Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflegungsmehraufwand auf Dienstreisen bei Berufskraftfahrern und Lok-Führern der Deutschen Bundesbahn
Leitsatz (NV)
1. Die regelmäßige Arbeitsstätte befindet sich am Betriebssitz des Arbeitgebers, wenn ein Berufskraftfahrer dort nicht nur fahrertypische Arbeiten ausführt.
2. Nichtfahrertypische Arbeiten in diesem Sinne sind auch während einer Einsatzbereitschaft verbrachte Wartezeiten.
3. Die für Berufskraftfahrer entwickelten Rechtsgrundsätze gelten entsprechend auch für Lok-Führer der Deutschen Bundesbahn.
4. Die Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwands auf Dienstreisen sind ohne Nachweis entstandener Mehrkosten auch Berufskraftfahrern und Lok-Führern der Deutschen Bundesbahn zu gewähren, es sei denn, es würde dies zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.
Normenkette
EStG 1980 § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1978 Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist Lokführer bei der Deutschen Bundesbahn. Er erhält von seinem Arbeitgeber gekürzte Tagessätze nach § 17 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) als Aufwandsentschädigung. Er machte im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 die Differenz zwischen ihnen und den Pauschbeträgen nach Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1978 (LStR) als Werbungskosten wegen Verpflegungsmehraufwands bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Das FA ließ im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Das FA meint, es lägen beim Kläger keine Dienstreisen vor, weil seine regelmäßige Arbeitsstätte die jeweils von ihm geführte Lok sei. Im übrigen habe er weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, daß sein Verpflegungsmehraufwand die von seinem Arbeitgeber gezahlten Aufwandsentschädigungen überstiegen habe. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Der Kläger brachte im Klageverfahren vor, seine regelmäßige Arbeitsstätte sei das Bahnbetriebswerk in A. Dort sei er 12 bis 13 Stunden wöchentlich tätig; das sei etwa 1/3 seiner wöchentlichen Arbeitszeit. Nach den Dienstfahrplänen seines Arbeitgebers sei er nur 41 bis 50 v.H. der Arbeitszeit im Fahrdienst auf der Lok tätig.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte u. a. aus:
Der Kläger könne die Pauschbeträge nach Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 LStR nicht beanspruchen, weil er keine Dienstreisen unternommen habe. Er habe die Aufgabe, Loks zu führen. Diese Tätigkeit übe er auf der jeweiligen Lok aus. Andere Arbeiten von ausreichendem Gewicht, die eine regelmäßige Arbeitsstätte im Bahnbetriebswerk A begründen könnten, fielen bei ihm nicht an. Daß lediglich 41 bis 50 v.H. der Arbeitszeit die Fahrzeiten auf der Lok beträfen, sei unerheblich; denn es komme nicht auf das Verhältnis von Fahrzeiten zu Pausen und Wartezeiten an. Entscheidend sei der eigentliche Gegenstand und Inhalt der beruflichen Tätigkeit des Klägers und wo sie ausgeübt werde.
Der Kläger habe im übrigen für das Streitjahr 1980 weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, daß ihm ein beruflich bedingter Verpflegungsmehraufwand tatsächlich entstanden sei, der die Erstattungsbeträge des Arbeitgebers überstiegen habe.
Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er bezieht sich zur Begründung auf seine Ausführungen in seiner Beschwerde vom 17. Oktober 1983 wegen Nichtzulassung der Revision und auf seine Klageschrift vom 3. Februar 1982. Er bringt vor, seine Arbeitsstätte sei das Bahnbetriebswerk in A gewesen. Die Anerkennung von Pauschbeträgen nach den LStR führe bei ihm nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit um 1925 DM zu erhöhen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Kläger kann sich auf die Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwands nach Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 LStR nur berufen, wenn ihm dieser Aufwand anläßlich einer Dienstreise i.S. des Abschn. 25 Abs. 2 LStR entstanden ist. Dienstreisen in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats vor, wenn der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen zeitweilig vom Ort seiner regelmäßigen (festen) Arbeitsstätte abwesend ist (vgl. z. B. Urteil vom 5. November 1971 VI R 184/69, BFHE 103, 493, BStBl II 1972, 130).
Diese Voraussetzungen hat der Senat in den Urteilen vom 24. November 1978 VI R 171-172/76 (BFHE 126, 454, BStBl II 1979, 148) und vom 11. Mai 1979 VI R 129/77 (BFHE 127, 546, BStBl II 1979, 474) bei Berufskraftfahrern verneint, wenn sie, so insbesondere LKW-Fahrer, ihre arbeitstäglichen Fahrten von einem bestimmten Betriebsgelände aus antreten. In einem solchen Fall hat der Arbeitnehmer in der Regel seine regelmäßige Arbeitsstätte auf dem Kfz (dem LKW), mit dem er unterwegs ist. Berufskraftfahrer können ihre regelmäßige Arbeitsstätte jedoch am Betriebssitz des Arbeitgebers haben, wenn sich aus der Häufigkeit des Aufenthalts am Betriebssitz und dem Umfang der dortigen Verrichtungen ergibt, daß sich dort ihr beruflicher Mittelpunkt befindet. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Als Berufskraftfahrer in diesem Sinne hat der Senat in den Urteilen vom 8. August 1986 VI R 195/82 (BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824), VI R 2/84 (BFHE 147, 255, BStBl II 1986, 828), VI R 117/83 (BFHE 148, 237, BStBl II 1987, 184) und vom 27. März 1987 VI R 192/85 (BFH/NV 1987, 511) auch Busfahrer, Straßenbahnfahrer, Taxifahrer und Beifahrer eines Kanalreinigungsfahrzeugs angesehen.
An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Ihnen ist auch die Verwaltung in Abschn. 25a LStR 1987 gefolgt. Sie nimmt eine regelmäßige Arbeitsstätte am Betriebssitz des Arbeitgebers an, wenn der Berufskraftfahrer dort nicht nur fahrertypische Arbeiten, wie z. B. bestimmte regelmäßige nur kurze Zeit beanspruchende Wartungsarbeiten oder die für die Verkehrssicherheit vorgeschriebenen Kontrollmaßnahmen, sondern in ständiger Wiederkehr fahreruntypische bzw. grundstücksbezogene Arbeiten ausführt. Hierzu zählen die Richtlinien u. a. auch die während einer Einsatzbereitschaft am Betriebssitz verbrachten Wartezeiten. Dem tritt der Senat bei.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da es nach den vom FG getroffenen Feststellungen ungewiß ist, inwieweit der Kläger Zeiten der Einsatzbereitschaft am Bahnbetriebswerk in A verbracht hat.
Die für Berufskraftfahrer entwickelten Rechtsgrundsätze können grundsätzlich auch auf Lokführer der Deutschen Bundesbahn entsprechend angewandt werden. Nach den Feststellungen des FG ist der Kläger als Lokführer während einer nicht unbedeutenden Zeit - zwischen 50 bis 59 v.H. seiner Arbeitszeit - im Bahnbetriebswerk in A gewesen. Das FG hat diese Zeiten nicht als wesentlich für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte am Bahnbetriebswerk angesehen, weil sie ,,Pausen und Wartezeiten" beträfen.
Ungeklärt ist dabei, ob und inwieweit die ,,Pausen und Wartezeiten" Zeiträume einer dem Kläger vorgeschriebenen Einsatzbereitschaft am Betriebssitz gewesen sind. Ins Gewicht fallende Zeiten der Einsatzbereitschaft könnten entsprechend der Regelung in Abschn. 25a LStR 1987 zu der Annahme führen, daß die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers im Streitjahr 1980 im Bahnbetriebswerk in A gelegen hat, die Fahrten auf der Lok also als Dienstreisen zu werten sind.
Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen, damit es feststellt, in welchem Umfang die Aufenthaltszeiten des Klägers im Bahnbetriebswerk in A auf in Einsatzbereitschaft verbrachte Wartezeiten entfallen sind. Sollten die Fahrtzeiten des Klägers auf der Lok als Dienstreisen zu werten sein, so sind dem Kläger die Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwands nach Abzug der gekürzten Tagessätze des § 17 BRKG als Werbungskosten ohne Einzelnachweis solcher Mehrkosten zu gewähren, es sei denn, es würde der Ansatz der Pauschbeträge zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen. Die ist entsprechend den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 25. Oktober 1985 VI R 15/81 (BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200) nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Für Berufskraftfahrer gelten insoweit keine anderen Maßstäbe (v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 564; a. A. FG des Saarlandes, Urteil vom 13. Mai 1981 II 474/79, Entscheidungen der Finanzgerichte 1982, 17).
Fundstellen
Haufe-Index 415508 |
BFH/NV 1988, 363 |