Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungskosten bei Grundstücksübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge; Abgrenzung von Veräußerungs- gegen Versorgungsleistungen in Zusammenhang mit einer dauernden Last
Leitsatz (NV)
1. Bei Vermögensübertragung zwischen Familienangehörigen ist ein Veräußerungsvorgang nur gegeben, wenn die beiderseitigen Leistungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind und wenn die Beteiligten durch eindeutige und klare Vereinbarungen zum Ausdruck gebracht haben, daß tatsächlich ein auf äquivalenten Leistungen beruhendes Geschäft abgeschlossen ist.
2. Steht eine dauernde Last im Austausch mit einer Gegenleistung, so liegen in Höhe des Barwertes Anschaffungskosten vor, die, soweit sie auf das Gebäude entfallen, im Wege der Absetzung zu verteilen sind. - Als Versorgungsleistung ist die dauernde Last als Sonderausgabe abziehbar.
Normenkette
EStG §§ 7, 10 Abs. 1 Nr. 1a; EStDV § 11d
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Eigentümer des gemischt genutzten Grundstücks in Z, das ihm seine Mutter durch notariellen Vertrag vom 31. Juli 1972 übertragen hat. Nach § 1 des Vertrages hat die Mutter dem Kläger den Grundbesitz mit einer Größe von insgesamt 786 qm mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 geschenkt. Nach § 6 des Vertrages verpflichtete sich der Kläger, seiner Mutter eine lebenslängliche Jahresrente in Höhe von . . . DM zu zahlen, ,,die zum Lebensunterhalt der Mutter bestimmt" war. Diese Rente sollte sich in dem Verhältnis erhöhen oder ermäßigen, wie sich die von dem Hauptmieter gezahlte Miete veränderte. Außerdem behielt sich die Mutter ein lebenslanges Wohnrecht an der von ihr bewohnten Wohnung im Zwischengeschoß des Hauses vor. Der Kläger verpflichtete sich ferner, an seine Schwester in Raten insgesamt . . . DM (§ 8 des Vertrages) und an seinen Bruder einen Betrag von . . . DM zu zahlen (§ 9 des Vertrages). Mit dem Grundstücksübertragungsvertrag sollten alle Erb- und Pflichtteils-, auch Pflichtteilsergänzungsansprüche abgegolten sein, die zwischen dem Kläger, der Mutter und den Geschwistern bestanden (§ 10 des Vertrages).
Bei der Bemessung der Abschreibungsgrundlage (beginnend mit dem Veranlagungsjahr 1972) ging der Kläger von einem entgeltlichen Erwerb zu 2/3 aus. Er berücksichtigte den kapitalisierten Wert der Rente mit . . . DM, den Wert des Wohnrechts mit . . . DM, die abgezinsten Zahlungen an seine Schwester mit . . . DM und die Zahlungen an den Bruder mit . . . DM als Anschaffungskosten. Insgesamt setzte der Kläger die Anschaffungskosten für das Gebäude mit . . . DM an und machte eine Abschreibung von 3,5 % geltend. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer der Kläger für die Jahre 1972 bis 1978.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1979 berücksichtigte das FA zunächst mit Bescheid vom 11. Mai 1981, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erging, die Abschreibung lediglich mit einem Satz von 2 v. H. der Bemessungsgrundlage von . . . DM. Den Ertragsanteil der an die Mutter gezahlten Rente (19 v. H. des inzwischen geleisteten Jahresbetrages von . . . DM) erfaßte das FA antragsgemäß als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Mit endgültigem Steuerbescheid vom 23. Juni 1982, der während des Einspruchsverfahrens gegen die Steuerfestsetzung erging und auf einer Betriebsprüfung beim Kläger beruhte, setzte das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung insgesamt mit . . . DM an.
In der Einspruchsentscheidung vom 20. August 1982 ging das FA davon aus, daß das Grundstück im Jahre 1972 in vollem Umfang unentgeltlich erworben worden sei; der Kläger könne lediglich die Abschreibungsbemessungsgrundlage seiner Rechtsvorgängerin fortführen. Da das Gebäude im wesentlichen im Jahre 1911 hergestellt worden war, setzte das FA die Abschreibung mit 2,5 % der Bemessungsgrundlage von . . . DM an. Die Rentenzahlung an die Mutter berücksichtigte das FA mit dem Ertragsanteil als Sonderausgaben des Klägers. Insgesamt ermittelte das FA die Einkünfte aus dem Grundbesitz mit . . . DM und setzte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung eines Verlustes aus einem Zwei-Familien-Haus in A mit . . . DM an.
Mit der Klage machten die Kläger geltend, daß der Grundstücksübertragungsvertrag im Zusammenhang mit der langfristigen Vermietung an die Firma X zu sehen sei. Diese habe die Räume, in denen die Mutter bis zum 1. Oktober 1966 ein . . . geschäft betrieben habe, bis zum 1. Juli 1997 angemietet. In § 14 des Mietvertrages sei ein Vorkaufsrecht für die Firma X für alle Verkaufsfälle bis zum 31. Dezember 1996 vereinbart gewesen. Da die Mutter des Klägers ihren Wohnsitz nach Y verlegt gehabt habe, habe sie beabsichtigt, den Grundbesitz zu dem von ihr ermittelten Verkehrswert von . . . DM zu veräußern. Bei der Übertragung auf den Kläger habe der Eintritt der Vorkaufsberechtigung für die Firma X verhindert werden sollen. Deshalb sei der Vertrag als Schenkungsvertrag formuliert worden. Aus der Höhe der vom Kläger zu entrichtenden Zahlungen ergebe sich aber, daß diese am Verkehrswert des Gebäudes orientiert gewesen seien. Allein die Rentenzahlung an die Mutter, die an die Mietzahlungen der Firma X gekoppelt gewesen sei, habe mehr als die Hälfte des Verkehrswertes von . . . DM betragen. Berücksichtige man den Anteil des Klägers entsprechend dem Anteil seiner Geschwister mit . . . DM sowie das Wohnrecht mit einem Jahreswert von . . . DM und die Vermögensabgabe mit . . . DM, so seien weitere Aufwendungen in Höhe von . . . DM zu berücksichtigen. Dies belege die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs. Nach einem Gutachten der Sparkasse sei das Grundstück zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe im Jahre 1966 (. . . geschäft der Mutter) . . . DM wert gewesen. Die Kläger machten geltend, die Abschreibung für einen käuflich erworbenen Anteil nach einer Bemessungsgrundlage von . . . DM mit 2,5 % und für einen geschenkten Teil nach einem Restwert zum 31. Dezember 1977 von . . . DM mit 2 v. H. zu bemessen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil sind die an die Geschwister geleisteten Beträge Anschaffungskosten. Wie aus dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) folgt, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage sog. Gleichstellungsgelder ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der zugesagten Leistungen entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat nimmt Bezug auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C II. 2.
Ebenfalls zutreffend hat das FG die Verpflichtung gegenüber der Schwester mit dem abgezinsten Wert angesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354).
2. a) Dagegen ist fraglich, ob das FG die Zahlungen an die Mutter zu Recht als Veräußerungsleistungen beurteilt hat, die im Unterschied zu Versorgungsleistungen (vgl. Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C II. 1.) zu Anschaffungskosten führen können. Während Versorgungsleistungen der Gedanke der Fürsorge und des Schutzes vor materieller Not zugrunde liegt, beruhen Veräußerungsvorgänge auf Gegenleistung und Leistungsaustausch (vgl. BFH-Urteile vom 26. Januar 1978 IV R 62/77, BFHE 124, 338, BStBl II 1978, 301; vom 12. November 1985 VIII R 286/81, BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55, und vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585).
Ein Kaufvertrag könnte nur dann angenommen werden, wenn die beiderseitigen Leistungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind und wenn die Beteiligten durch eindeutige und klare Vereinbarungen zum Ausdruck gebracht haben, daß tatsächlich ein auf äquivalenten Leistungen beruhendes Geschäft abgeschlossen ist (ähnlich zur Abgrenzung einer Kaufpreisrente - Betriebsausgabe - von einer außerbetrieblichen Versorgungsrente - Sonderausgabe - BFH-Urteil vom 30. November 1967 IV 1/65, BFHE 91, 81, BStBl II 1968, 263, und zur Betriebsübertragung BFH-Urteil vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111). Dies ist vorliegend vor allem deshalb ungewiß, weil es sich auch nach Auffassung des FG um eine teilentgeltliche Vermögensübertragung handelt. Die Zahlungen müßten zum vereinbarten Teilentgelt gehören.
b) Zudem sind die Leistungen an die Mutter nicht als Rente, sondern als dauernde Last zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 13. August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709). Neben weiteren Anforderungen setzt eine Rente (dem Betrage oder dem Werte nach) gleichmäßige Leistungen voraus. Indexklauseln, die den (inneren) Wert wiederkehrender Leistungen wahren, sind unschädlich (vgl. BFH-Urteile vom 12. November 1985 IX R 2/82, BFHE 145, 368, BStBl II 1986, 261, und vom 28. Januar 1986 IX R 12/80, BFHE 146, 68, BStBl II 1986, 348; vgl. ferner Söhn in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10 Rdnr. D 24, 25, 35). Die Gleichmäßigkeit der Leistungen wird dagegen ausgeschlossen, wenn diese an variable Bemessungsgrößen anknüpfen.
Im Streitfall sind die Leistungen an die Mutter von der von dem Hauptmieter zu zahlenden Miete abhängig. Diese Anknüpfung an eine sich ändernde Bezugsgröße, die nicht allein der Werterhaltung dient, steht der Gleichmäßigkeit der Zahlungen entgegen.
Steht die dauernde Last im Austausch mit einer Gegenleistung, so liegen in Höhe des (möglicherweise durch die Wertanpassung geänderten) Barwerts zwar Anschaffungskosten vor, die, soweit sie auf das Gebäude entfallen, im Wege der Absetzung zu verteilen sind. Die laufenden Zahlungen können aber erst dann als Werbungskosten abgesetzt werden, wenn ihre Summe den Barwert übersteigt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709; vom 3. Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674, und vom 12. Juli 1989 X R 11/84, BFHE 158, 22, BStBl II 1990, 13). Als Versorgungsleistung führt die dauernde Last nicht zu Anschaffungskosten. Sie ist jedoch bei Vermögensübertragungsverträgen - ohne Wertverrechnung - als Sonderausgabe abziehbar (vgl. BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C. II 1. c).
3. Der Kläger hat das Grundstück insoweit unentgeltlich erworben, als sich die Mutter ein Wohnrecht erworben hat. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstückes dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378, und Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C II. 2. Buchst. b).
4. Die Übertragung des Grundstücks ist in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten (vgl. BFH-Urteile vom 17. Juli 1980 IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11, und vom 5. Juni 1991 XI R 3/84, BFH/NV 1991, 679). Dabei muß der von dem Kläger geleistete Betrag zum Verkehrswert des Grundstücks abzüglich des Wertes des der Mutter vorbehaltenen Wohnrechts ins Verhältnis gesetzt werden. Die gesamte dem Kläger zustehende Absetzung für Abnutzung (AfA) errechnet sich aus der anteiligen von ihm nach § 11 d der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) forzuführenden AfA der Mutter und der auf seine Anschaffungskosten entfallenden Gebäude-AfA. Dieser Gesamtbetrag ist jedoch um den AfA-Anteil zu kürzen, der auf die von der Mutter bewohnten Räumlichkeiten entfällt, soweit es sich dabei um eine abgeschlossene Wohnung handelt (BFH-Urteil vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171). Insoweit erzielt der Kläger keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
5. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen ist es dem Senat nicht möglich, abschließend zu entscheiden. Insbesondere fehlen Feststellungen zur Beurteilung der laufenden Zahlungen an die Mutter als Veräußerungsleistungen, zum Verkehrswert von Grundstück und Gebäude, zum genauen Wert des vorbehaltenen Wohnrechtes und dessen Berechnung sowie zum Verhältnis der auf das Wohnrecht entfallenden Fläche zur Gesamtfläche des Gebäudes. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417985 |
BFH/NV 1992, 166 |