Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Lediger mit eigenem Hausstand vorübergehend auswärts beschäftigt und ist ihm nicht zuzumuten, den eigenen Hausstand am bisherigen Wohnort aufzulösen und an den Beschäftigungsort umzuziehen, so gehören der Mehraufwand für Verpflegung und die Fahrtkosten für die gelegentliche Beaufsichtigung der Wohnung am bisherigen Wohnort zu den Werbungskosten.
Die Entscheidung des Senats VI 32/60 U vom 17. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 169) betrifft nur Fälle, in denen ein Arbeitnehmer endgültig versetzt ist und in absehbarer Zeit nicht an seinen bisherigen Wohnort zurückkehren wird.
Die Pauschsätze für Mehraufwand für Verpflegung (Abschn. 26 Abs. 1 LStR 1957) sind Schätzungen, die die obersten Finanzverwaltungsbehörden im Rahmen von § 217 AO zur Verwaltungsvereinfachung und gleichmäßigen steuerlichen Handhabung erlassen haben. Sie sind auch von den Steuergerichten zu beachten, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen eine Korrektur nach oben oder unten geboten ist.
Die Verwaltungsanweisung in Abschn. 26 Abs. 1 LStR 1957 kann nicht dahin ausgelegt werden, daß bei Ledigen mit eigenem Hausstand der Satz allgemein niedriger festgesetzt wird als bei Verheirateten.
Normenkette
EStG § 9/1, § 12 Nr. 1; LStR Abschn. 26 Abs. 1, Abschn. 22 Abs. 4; LStR Abschn. 22/2; AO § 217
Tatbestand
Der Bf., der in D. wohnte und arbeitete, war im Streitjahr 1958 bei einer Firma in B. beschäftigt. Diese Beschäftigung war von vornherein nur als vorübergehend gedacht. Der Bf. behielt deshalb seine Dreizimmerwohnung in D. bei und bezog in dem 18 km von B. entfernten C. ein möbliertes Zimmer, dessen Miete von 60 DM monatlich die Firma in B. bezahlte. Der Bf. machte unter anderem als Werbungskosten geltend:
für monatlich zwei Eisenbahn-Heimfahrten von C. nach D. (24 x 64,50 DM =) 1.548 DM;
für Mehraufwand für Verpflegung in C. (312 x 5 DM =) 1.560 DM.
Das Finanzamt erkannte nur die Kosten für eine Eisenbahn- Heimfahrt monatlich an. Einen Freibetrag für Verpflegungsmehraufwand versagte es, weil der Bf. ledig sei und in seiner Wohnung in D. keinen Haushalt mit Familienangehörigen geführt habe.
Das Finanzgericht gab der Sprungberufung teilweise statt. Es führte aus: Nehme ein Arbeitnehmer außerhalb seines Wohnortes eine Wohnung, so seien die Mehraufwendungen Werbungskosten, wenn dem Arbeitnehmer ein Umzug oder die tägliche Rückkehr an den Wohnort nicht zuzumuten sei (Abschn. 26 Abs. 1, Abschn. 22 Abs. 4 LStR). In solchen Fällen rechneten auch die Ausgaben für Heimfahrten und der Verpflegungsmehraufwand zu den Werbungskosten. Da der Bf. in D. eine Wohnung mit eigenen Möbeln gehabt habe, seien die Voraussetzungen für einen eigenen Hausstand gegeben. Die Aufgabe der Wohnung sei dem Bf. nicht zuzumuten gewesen, da die auswärtige Beschäftigung von vornherein nur auf beschränkte Zeit gedacht gewesen sei und tatsächlich auch nur 1 1/2 Jahre gedauert habe. Weil der Bf. aber in D. nicht einen gemeinsamen Haushalt mit Familienangehörigen geführt habe, seien die Fahrten nach dorthin keine "Familienheimfahrten" gewesen. Der Bf. habe sich allerdings von Zeit zu Zeit um seine Wohnung kümmern müssen; es sei aber ausreichend, dafür die Kosten für eine Heimfahrt monatlich zuzulassen, wie es das Finanzamt auch getan habe. Zu Unrecht habe aber das Finanzamt Mehraufwendungen für Beköstigung am Beschäftigungsort nicht als Werbungskosten anerkannt. Der Bf. habe sich in D. in seiner Küche den Morgenkaffee und das Abendbrot selbst bereiten können. Der verlangte Betrag von 5 DM täglich sei aber zu hoch; ein Mehraufwand von 1,50 DM täglich scheine angemessen, wie ihn der Bundesfinanzhof bei mehr als 12stündiger Abwesenheit eines Arbeitnehmers von seinem Wohnort zulasse (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 119/53 U vom 17. September 1953, BStBl 1953 III S. 322, Slg. Bd. 58 S. 81; IV 393/54 U vom 3. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 109, Slg. Bd. 60 S. 283; IV 589/54 U vom 10. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 110, Slg. Bd. 60 S. 287; VI 44/55 U vom 12. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 29, Slg. Bd. 64 S. 78). Der Mehraufwand sei mit (286 Tage zu je 1,50 DM =) 429 DM anzusetzen.
Mit der Rb. will der Bf. weiterhin in erster Linie die Kosten für eine zweite monatliche Familienheimfahrt und einen Mehraufwand für Verpflegung von 5 DM täglich anerkannt haben. Hilfsweise beantragt er, die Kosten für seine Wohnung, die er mit 2.603 DM beziffert, als Werbungskosten zuzulassen. Zu dem Hilfsantrag trägt er noch vor, die Monatsmiete von 60 DM für das möblierte Zimmer, die seine Arbeitgeberin getragen habe, sei bisher nicht der Lohnsteuer unterworfen worden. Nunmehr habe ihm seine Arbeitgeberin mitgeteilt, daß das Betriebsfinanzamt gegen sie einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid hinsichtlich der bezahlten Miete erlassen habe; seine Arbeitgeberin verlange von ihm die verauslagte Lohnsteuer zurück.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Feststellung des Finanzgerichts, daß dem Bf. wegen der nur vorübergehend gedachten auswärtigen Beschäftigung nicht zuzumuten gewesen sei, seine Wohnung in D. aufzugeben, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Wenn auch die Dauer der auswärtigen Beschäftigung ungewiß war, so war doch dem Bf. auch als Ledigen bei den derzeitigen Wohnungsverhältnissen nicht zuzumuten, die ihm zusagende und auch bei einer Verheiratung als Familienwohnung geeignete Wohnung aufzugeben.
Der Senat hat in der Entscheidung VI 32/60 U vom 17. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 169) ausgesprochen, daß ein lediger Beamter, der nach einer Versetzung seine bisherige Wohnung beibehält und am neuen Beschäftigungsort möbliert wohnt, keinen doppelten Haushalt führt und einen etwaigen Mehraufwand für Verpflegung nicht als Werbungskosten geltend machen kann. Dagegen hat der Senat in solchen Fällen die Kosten für die bisherige Wohnung und gelegentliche Heimfahrten zur Beaufsichtigung der Wohnung als Werbungskosten zugelassen, solange dem versetzten Beamten ein Umzug nicht zugemutet werden kann. Die Miete für die Wohnung am neuen Beschäftigungsort gehört dagegen nicht zu den Werbungskosten. Ersetzt darum der Arbeitgeber dem versetzten Arbeitnehmer die Miete für die Wohnung am neuen Beschäftigungsort, so liegt darin grundsätzlich Arbeitslohn.
Die Entscheidung VI 32/60 U a. a. O. beruht auf der Vorstellung, daß ein lediger Beamter nach einer Versetzung in der Regel auf absehbare Zeit nicht an seinen bisherigen Wohn- und Dienstort zurückkehrt. Mit der Versetzung verlegt er den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse an den neuen Dienstort. Die ihm dort für Verpflegung und Wohnung entstehenden Ausgaben sind seine Kosten der Lebensführung. Werbungskosten können in solchen Fällen nur die Ausgaben sein, die dem versetzten ledigen Beamten für eine übergangszeit durch die zwangsläufige Beibehaltung der bisherigen Wohnung entstehen, d. h. die Miete und andere Unterhaltungskosten der bisherigen Wohnung sowie die Fahrtkosten für gelegentliche Heimfahrten zur Beaufsichtigung der Wohnung.
Im Streitfall war der Bf. nicht versetzt, sondern hatte nur für eine von vornherein begrenzte Zeit eine auswärtige Beschäftigung angenommen; nach deren Beendigung wollte er nach D. zurückkehren. Der Bf. behielt den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in D. Für ihn waren darum die in D. entstehenden Kosten, besonders die Kosten für seine dortige Wohnung, die Kosten der Lebensführung im Sinne des § 12 Ziff. 1 EStG. Dann müssen aber die Mehrausgaben, die durch die vorübergehende auswärtige Beschäftigung veranlaßt wurden, Werbungskosten sein, vor allem also die Miete für das möblierte Zimmer und der Mehraufwand für Verpflegung am vorübergehenden Beschäftigungsort sowie die Kosten für Heimfahrten.
Dem Umstand, daß der Bf. vorher in D. allein lebte und nach Verlassen der Wohnung dort keinen "Haushalt" im eigentlichen Sinn mehr führte, hat das Finanzgericht mit Recht keine Bedeutung beigemessen; denn rechtlich zutreffend wird in Abschn. 22 Abs. 4 Satz 5 LStR 1957 nicht auf die "Haushaltsführung" abgestellt, sondern auf den "eigenen Hausstand" und ein solcher auch angenommen, wenn ein alleinstehender Arbeitnehmer, wie der Bf., eine Wohnung mit eigener Möbelausstattung besitzt.
Dem Grunde nach ist deshalb nicht der Hilfsantrag, sondern der Hauptantrag des Bf. begründet, wie das auch das Finanzgericht angenommen hat. Bedenklich ist aber, wenn das Finanzgericht bei dem Steuerpflichtigen als Ledigen den Mehraufwand für Verpflegung nur auf 1,50 DM täglich geschätzt hat, während nach Abschn. 26 Abs. 1 LStR 1957 allgemein ein Satz bis zu 5 DM täglich anerkannt werden kann. Abschn. 26 Abs. 1 LStR ist zwar eine Verwaltungsanweisung, die die Steuergerichte nicht bindet und den Steuerpflichtigen keinen vor den Steuergerichten verfolgbaren Anspruch gibt, daß in jedem Fall dieser Satz gewährt wird (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 342/53 U vom 8. April 1954, BStBl 1954 III S. 188, Slg. Bd. 58 S. 722; I 259/54 U vom 19. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 304, Slg. Bd. 61 S. 275). Aber es handelt sich hier doch um einen "Richtsatz", der von den obersten Verwaltungsbehörden für ein schwieriges Grenzgebiet auf Grund ihrer Erfahrungen im Interesse der Vereinfachung und gleichmäßigen Handhabung festgesetzt worden ist. Solche Richtsätze sind Schätzungen (§ 217 AO). Die Steuergerichte müssen solche Schätzungen beachten, solange sie nicht im Einzelfall wegen anomaler Verhältnisse offensichtlich unrichtig sind und deshalb nach oben oder unten korrigiert werden müssen. Soll von den Richtsätzen abgewichen werden, so müssen die Steuergerichte berücksichtigen, daß die Richtsätze geschaffen wurden, um die im Massenverfahren der Besteuerung notwendige und von den Verwaltungsbehörden erstrebte Vereinfachung und Gleichmäßigkeit zu fördern. Sie sollten deshalb nur in Fällen von einigem Gewicht von den Richtsätzen abweichen.
Im Wortlaut des Abschn. 26 Abs. 1 LStR wird, wie der Bf. zutreffend ausführt, nicht zwischen Verheirateten und Ledigen unterschieden; es ist vielmehr nur darauf abgestellt, ob der Steuerpflichtige einen "eigenen Hausstand" unterhält. Unter diesen Umständen wäre es nicht gerechtfertigt, bei Ledigen mit eigenem Hausstand allgemein den Satz bis zu 5 DM täglich nicht zu geben. Wenn die obersten Finanzverwaltungsbehörden bei Ledigen mit eigenem Hausstand allgemein einen Satz bis zu 5 DM nicht für angemessen halten würden, so hätten sie in den LStR für die Gruppe einen besonderen und niedrigeren Satz festgesetzt. Der Bf. lebt in gehobenen Verhältnissen. Es erscheint vertretbar, bei ihm den Höchstsatz von 5 DM täglich anzusetzen. Die Feststellungen des Finanzgerichts bieten keinen Anhalt, daß dem Bf. ein Mehraufwand in dieser Höhe offensichtlich nicht entstanden ist. Den Satz von 1,50 DM, den das Finanzgericht in Anlehnung an anders geartete Fälle geschätzt hat, hat das Finanzgericht nicht ausreichend substantiiert; vor allem hat es nicht dargelegt, warum es der Schätzung der Verwaltung in Abschn. 26 Abs. 1 LStR nicht folgte.
Nicht zu beanstanden ist dagegen, daß das Finanzgericht die Fahrten nach D. nicht als "Familienheimfahrten" im Sinne des Abschn. 22 Abs. 2 Ziff. 5 LStR 1957 anerkannt und deshalb nicht, wie der Bf. will, die Kosten für zwei Fahrten monatlich angesetzt hat. Da der Bf. in D. nicht in einer "Familie" lebte, kamen "Familienheimfahrten" für ihn nicht in Betracht. Die Fahrtkosten eines Ledigen für Besuche von Verwandten, mit denen er nicht in Familiengemeinschaft lebt, sind keine Werbungskosten, sondern Kosten der Lebensführung (§ 12 Ziff. 1 EStG). Wenn das Finanzgericht zur Beaufsichtigung der Wohnung monatlich eine Heimfahrt für erforderlich und ausreichend hielt, so ist das eine Schätzung auf tatsächlichem Gebiet, die rechtlich möglich war und den Senat bindet (§§ 288, 296 Abs. 1 AO).
Die Vorentscheidung war demnach wegen unrichtiger Anwendung der §§ 9 und 12 EStG aufzuheben. Die Sache wird aus Zweckmäßigkeitsgründen an das Finanzamt zur Berechnung der Lohnsteuer zurückverwiesen. Dabei sind die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in der vom Finanzgericht festgestellten Höhe anzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 410191 |
BStBl III 1961, 509 |
BFHE 1962, 669 |
BFHE 73, 669 |