Leitsatz (amtlich)
Beschließen die Gesellschafter einer GmbH auf Vorschlag des Gesellschafter-Geschäftsführers, bestehende künftige Pensionsansprüche durch eine Kapitalabfindung abzulösen, so ist die an den Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Abfindung keine Entschädigung im Sinn des § 24 Nr. 1a EStG.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte ist der Erbe des A (Steuerpflichtiger). Der Steuerpflichtige war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, an der er mit 33 v. H. beteiligt war. Weitere Gesellschafter der GmbH waren Frau B und Frau C. Auf Grund einer ihm im Jahre 1941 erteilten Pensionszusage sollte der Steuerpflichtige ab dem 65. Lebensjahr ein Ruhegehalt bzw. seine Witwe eine Rente erhalten. Entsprechende Pensionszusagen hatte die GmbH damals auch den übrigen Gesellschaftern bzw. ihren Angehörigen erteilt. Im Februar 1960 beschlossen die Gesellschafter einstimmig die Ablösung der bestehenden Pensionsverpflichtungen. Der Steuerpflichtige erhielt als Abfindung den Betrag von 100 000 DM. Am 23. März 1960 veräußerten alle Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an der GmbH. Der Steuerpflichtige blieb jedoch Geschäftsführer der GmbH bis zu seinem Tode.
Mit seiner Steuererklärung für das Jahr 1960 begehrte der Steuerpflichtige, die ihm gezahlte Abfindung steuerfrei zu belassen. Das FA entsprach dem nicht, sondern unterwarf den Betrag von 100 000 DM als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit voll der Einkommensteuer. Der Einspruch hatte lediglich insoweit Erfolg, als das FA die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG für gegeben sah und die Einkommensteuer in der Weise ermittelte, daß es eine Verteilung der Abfindung auf drei Jahre unterstellte. Dies führte zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer um 4 764 DM. Dabei ging das FA davon aus, daß Ruhegehaltszahlungen auf Grund eines Pensionsanspruches Entgelte für früher geleistete Dienste seien. Das gelte auch für dementsprechende Abfindungen. Die streitige Abfindung sei keine Entschädigung im Sinne der §§ 24 Nr. 1 a, 34 Abs. 1 EStG, weil der Steuerpflichtige freiwillig auf künftige Zuwendungen verzichtet und dafüreine Kapitalabfindung erhalten habe. Für die Annahme der Freiwilligkeit in diesem Sinne genüge es, daß der Steuerpflichtige als Gesellschafter-Geschäftsführer zusammen mit den übrigen Gesellschaftern in der Lage gewesen sei, die Art der Auszahlung des Pensionsanspruches zu ändern. Das sei im Streitfall mit dem Gesellschafterbeschluß vom 22. Februar 1960 geschehen.
Auf die Klage des Erben hob das FG die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Steuerbescheid ersatzlos auf. Das FG, dessen Urteil in EFG 1967, 13 veröffentlicht ist, führte aus: Das FA habe zutreffend die nur im Einspruch noch geltend gemachte völlige Steuerfreiheit der Abfindung im Ergebnis zutreffend verneint. Steuerfrei könnten nur solche Kapitalabfindungen sein, die anstelle von Rentenansprüchen getreten seien, die ihrerseits nur ihrer Rechtsform wegen einkommensteuerpflichtig wären. Die im Streitfall an den Steuerpflichtigen gezahlte Abfindung sei jedoch entgegen der Auffassung des FA als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG anzusehen und als außerordentliche Einkunft nach § 34 EStG tarifbegünstigt. Wenn sich das FA auf das Urteil des BFH VI 267/61 U vom 2. Februar 1962 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 74 S. 340 - BFH 74, 340 -, BStBl III 1962, 130) berufe, weil der Steuerpflichtige freiwillig die Kapitalzahlung gewählt habe, so sei das FG der Meinung, daß dieser Rechtsprechung des BFH die innere Überzeugungskraft fehle. Das angeführte Urteil sei im Schrifttum auf nahezu einhellige Ablehnung oder mindestens Kritik gestoßen (so Vangerow, Steuer und Wirtschaft, 1962 Sp. 737; Judeich in Anmerkung zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 24, Rechtsspruch 27; Hofmann, Finanz-Rundschau 1962 S. 320; Busse, Deutsches Steuerrecht 1965 S. 15). Das Erfordernis des Ausgleichs eines wirtschaftlichen Schadens als eines vom Steuerpflichtigen ungewollten Vorgangs entspreche weder dem Gesetzeswortlaut noch seinem Sinn. Sinn und Zweck des § 24 EStG sei lediglich, klarzustellen, daß auch einmalige Einnahmen, die aus besonderer Veranlassung wirtschaftlich an die Stelle von laufenden träten, zu einer bestimmten Einkunftsart gehörten. Eine an der Tarifvorschrift des § 34 EStG orientierte enge Auslegung des Entschädigungsbegriffs als solche erscheine gesetzessystematisch bedenklich.
Die Revision des FA rügt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH Verletzung geltenden Rechts. Die Revision beruft sich insbesondere auf das Urteil VI 346/62 U vom 3. Juli 1964 (BFH 80, 202, BStBl III 1964, 548) und hält es für geboten, an einer konstanten Rechtsprechung festzuhalten. Der Kläger und Revisionsbeklagte hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG verletzt geltendes Recht. Das FG hat den Begriff der Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG unzutreffend ausgelegt und steht im bewußten Widerspruch zu dem sich aus der ständigen Rechtsprechung des BFH ergebenden Entschädigungsbegriff. Wenn das FG in jedem Ersatz für eine andere Leistung bereits eine Entschädigung sieht, deren Steuerpflicht lediglich durch § 24 EStG klargestellt werde, so vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das FG hat sich als Stütze für seine Rechtsauslegung auf Kritik berufen, die die Rechtsprechung des BFH gefunden hat. Trotz dieser Kritik hat der erkennende Senat im Urteil VI R 66/67 vom 17. Juli 1970 (BFH 99, 381, BStBl II 1970, 683) an seiner Rechtsprechung festgehalten. Es trifft nicht zu, daß die Rechtsprechung des BFH die Auslegung des Begriffs Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG an § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG orientiert und demgemäß einengend ausgelegt habe. Wenn der Rechtsauslegung des BFH insbesondere vorgeworfen wird, daß das als Voraussetzung geforderte Schadensereignis aus dem Begriff der Entschädigung nicht hergeleitet werden könne, so läßt diese Kritik den Wortlaut der Vorschrift außer Betracht. Nach der eindeutigen Fassung des § 24 Nr. 1a EStG fällt hierunter nur eine Entschädigung, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden ist. Eine mit dem Einverständnis des Berechtigten weggefallene Einnahme ist diesem aber nicht "entgangen". Gerade hierauf beruht die Rechtsprechung des BFH, daß der Begriff der Entschädigung voraussetzt, daß ein Steuerpflichtiger gegen oder ohne seinen Willen (unfreiwillig) einen Schaden (Verlust) erlitten hat und daß die Entschädigung dem Ausgleich dieses Verlustes dienen muß. Der Senat verweist hierzu auf die in dem angeführten Urteil VI R 66/67 (a. a. O.) angeführte Rechtsprechung.
Das Urteil des FG war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Der Senat ist nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO in der Lage, selbst zu entscheiden. Nach den unbestrittenen, vom FG getroffenen Feststellungen beruht die streitige Abfindung auf einer freiwillig geschlossenen Vereinbarung. Die Vereinbarung hatte ihre Grundlage darin, daß alle Gesellschafter der GmbH ihre Geschäftsanteile zu veräußern beabsichtigten. Wenn die Gesellschafter demgemäß nach dem Vortrag des Steuerpflichtigen als Geschäftsführer die Ablösung der Pensionsverpflichtungen gegen eine Abfindung beschlossen haben, so kann keine Rede davon sein, daß ihnen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG die Pensionsansprüche entgangen seien. Es kann dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen auch immer die GmbH bei ihrem Übergang auf andere Gesellschafter nicht mehr mit Pensionsverpflichtungen belastet sein sollte. Die streitige Abfindung ist jedenfalls nicht als eine nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigte Entschädigung zu beurteilen. Nachdem das FA in der Einspruchsentscheidung die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG gewährt hat, war die gegen diese gerichtete Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 69382 |
BStBl II 1971, 266 |
BFHE 1971, 98 |