Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Lehnt die Finanzverwaltung den Antrag eines nichtbuchführenden Landwirts auf Erlaß von HGA-Leistungen wegen wirtschaftlicher Bedrängnis mit der Begründung ab, die Schulden hätten sich im Erlaßzeitraum nicht vermehrt, so kann die Ablehnung dann ermessensfehlerhaft sein, wenn nach Lage des Falles eine Schuldenaufnahme unmöglich oder nicht vertretbar gewesen ist und der Abgabepflichtige unter äußerster Einschränkung seiner Ausgaben und seiner Lebenshaltung von der Substanz gelebt hat.
Normenkette
LAG § 131 Abs. 1; VAO-LAG131 44; VAO-LAG131 45
Tatbestand
Streitig ist der Erlaß von HGA-Leistungen wegen wirtschaftlicher Bedrängnis (§ 131 LAG) für die Erlaßzeiträume 1953 - 1955 und 1956 - 1958. Der Hof hat eine Größe von 11,90 ha einschließlich der im Jahre 1951 zugekauften Fläche. Ab 1954 sind 0,9 ha zugepachtet. Auf Grund der unanfechtbar gewordenen Veranlagung zur HGA betrugen die Leistungen je Erlaßzeitraum 1.400 DM. Die vom Abgabepflichtigen (Revisionskläger) für die beiden Erlaßzeiträume gestellten Erlaßanträge gemäß § 131 LAG hat das Finanzamt (FA) abgelehnt. Beim Erlaßzeitraum 1953 bis 1955 hat es den landwirtschaftlichen Gewinn je ha und Jahr mit 500 DM und beim Erlaßzeitraum 1956 - 1958 mit 550 DM geschätzt. Es kam unter Berücksichtigung der Abzugsbeträge und Pauschbeträge für Lebenshaltungskosten im Erlaßzeitraum 1953 - 1955 zu einem überhang von 2.500 DM, und im Erlaßzeitraum 1956 - 1958 zu einem überhang von 4.300 DM. Hieraus hätten nach Ansicht des FA die HGA-Leistungen in den Erlaßzeiträumen erbracht werden können. Mit der Beschwerde wurde geltend gemacht, daß die den Entscheidungen zugrunde gelegten Gewinne nicht erzielbar gewesen seien. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Das FA habe entsprechend den Vorschriften der Verwaltungsanordnung zu § 131 des Lastenausgleichsgesetzes (Erlaß der Leistungen auf die Hypothekengewinnabgabe wegen wirtschaftlicher Bedrängnis) vom 10. Juli 1956 (VAO zu § 131 LAG) - IV C/5 - LA 2623 - 3/56 (BStBl I 1956, 347) den Erlaßantrag mit Recht abgelehnt, weil die verfügbaren Mittel die Lebenshaltungskosten überstiegen.
Die OFD führte weiter aus, die Behauptung des Abgabepflichtigen, die zugrunde gelegten Gewinne seien nicht erzielbar gewesen, sei weder nachgewiesen noch überzeugend. Nach Tz. 45 VAO zu § 131 LAG erübrige sich aber eine Gewinnschätzung ohnehin, weil die Verschuldung des Antragstellers während der beiden Erlaßzeiträume nicht zugenommen habe. Der Abgabepflichtige habe vielmehr trotz Aufbringung der HGA-Leistungen sogar ein Sparguthaben von zuletzt über 8.000 DM ansammeln können.
Mit der Berufung wird vorgetragen, der Abgabepflichtige lebe mit seiner Familie sehr bescheiden, und sein Aufwand zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten liege unter den Pauschsätzen. Die vom FA geschätzten Gewinne seien keinesfalls zu erzielen gewesen. In Anlehnung an die Ergebnisse buchführender Landwirte hätten die Ergebnisse im Erlaßzeitraum 1953 - 1955 250 bis 300 DM je ha und im Erlaßzeitraum 1956 - 1958 300 bis 350 DM betragen müssen.
Auch bedeute ein geringer Sparbetrag hier keinen Betriebsüberschuß. Den Sparbeträgen ständen Schulden in mindestens gleicher Höhe gegenüber, die am Ende der einzelnen Wirtschaftsjahre die Sparbeträge überstiegen. Die Sparbeträge hätten nur durch Einschränkung in den Lebenshaltungskosten angesammelt werden können.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus, nach den Feststellungen seien erhebliche Mittel für den Neubau des Wirtschaftsgebäudes aufgebracht, auch sei Inventar angeschafft worden. Wenn das FA bei seinen Berechnungen zu diesen eigenen Finanzierungsmitteln die Miete, die Beträge zur Deckung des Lebensunterhalts für drei Personen und die gezahlten Steuern und Abgaben hinzugezählt und ihnen die Pauschbeträge für Lebenshaltungskosten mit 12.960 DM gegenübergestellt habe, so sei hierin kein Ermessensverstoß zu erblicken. Die Beschwerdeentscheidung habe es mit Recht auch auf die Vermögensentwicklung abgestellt. In diesem Zusammenhang habe die Verwaltung ohne Verstoß gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit festgestellt, daß sich das Sparguthaben zuletzt auf ca. 8.000 DM belaufen habe. Eine Schuldenvermehrung sei infolgedessen zu verneinen. Eine Ermessensverletzung seitens der OFD könne in der Entscheidung nicht erblickt werden.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wird gerügt, es läge mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts vor, auch seien Beweisanträge übergangen worden. Die Gründe der Vorentscheidungen hätten sich nicht auf das Nichtvorliegen einer Schuldenvermehrung gestützt, sondern auf die durch die Prüfung festgestellten verfügbaren Mittel und Pauschbeträge für Lebenshaltungskosten. Die Berechnung der Höhe dieser verfügbaren Mittel sei aber widerlegt und die Berichtigung im Urteil nicht bestritten worden. Die verfügbaren Mittel überstiegen nicht die Lebenshaltungskosten.
Die mehr als genügsame Lebensgestaltung und die geradezu primitiven Wohnverhältnisse ließen ohne weiteres erkennen, daß unter allen Umständen eine laufende Schuldenzunahme zu Lasten der Lebensbedürfnisse habe vermieden werden müssen. Kein Haushalt in der Stadt hätte unter diesen dürftigen Lebensverhältnissen und noch dazu bei schwerster Arbeit existieren können. Die Verwaltung hätte auch unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse ihre Entscheidung treffen müssen. Ein Erlaß sei auch in den Fällen nicht zu versagen, in denen zwar keine Schuldenvermehrung vorliege, bei denen aber die erzielbaren Einkünfte unter den Pauschbeträgen lägen. Dies treffe besonders bei den Klein- und Kleinstbetrieben zu. Die Landesbauernkammer habe bei ihren Erhebungen festgestellt, daß Betriebe bis zu 12 ha keine Existenzgrundlage hätten und die Gewinne dieser Betriebe unter denjenigen eines Landarbeiters lägen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Bei der Anwendung des § 131 LAG kommt es auf die individuell zutreffend ermittelten, dem Abgabeschuldner zur Verfügung stehenden Mittel an. Dies muß grundsätzlich auch für den Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gelten. Da bei nichtbuchführenden Landwirten die Ermittlung des zutreffenden Gewinns in der Regel auf große Schwierigkeiten stößt, hat der BFH die vom Bundesminister der Finanzen in Tz. 45 VAO zu § 131 LAG getroffene Anordnung, zunächst die Vermögensentwicklung zu betrachten und eine wirtschaftliche Bedrängnis in der Regel dann zu verneinen, wenn während des Erlaßzeitraums die Verschuldung des Betriebs - von Vermögensumschichtungsfällen abgesehen - nicht zugenommen hat, nicht beanstandet, weil sie innerhalb der Grenzen liegt, die das Gesetz der Ausübung des Ermessens gezogen hat (vgl. BFH-Urteil III 243/60 U vom 1. Februar 1963, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 76 S. 663, BStBl III 1963, 242). Mit Recht weist jedoch der Prozeßbevollmächtigte des Revisionsklägers darauf hin, daß eine Schuldenvermehrung im Erlaßzeitraum keineswegs als grundsätzliche Voraussetzung für die Erlaßgewährung angesehen werden kann. Denn der Umstand, daß keine Schuldenvermehrung eingetreten ist, stellt nicht immer einen schlüssigen Nachweis für das Nichtvorliegen einer wirtschaftlichen Bedrängnis dar. Es kann durchaus Fälle geben, in denen die Aufnahme von Schulden unmöglich oder unvertretbar ist und der Abgabeschuldner, um keine Schulden aufnehmen zu müssen, sich in seiner Lebenshaltung und seinen sonstigen Ausgaben auf das äußerste beschränkt und von der Substanz lebt. In einem solchen Fall den begehrten Erlaß mit der Begründung zu versagen, es läge keine Schuldenvermehrung vor, könnte ermessensfehlerhaft sein. Die Beurteilung der Erlaßanträge unter dem Gesichtspunkt der Schuldenentwicklung kann vielmehr nur dann ausreichend sein, wenn keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Werden außergewöhnliche Umstände vom Abgabepflichtigen geltend gemacht oder ergeben sie sich aus den Akten, dann ist eine individuelle Gewinnermittlung zur Feststellung der dem Abgabepflichtigen zur Verfügung stehenden Mittel unumgänglich. Im Streitfall liegen aber nach Ansicht des Senats und in ergebnismäßiger übereinstimmung mit den Vorentscheidungen keine besonderen Umstände vor, die eine individuelle Gewinnermittlung als unumgänglich erscheinen ließen. Daß eine Schuldenvermehrung in den beiden streitigen Erlaßzeiträumen nicht eingetreten ist, hat der Revisionskläger bestätigt. Die Vorinstanz und die OFD haben darüber hinaus aber auch zutreffend darauf hingewiesen, daß in den beiden Erlaßzeiträumen eine Erhöhung des Sparguthabens möglich gewesen ist, das, auch wenn man das weitere Anwachsen auf über 8.000 DM zum 31. Dezember 1961 außer acht läßt, am Ende des Erlaßzeitraums 1956 - 1958 immerhin einen Stand von 6.000 DM aufweist. Mitentscheidend war ferner, daß der landwirtschaftliche Betrieb des Revisionsklägers ausweislich der Akten keine berücksichtigungsfähigen Kriegsschäden erlitten hat und der Revisionskläger im Jahre 1951 Land zugekauft und im Jahre 1954 0,9 ha Land zugepachtet und sich wegen des Landerwerbs genötigt gesehen hat, einen Anbau am Wirtschaftsgebäude durchzuführen. Es kommt hinzu, daß der Revisionskläger in den Jahren 1954 - 1958 Inventar im Werte von über 2.000 DM angeschafft hat. Wenn er aber bei allen diesen Ausgaben in den beiden streitigen Erlaßzeiträumen auch noch ein nicht unerhebliches Sparguthaben angesammelt hat, dann ist es nicht zu beanstanden, wenn die OFD in der hier den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Beschwerdeentscheidung die Ansicht vertreten hat, eine Gewinnschätzung erübrige sich im Streitfall, weil nach Tz. 45 VAO zu § 131 LAG die ablehnenden Erlaßentscheidungen des FA unter dem Gesichtspunkt der Vermögensentwicklung gerechtfertigt sind. Hiernach bedurfte es keines Eingehens auf die vom Revisionskläger gerügte Methode der individuellen Ermittlung der verfügbaren Mittel mit ihren vom Revisionskläger als fraglich bzw. unrichtig bezeichneten Berechnungsfaktoren. Ohne Ermessensverstoß durfte die Revisionsbeklagte im Streitfall nach Tz. 45 Satz 1 bis 4 VAO zu § 131 LAG verfahren und die ablehnenden Erlaßbescheide des FA unter dem Gesichtspunkt der Vermögensentwicklung bestätigen.
Fundstellen
Haufe-Index 412354 |
BStBl III 1967, 150 |
BFHE 1967, 358 |
BFHE 87, 358 |