Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Nutzungswertbesteuerung eines Zweifamilienhauses bei Bestehen eines Wohnrechts

 

Leitsatz (NV)

1. Übertragen Eltern ihrem Sohn ein Zweifamilienhaus unter Vorbehalt des Wohnrechts an einer der beiden Wohnungen, so ist für die Ermittlung des dem Sohn zuzurechnenden Nutzungswertes vom anteiligen Grundbetrag auszugehen (§ 21 a Abs. 1 Satz 2 und 4 EStG 1983). Nach § 21 a Abs. 3 EStG 1983 dürfen vom Grundbetrag nur die Schuldzinsen bis zur Höhe des Grundbetrags und erhöhte Absetzungen abgezogen werden.

2. Bei unterschiedlichen Streitwerten des Klage- und des Revisionsverfahrens und innerhalb des Revisionsverfahrens sind die Kosten für die beiden Verfahren und innerhalb des Revisionsverfahrens nach unterschiedlichen Quoten zu verteilen.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 7b, 21 Abs. 2, § 21a Abs. 1 Sätze 2, 4, Abs. 3; FGO § 136 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21. April 1982 ein Zweifamilienhaus-Grundstück von seinen Eltern übertragen. Als Gegenleistungen übernahm der Kläger Darlehensschulden und verpflichtete sich zur Zahlung eines Betrages von . . . DM, welchen die Eltern des Klägers diesem und seinen vier Geschwistern mit jeweils . . . DM zuwiesen. Der Kläger hatte seinen Geschwistern jeweils . . . DM zu zahlen. Schließlich behielten sich die Eltern des Klägers ein lebenslanges unentgeltliches und ausschließliches Wohnrecht an allen Räumen im Erdgeschoß vor. Die Geschwister des Klägers verzichteten hinsichtlich des übertragenen Grundstücks auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Nachlaß der Eltern und den Kläger.

Im Streitjahr 1983 nutzte der Kläger eine Wohnung und das ausgebaute Dachgeschoß des Zweifamilienhauses selbst, die Eltern des Klägers die Erdgeschoßwohnung.

In seiner Einkommensteuererklärung 1983 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß von . . . DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte den Werbungskostenüberschuß mit . . . DM an, wobei das FA die vom Kläger geltend gemachten erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Anschaffungskosten des Grundstücks wegen Unentgeltlichkeit des Erwerbs im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge nicht zum Abzug als Werbungkosten zuließ und im übrigen die Werbungskosten um den Anteil kürzte, der auf die von den Eltern genutzte Wohnung entfiel. Nach Hinweis auf die Möglichkeit einer Verböserung setzte das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Einspruchsentscheidung mit . . . DM an und die Einkommensteuer 1983 auf . . . DM herauf. Das FA berechnete nunmehr die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 a EStG 1983. Es ermittelte den auf die Wohnung des Klägers entfallenden Grundbetrag ausgehend von 66 % des maßgeblichen Einheitswerts, zog bis zu diesem Betrag die geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten ab und gewährte dem Kläger erhöhte Absetzungen nach § 82 a der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) von . . . DM und nach § 7 b EStG für die Schaffung neuen Wohnraums im Dachgeschoß von . . . DM.

Der Klage, mit der der Kläger begehrte den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG Anschaffungskosten für das Grundstück von . . . DM zugrunde zu legen und die Werbungskosten nicht um den auf das Wohnrecht seiner Eltern entfallenden Anteil zu kürzen, hat das Finanzgericht (FG) überwiegend stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, die Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge rechtfertige es nicht, den Vorgang als unentgeltlichen Erwerb zu beurteilen; denn die Leistungen des Klägers erfüllten die Tatbestandsmerkmale der Anschaffungskosten. Die übernommenen Schulden und der vereinbarte Kaufpreis bildeten die Anschaffungskosten. Der auf den Kläger entfallende Kaufpreisanteil sei diesem geschenkt worden. Die Einkünfte seien nicht nach § 21 a EStG zu ermitteln, da es sich nicht um ein Einfamilienhaus handle. Allerdings müsse die Wohnung, an der das dingliche Wohnrecht der Eltern bestehe, sowohl bei der Ermittlung der Einnahmen wie der Werbungskosten außer Betracht bleiben, da der Kläger insoweit nicht den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirkliche. Das FG setzte die Einnahmen mit . . . DM an. Hiervon zog es 66 % der geltend gemachten Schuldzinsen und 66 % erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG auf Gebäudeanschaffungskosten von . . . DM, außerdem die vom FA in der Einspruchsentscheidung gewährten erhöhten Absetzungen nach § 82 a EStDV und § 7 b EStG - letztere bis zum Höchstbetrag von . . . DM - als Werbungskosten ab. Es ergab sich danach ein Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von . . . DM. Das FG setzte dementsprechend die Einkommensteuer 1983 fest.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es hat sein Revisionsbegehren, das sich zunächst auf Abweisung der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung richtete, mit dem bei Gericht am 16. Januar 1991 eingegangenen Schriftsatz entsprechend seinem Änderungsbescheid vom 9. Januar 1991 eingeschränkt. Darin setzt es die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 a EStG unter Gewährung anteiliger (66 %) erhöhter Absetzungen auf Gebäudeanschaffungskosten von . . . DM sowie der erhöhten Absetzungen nach § 82 a EStDV und § 7 b EStG auf Herstellungskosten mit . . . DM an und die Einkommensteuer 1983 auf . . . DM fest.

Der Kläger hat den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht.

 

Entscheidungsgründe

Gegenstand des Verfahrens ist aufgrund der Erklärung des Klägers der Einkommensteuerbescheid 1983 vom 9. Januar 1991 geworden (§§ 68, 121, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Senat hält es nicht für geboten, nach § 127 FGO die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen; denn die Streitsache ist spruchreif. Zwar berührt der neue Bescheid den Streitpunkt; das FG hat jedoch die zur Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bereits getroffen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Zu Recht hat das FG zwar den Erwerb des Zweifamilienhaus-Grundstücks durch den Kläger als teilentgeltlichen Vorgang beurteilt. Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil es rechtsfehlerhaft von zu hohen Anschaffungskosten ausgegangen ist und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht nach § 21 a EStG ermittelt hat. Die Klage war abzuweisen, soweit ihr das FA nicht durch den Änderungsbescheid vom 9. Januar 1991 entsprochen hat.

1. Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern an Angehörige, von einer Abstandszahlung an den Übertragenden und gegen die Übernahme von Verbindlichkeiten ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der zugesagten Leistungen und der übernommenen Verbindlichkeiten entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C. II. 2. und 3.

Dagegen erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende an dem Vermögen ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C. II. 1. Buchst. c) der Gründe des Beschlusses des Großen Senats vom 5. Juli 1990 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.

Bei Anwendung der Rechtsgrundsätze des genannten Beschlusses hat der Kläger das Zweifamilienhaus-Grundstück teilentgeltlich erworben. In Höhe der an seine Geschwister gezahlten Beträge von zusammen . . . DM und der übernommenen Verbindlichkeiten sind ihm Anschaffungskosten entstanden. Dagegen liegen hinsichtlich des auf den Kläger entfallenden Anteils des Übernahmepreises, auf dessen Zahlung die Eltern des Klägers zu seinen Gunsten verzichtet haben, keine Anschaffungskosten vor. Anschaffungskosten sind alle Aufwendungen, um ein Wirtschaftsgut von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen. Der Senat kann offenlassen, ob die Vereinbarung der Zahlung unter gleichzeitigem Verzicht auf einen Teil davon zugunsten des Klägers dahin auszulegen ist, daß insoweit das Entgelt von vornherein auf die Zahlung des Preises ohne den Anteil des Klägers beschränkt werden sollte, oder ob der Verzicht der Eltern als teilweiser Erlaß der Forderung und damit als Minderung des Entgelts zu werten ist. In beiden Fällen hat der Kläger keine Aufwendungen für die Übertragung des Grundstücks gehabt.

2. Nach § 21 a EStG 1983 ist die Ermittlung des Nutzungswerts aufgrund des Einheitswerts des Grundstücks mit der Folge der Beschränkung des Werbungskostenabzugs nicht nur bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch bei einer Wohnung im eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, vorzunehmen. Der Kläger hat das Zweifamilienhaus-Grundstück nach dem 30. Juli 1981 entgeltlich erworben (vgl. § 21 a Abs. 7 Nr. 1 EStG). Die Anwendung des § 21 a EStG 1983 für die Ermittlung des Nutzungswerts der vom Kläger genutzten Wohnung ist nicht durch § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1983 ausgeschlossen. Der Vortrag des Klägers, er habe die Wohnung an seine Eltern vermietet, ist neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, nutzten die Eltern im Streitjahr die Erdgeschoßwohnung aufgrund des vorbehaltenen unentgeltlichen Wohnrechts. Hinsichtlich dieser Wohnung sind die Erfordernisse des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und 3 EStG auch nicht erfüllt. Für die Ermittlung des dem Kläger zuzurechnenden Nutzungswertes ist vom anteiligen Grundbetrag auszugehen (§ 21 a Abs. 1 Satz 2 und 4 EStG 1983). Nach § 21 a Abs. 3 EStG 1983 dürfen vom Grundbetrag nur die Schuldzinsen bis zur Höhe des Grundbetrages und erhöhte Absetzungen abgezogen werden. Anhaltspunkte dafür, daß in bezug auf den Dachgeschoßausbau der Schuldzinsenabzug nach § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG in Betracht kommt, sind nicht gegeben.

3. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß dem Kläger der Werbungskostenabzug nur in dem Umfang zusteht, in dem er den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht. Da nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitjahr die Eltern des Klägers die Erdgeschoßwohnung aufgrund des vorbehaltenen Wohnrechts nutzten, erfüllten sie insoweit den Tatbestand der Einkünfteerzielung. Der Nutzungswert ist ihnen bei dinglicher Sicherung des Wohnrechts gemäß § 21 Abs. 2, Alternative 1 EStG, im übrigen aufgrund einer gesicherten Rechtsposition gemäß § 21 Abs. 2, Alternative 2 EStG zuzurechnen. Insoweit kann der Kläger keine Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628, mit weiteren Hinweisen).

4. Der Senat kann offenlassen, ob die vom FG und FA gewährten erhöhten Absetzungen nach § 82 a EStDV und § 7 b EStG auf Herstellungskosten dem Kläger ungekürzt zustehen, obgleich er hinsichtlich des Zweifamilienhauses den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur teilweise erfüllt. Eine Verböserung käme nicht in Betracht (§ 121 i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Da sich der Änderungsbescheid vom 9. Januar 1991 im übrigen als rechtmäßig erweist, war die Klage abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Wegen der unterschiedlichen Streitwerte des Klage- und des Revisionsverfahrens und innerhalb des Revisionsverfahrens sind die Kosten für die beiden Verfahren und innerhalb des Revisionsverfahrens nach unterschiedlichen Quoten zu verteilen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417988

BFH/NV 1992, 38

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