zu erlassenden Feststellungsbescheid sind Feststellungen darüber zu treffen, ob sich unter den im Bescheid erfaßten Einkünften auch solche befinden, die aus einer i.S. des § 34 Abs.4 EStG 1977 als "wissenschaftlich" anzusehenden Tätigkeit stammen.
Orientierungssatz
1. Zum Aufgabenbereich eines Steuerberaters gehört auch die Wirtschaftsberatung sowie die Rechtsberatung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Steuerberatung steht (vgl. Beschluß des VGH München vom 15.9.1980 29 XIX 77; Literatur). Dabei kommen als Gegenstände der Beratung im einzelnen insbesondere auch Fragen der Gestaltung eines Unternehmens, dessen Auflösung oder Aufteilung unter den Gesellschaftern in Betracht. Einkünfte eines Steuerberaters aus diesem Tätigkeitsbereich sind Einkünfte aus der praktischen Berufstätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG), für die eine Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 4 EStG nicht in Betracht kommt.
2. Wie schon nach früherem Recht müssen auch unter der Geltung des § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977 in einem Feststellungsbescheid neben Art und Höhe der Einkünfte in einer für die Veranlagung zur Einkommensteuer bindenden Weise auch noch andere Entscheidungen getroffen werden, z.B. die Feststellung, ob in den Einkünften Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG oder Veräußerungsgewinne i.S. des § 16 EStG enthalten sind, die als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG tarifbegünstigt sind.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a; EStG 1977 § 34 Abs. 4; EStG §§ 16, 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1-2, § 18 Abs. 1 Nr. 1; StBerG § 33 Fassung: 1975-11-04
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater. Im Streitjahr 1977 war er zusammen mit dem Steuerberater A Mitinhaber einer Steuerberatungs-Sozietät (Sozietät). Außerdem war er für die B-Steuerberatungs-GmbH (GmbH) nichtselbständig tätig.
Im Jahre 1976 erhielt er von einer Mandantin der GmbH, der M-KG, den Auftrag, in einem Schiedsverfahren als Berater tätig zu werden. Seine Tätigkeit bestand darin, bei der Lösung betriebswirtschaftlicher Fragen in bezug auf die Weiterführung des Unternehmens beratend mitzuwirken, Konzepte zur Klärung der Rechtsverhältnisse der Gesellschafter zu erarbeiten und schließlich beim Abschluß eines Realteilungsvertrages und der hieran anschließenden Entflechtung des Unternehmens tätig zu werden.
Für seine Mitwirkung erhielt der Kläger mehrere Zahlungen in Höhe von insgesamt 150 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Hiervon führte er insgesamt 75 000 DM an die Sozietät ab. Der dem Kläger verbliebene Betrag von 75 000 DM wurde von ihm in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als "Einkünfte aus wissenschaftlicher Nebentätigkeit" bezeichnet und hierfür der Steuersatz nach § 34 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977 beantragt.
Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Sozietät für das Streitjahr rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den vom Kläger als "Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit" bezeichneten Betrag von 75 000 DM dem Anteil des Klägers an den Sozietätseinkünften hinzu. Eine Feststellung über die Tarifermäßigung des § 34 Abs.4 EStG enthielt der Bescheid nicht.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, daß die Einbeziehung des strittigen Betrages von 75 000 DM in die einheitliche Gewinnfeststellung unzutreffend sei, da die Einkünfte nicht von der Sozietät, sondern von ihm selbst bezogen worden seien. Zumindest hätte eine Feststellung über die Steuerbegünstigung dieser Einkünfte erfolgen müssen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Einbeziehung der strittigen Einkünfte in die einheitliche Gewinnfeststellung sei zu Recht erfolgt. Die Steuerermäßigung nach § 34 Abs.4 EStG komme nicht in Betracht. Sie werde nur für Nebeneinkünfte gewährt, die von den Berufseinkünften abgrenzbar seien. Daran habe es im Streitfall gefehlt. Die vom Kläger im Rahmen seiner Mitwirkung im Schiedsverfahren ausgeführten Tätigkeiten seien nicht so wesensverschieden von der Berufstätigkeit eines Steuerberaters, daß sie von ihr hätten abgetrennt werden können.
Mit seiner Revision rügt der Kläger mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung des § 34 Abs.4 EStG.
Er beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid in der Weise zu ändern, daß "die Einkünfte aus wissenschaftlicher Nebentätigkeit nicht in die einheitliche Gewinnfeststellung einbezogen werden, hilfsweise, daß sie als steuerbegünstigt gemäß § 34 Abs.4 EStG anerkannt werden".
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht angenommen, daß die strittigen Einkünfte des Klägers in die einheitliche Gewinnfeststellung einzubeziehen sind und für diese Einkünfte die Tarifermäßigung des § 34 Abs.4 EStG nicht in Betracht kommt.
1. Der Kläger hat durch seine Tätigkeit bei der M-KG Einkünfte erzielt, die im Rahmen der einheitlichen Feststellung der Sozietätseinkünfte zu erfassen sind.
a) Gesondert und einheitlich festgestellt werden die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind (§ 180 Abs.1 Nr.2 a der Abgabenordnung --AO 1977--). Die genannten Voraussetzungen liegen vor, wenn mehrere Personen gemeinsam den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllen und somit gemeinschaftliche Einkünfte erzielen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.Februar 1981 IV R 152/76, BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602; Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).
Gemeinschaftlich werden Einkünfte von Angehörigen der freien Berufe (§ 18 Abs.1 Nr.1 EStG) erwirtschaftet, wenn sie sich zu einer Sozietät zusammenschließen (vgl. hierzu Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht 1973, 87 ff.). Davon zu unterscheiden sind Einkünfte, die ein an der Sozietät beteiligter Gesellschafter nicht im Rahmen der Sozietät, sondern außerhalb derselben in einer von ihm allein betriebenen Praxis erzielt, in der er auf eigene Rechnung und Gefahr tätig wird.
In der Regel wird sich schon aus dem Sozietätsvertrag und seinem Vollzug ergeben, welche Einkünfte im Rahmen der Sozietät erzielt werden. Durch den Vertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). In den vertraglichen Bestimmungen, die den "gemeinsamen Zweck" der Gesellschaft betreffen, wird häufig geregelt sein, wie weit die Gemeinsamkeit der Einkünfteerzielung geht und ob (und gegebenenfalls in welchem Umfang) daneben auch noch die Möglichkeit einer selbständigen eigenen Einkunftserzielung durch die einzelnen Gesellschafter besteht. Gegebenenfalls sind bei der Abgrenzung der "gemeinschaftlichen" von den "eigenen" Einkünften eines Gesellschafters auch ergänzende --mündliche oder schriftliche-- Abreden in Betracht zu ziehen.
b) Im Streitfall steht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG fest, daß die den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Einkünfte des Klägers zu den im Rahmen der Sozietät erzielten Einkünften gehören.
Die Tätigkeit des Klägers in dem die M-KG betreffenden Schiedsgerichtsverfahren war ihrer Art nach Berufstätigkeit eines Steuerberaters. Nach § 33 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) haben die Steuerberater die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Zum Aufgabenbereich des Steuerberaters gehört auch die Wirtschaftsberatung (vgl. Gehre, Steuerberatungsgesetz, 1981, § 33 Rdnr.11) sowie die Rechtsberatung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Steuerberatungstätigkeit steht (Mittelsteiner/Gehre, Steuerberatungsgesetz, 2.Aufl., § 33 Anm.2 b; vgl. hierzu auch Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs --VGH-- vom 15.September 1980 29 XIX 77, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Steuerberatungsgesetz 1975, § 33, Rechtsspruch 5). Dabei kommen als Gegenstände der Beratung im einzelnen insbesondere auch Fragen der Gestaltung eines Unternehmens, dessen Auflösung oder Aufteilung unter den Gesellschaftern in Betracht. Die Auffassung des Klägers, seine Mitwirkung am Schiedsverfahren der M-KG, die im wesentlichen in der Beratung zu Fragen der Weiterführung und zur Entflechtung des Unternehmens bestand, sei klar von der Berufstätigkeit eines Steuerberaters abgrenzbar und könne schon deshalb nicht in die einheitliche Gewinnfeststellung einbezogen werden, ist hiernach unzutreffend.
Die Einnahmen aus der Mitwirkung des Klägers am Schiedsverfahren der M-KG sind auch im Rahmen der Sozietät erzielt worden. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG steht zwar fest, daß die M-KG dem Kläger persönlich den Auftrag erteilte, in dem Schiedsverfahren als Berater tätig zu werden und daß auch das Honorar dem Kläger persönlich übermittelt wurde. Dies ist indessen kein Grund für die Annahme, der Kläger sei außerhalb der Sozietät tätig geworden. Daß auch die Einkünfte aus der Mitwirkung am Schiedsverfahren im Rahmen der Sozietät angefallen sind, geht schon daraus hervor, daß zwischen den Gesellschaftern eine Absprache bestand, nach der der Kläger 50 v.H. des Honorars an die Sozietät als "Kostenersatz für die im Büro der Sozietät erledigten Hilfsarbeiten" weiterleiten mußte. Aus dieser Absprache wird ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Tätigkeit der Sozietät erkennbar. Der Kläger hat im übrigen nicht behauptet, er sei im Rahmen einer außerhalb der Sozietät bestehenden eigenen Praxis tätig geworden. In der von ihm unterzeichneten Umsatzsteuererklärung der Sozietät für 1977 hat er vielmehr auch das Honorar der M-KG als Einnahme der Sozietät angegeben.
2. Dem FG ist auch darin zu folgen, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 34 Abs.4 EStG --soweit hierüber im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zu befinden war-- nicht vorliegen.
a) Nach § 34 Abs.4 EStG kommt ein tarifbegünstigter Steuersatz (§ 34 Abs.1 EStG) für "Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit" in Betracht. Einkünfte, die aus einer der in § 18 Abs.1 Nr.1 EStG namentlich genannten freien Berufstätigkeiten bezogen werden, gehören nicht dazu; denn die praktische Berufstätigkeit bei den in dem Katalog des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG aufgeführten typischen freien Berufen kann der "wissenschaftlichen" Tätigkeit i.S. des § 34 Abs.4 EStG nicht gleichgestellt werden, selbst wenn sie auf wissenschaftlicher Grundlage und Vorbildung beruht (BFH-Urteil vom 8.Oktober 1981 IV R 202/79, BFHE 134, 291, BStBl II 1982, 118). Das gilt insbesondere auch für die praktische Berufstätigkeit eines Steuerberaters, dessen Tätigkeitsbereich oben im einzelnen beschrieben wurde.
Bei der Tätigkeit des Klägers für die M-KG handelte es sich um Steuerberatung, auch wenn sie hinsichtlich ihres Umfangs und der Art der Aufgabenstellung von den in der Sozietät sonst üblicherweise erledigten Arbeiten abwich. Als eine für den Berufsstand typische Tätigkeit erfüllte die Mitwirkung des Klägers am Schiedsverfahren der M-KG nicht die Voraussetzungen einer "wissenschaftlichen" Tätigkeit i.S. des § 34 Abs.4 EStG.
b) Die Entscheidung der Frage, ob die im Rahmen der Sozietät zu erfassenden Einkünfte teilweise aus einer "wissenschaftlichen" Tätigkeit i.S. des § 34 Abs.4 EStG stammen, hat das FG zu Recht dem einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren zugeordnet. Als Gegenstände der einheitlichen und gesonderten Feststellung sind zwar in § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977 nur die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen "Einkünfte" genannt. Wie jedoch schon nach früherem Recht (§ 215 der Reichsabgabenordnung --AO--) sind auch unter der Geltung des § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977 die in einen Bescheid aufzunehmenden Feststellungen nicht auf die Art und Höhe der Einkünfte zu beschränken. Vielmehr müssen darüber hinaus in einer für die Veranlagung zur Einkommensteuer bindenden Weise auch noch andere Entscheidungen getroffen werden. Das gilt z.B. für die Feststellung, ob in den Einkünften Entschädigungen i.S. des § 24 Nr.1 EStG oder Veräußerungsgewinne i.S. des § 16 EStG enthalten sind, die als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs.1 und 2 EStG tarifbegünstigt sind. Der Grund dafür, daß solche Feststellungen im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung mit verbindlicher Wirkung für das Veranlagungsverfahren getroffen werden, liegt --abgesehen von der Notwendigkeit einer einheitlichen Feststellung gegenüber allen an den Einkünften Beteiligten-- vor allem darin, daß über die genannten Fragen am besten das mit den Verhältnissen des Betriebs vertraute Betriebs-FA entscheiden kann und es zweckmäßig ist, diese Entscheidung mit den übrigen vom Gesetz geforderten Feststellungen zu verbinden (BFH-Urteil vom 9.November 1978 IV R 185/74, BFHE 127, 96, BStBl II 1979, 330). Diese Erwägungen gelten auch für die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Frage, ob Einkünfte, die in die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung einbezogen sind, den Charakter von "wissenschaftlichen" Einkünften i.S. des § 34 Abs.4 EStG haben. Über diese Frage ist im Gewinnfeststellungsbescheid zu befinden.
Fundstellen
Haufe-Index 61020 |
BStBl II 1985, 577 |
BFHE 144, 151 |
BFHE 1986, 151 |
BB 1985, 2226-2227 (ST) |
DB 1985, 2180-2180 (ST) |
DStR 1985, 670-670 (ST) |
HFR 1986, 5-6 (ST) |